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Beitrag vom 31.12.2011
Interview mit Sookee
Meyer, Adler
"Bitches Butches Dykes & Divas", so der Titel ihres neuen Albums. Den gleichnamigen Track hat sie eigens für den Slutwalk komponiert. Über die Bambi-Verleihung an Bushido, Sprache als Werkzeug...
... die Ãœberwindung von Geschlechterstereotypen oder die Unterschiede zwischen der Generation Emma und der Generation Butler sprachen wir im Dezember 2011 mit Quing Sookee.
AVIVA-Berlin: Dein neues Album "Bitches Butches Dykes & Divas" erschien am 2. Dezember 2011. Der Song, den wir jetzt gerade hören, ist speziell komponiert für den Slutwalk.
Sookee: Ich hatte nicht vor, eine Hymne zu schreiben. Aber es war klar, dass wir die Musik zum Slutwalk beisteuern. Alle ´Lady Marmelades´, ´Free Your Minds´ und ´Girls Just Wanna Have Funs´ laufen ja sowieso auf solchen Demos. Ich hab mit dem Track eine Ergänzung geschaffen.
AVIVA-Berlin: Du unterstützt auch "Tausend Kreuze in die Spree". Machst du dafür auch ein Lied?
Sookee: Dieses Jahr war ich in Gießen auf einer feministischen Tagung zu Mädchenarbeit, was total schön war. Als Pädagogin kannst du sonst nicht so frei über deine feministische Parteilichkeit sprechen, ohne dass irgendwelche Männer dabei sind, die dann sagen "Mämämä, Feminismus macht, dass die Jungs Bildungsverlierer sind." Und insofern war es da dann gut, einfach mal mit diesem Selbstverständnis ganz offen hingehen zu können, weil das ganze Ding schon so übertitelt war. Und deswegen war ich dieses Jahr nicht bei "Tausend Kreuze in die Spree" dabei, aber ich habe im letzten Jahr ein bisschen Robin Hood gespielt und zwar hatte ich einen Job von der katholischen Kirche. Die wollten, dass ich bei einem Jugend-Kulturfestival auftrete. Ich nahm aber die Kohle und reichte sie an die "Tausend Kreuze in die Spree".
AVIVA-Berlin: Die katholische Kirche kam auf dich zu?
Sookee: Ja, ich dachte auch: "Leute, könnt ihr bitte mal das Album hören?" Ich hab das offen gelegt und meinte "Wenn du deinen Job riskieren willst, okay, ich weiß nicht, was euer Chef dazu sagt, aber ich mach das." Ich habe da gespielt und dann die Kohle eben weitergereicht.
AVIVA-Berlin: ... dein Geld, kannst ja damit machen was du willst. Aber es ist natürlich wirklich ein sehr witziger Seiteneffekt, zu sagen, du gibst es genau an die Organisation, die für das Recht auf Abtreibungen plädiert, wohingegen das Oberhaupt der katholischen Kirche ja wirklich alles andere als einsichtig ist.
Du hast auf deinem zweiten Album "Quing" angedeutet, neue Definitionen für den menschlichen Umgang miteinander entwickeln zu wollen. Wie sieht Deine Traum-/Idealvorstellung eines harmonischen und gewaltfreien Miteinanders aus?
Sookee: Hm, wer bin ich, dass ich das entscheide, aber mein Eindruck ist, dass die Menschen nicht so richtig gerne teilen. Zu teilen ist ein total schwieriges Thema: auf welchem Niveau jammern wir, wenn unser Geld nicht reicht für dieses oder jenes? Aber wenn man sich darauf einlässt, ökonomisch messbare Sachen zu tauschen, und auch Gedanken zu teilen, Ideen zu teilen, Fragen zu teilen, ich glaube, das würde eine Offenheit schaffen, die notwendig wäre, Gerechtigkeit herbeizuführen. Also auch Menschen nicht einzuschränken, wie "Du bist meine beste Freundin, und wenn du dich zu viel mit anderen triffst, dann..." Was machen so monogame Besitzansprüche in allen möglichen Hinsichten? Die Monogamie ist sehr exemplarisch dafür, wie ich finde. Ich habe es in den Gender-Studies oft erlebt, dass es heißt, wir sollten uns nicht runterpegeln, um Wissen vereinfacht raus zu reichen, weil wir dann ja auch was von unserem Anspruch aufgeben. Dieses "Elfenbeinturm-Ding" hat mich total genervt, weil ich gedacht habe: "Ihr wollt doch was verändern!" Wenn wir das aber nicht anschlussfähig machen und raus reichen, ist es schön, dass wir es wissen, aber die anderen wissen es nicht. Elitenbildung und Wahrheitsansprüche führen ja auch dazu, dass Leute ausgeschlossen werden und dann ist der Umgang miteinander blöd. Runtergekocht bin ich irgendwann auf die Idee gekommen, dass Offenheit und Gerechtigkeit auch was mit Teilen zu tun hat, daraus lässt sich auch eine Kapitalismuskritik formulieren. Ich werde gerade von einer bestimmten Personengruppe ganz arg dafür kritisiert, dass alles, was ich mache, viel zu tanzbar sei, viel zu poppig, und vom Sound her viel zu kommerziell, vom ganzen Auftreten viel zu popkulturell und das sei dann nicht mehr "real" und Untergrund, das ist in einem linksradikalen Sinne viel zu sehr "Du gibst Sachen preis, die in der Subkultur passieren, das ist doof, das ist unseres!"
AVIVA-Berlin: Ich finde es im Gegenteil sehr gut, wenn feministische Inhalte auch weiter verbreitet und nicht nur so eng gefasst werden…
Sookee: Ich finde es wichtig, Brücken zu bauen, ich finde es wichtig, zu teilen, ich finde es wichtig, anschlussfähig zu sein, es hilft nichts, wenn ich es weiß und meine zehn Freundinnen und darüber hinaus passiert halt nichts. Oder, wenn ich dann manchmal große Popsängerinnen verlinke, weil ich mir damit eine feministische Lesart ermögliche, dann heißt es: "Die verkaufen Feminismus an die Kulturindustrie!" Ich glaube, dass man trotzdem radikal bleiben kann. Es ist nur die Frage, wie offen Kommunikation stattfindet, oder was man anzubieten hat. Ich glaube, dass eine gewisse Radikalität und Konsequenz durchaus erhalten bleiben kann, wenn man in eine bestimmte Richtung anschlussfähig wird. Ich werde jetzt nicht die Welt retten, das ist schon klar, aber ich habe halt schon meinen Radius, in dem ich ein bisschen was rocken kann, und die Leute reagieren auch dementsprechend. Es gibt gerade viele Jungs, die normalerweise nie in einen feministischen Zusammenhang geraten würden, die stellen Fragen, "Wo fängt Sexismus an, wie geht das eigentlich alles?", das ist total fein. Da hat mir dann auf jeden Fall die pädagogische Arbeit geholfen. Wie erklärst du ein so komplexes Konzept wie "queer", einer Fünfzehnjährigen, die wissen will, was los ist? Hey, du hast ein Interesse, also werde ich mir alle Mühe geben, zu erklären, was ich mir darunter vorstelle.
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© Sharon Adler |
AVIVA-Berlin: Mit welchen Worten hättest Du Bushido den Bambi für Integration verliehen oder verweigert?
Sookee: Was hab` ich gezetert! Aber faktisch ist das total berechtigt, da er sich als heterosexistischer Mann in eine heterosexistische Gesellschaft integriert. Wäre er für eine anti-rassistische Arbeit ausgezeichnet worden, dann wäre das was anderes, aber für "Integration" finde ich das tatsächlich berechtigt. Er ist bekannt für seine Homophobie und seinen Sexismus. Er ist ja geehrt worden für sein persönliches
"Guck ihn dir an, er schafft es, sich ein Konto zu füllen, einflussreich zu werden, ein Häuschen in Steglitz zu kaufen, und so weiter". Das ist seine Form von Integration und dafür ist er geehrt worden, das heißt, er integriert sich mit heteronormativen Standards in eine heteronormative Gesellschaft. Und darin war er erfolgreich.
AVIVA-Berlin: In der Begründung der Jury war allerdings die Rede von
"Einsatz für ein respektvolles Miteinander"...
Sookee: Das ist natürlich der blanke Hohn. Ich habe noch einmal alle möglichen Textstellen, mit großen Triggerwarnungen versehen, gepostet, wo einfach klar ist, Junge, du hast dich nie distanziert, und wenn du sagst, das waren Jugendsünden, das ist nicht das Gleiche. Ich zitiere, nur frei, aus der aktuellen Single, es gipfelt darin, dass er seinem imaginären Gegenüber vorwirft
"... denn du hast keinen Schwanz!" Phallozentrismus noch einmal deutlich gemacht. Es ist schon alles sehr viel hochglanzpolierter und sozialverträglicher als früher etwa in dem Song
"Gangbang", aber trotzdem läuft es immer noch auf dasselbe hinaus. Deswegen nervt mich auch bei Sido diese Saulus-Paulus-Nummer, es ist die gleiche Attitude, ich habe von 2009 ein Interview mit Sido gesehen, wo er auch darüber redete, wie er sich geändert hat. Er wird in diese Interviewsituation in ein leeres Schwimmbad geführt, er kommt da rein und sagt bloß
"Wo sind denn hier die nackten Weiber?". Wenn du dir so ein Ding nicht verkneifen kannst und wenn du das entweder aus Überzeugung oder aus Politik einfach so dropst, dann bist du der gleiche Depp, der du immer schon warst, nur, dass du eben ein bisschen erwachsener bist und dich etwas sozialverträglicher zeigst. Die beiden wissen mittlerweile gewünschtes Verhalten an den Tag zu legen. Ich glaub da an gar nichts.
AVIVA-Berlin: Du hast germanistische Linguistik und Gender Studies studiert. Wie kann deiner Einschätzung nach Sprache als Werkzeug benutzt werden, um Geschlechterstereotype aufzuknacken oder zu reproduzieren?
Sookee: Das generische Maskulinum macht ja schon einen ganz guten Job, wenn es um die Reproduktion von tradierten Geschlechterrollen und -verhältnissen geht. Alles, was Kompetenz und Rationalität und allen möglichen Formen ökonomisch messbarer Kenntnisse angeht, wird der männlichen Sphäre zugesprochen. Einfach nur so weiter zu sprechen wie bisher würde bedeuten, dass das etablierte Geschlechterverhältnis fortbesteht, und dies zu irritieren, es aufzubrechen, bedeutet auch, sich zu bemühen, eine geschlechtersensible Sprache zu verwenden. Da hat sich ja einiges getan seit Luise F. Pusch mit ihrer großartigen Tampon-Satire. Es hieß da in der Bedienungsanleitung, dass
"... jeder seine Regel anders erlebt". "Geschlechtersensibel" ist wahrscheinlich ein besserer Begriff, als "geschlechtergerecht", um diese ganzen politischen Prozesse der Sprachveränderung abzubilden. Das Wichtigste finde ich, ist, einfach auf die Selbstbezeichnungen der Personen, als Gruppen oder als Individuen, zu hören. Ich glaube, wenn man sich da traut zu fragen, ohne unnötig zu exotisieren, die Ohren spitzt, erst einmal die Klappe hält, um etwa zu erfahren, welches Pronomen wird genannt. Da kann man schon einmal eine Menge richtig machen, indem man auf die Selbstdefinition achtet und nicht fremdbezeichnet und von außen kategorisiert. Ich meine, es ist 2011, wir haben eine Milliarde Möglichkeiten, Sachen zu recherchieren und uns auf dem Laufenden zu halten. Wenn ich wirklich interessiert bin, muss ich dazu keine Seminare besuchen, dafür ist Subkultur hervorragend geeignet und bietet ein tolles, alternatives Bildungssystem, indem ein Haufen Informationen einfach zugänglich gemacht werden.
Ich finde, positive Irritationen und gerade paradoxe Interventionen sind tolle Strategien, um Leute zu sensibilisieren. Der Klassiker ist zum Beispiel
"Seit wann weißt du, dass du heterosexuell bist? Wie haben deine Eltern darauf reagiert, als du dich geoutet hast?" Ich hatte gerade in einem Workshop einen Jungen, der sagte
"Ich ficke diesen Penner..." und ich sagte
"Nimm`s mir nicht übel, aber wie genau muss ich mir das jetzt vorstellen?" Es gab vorher schon ein paar Momente, in denen ich das ansprach,
"Hey Jungs, ich empfinde das gerade als Respektlosigkeit, wenn ihr in meiner Gegenwart so redet, wenn ihr das unter euch macht, hab ich da nicht drin rum zu funken, aber ich will mich mit euch hier wohlfühlen, deswegen ist das in meinem Ohr jedes Mal so, wie wenn ich mit den Fingern über die Tafel kratze." Also habe ich ein Szenario artikuliert,
"Du hast da romantische Gefühle für einen obdachlosen Mann am Kotti...", und habe naiv gespielt, ihn darauf gestoßen, dass ich eine andere Verwendung des Begriffs habe. Er sagte
"Ja, das heißt doch `schlagen`", und ich ging weiter:
"Angenommen, du gehst jetzt nach Hause und sagst zu deiner Freundin `Ich hab Bock, dich heute Abend richtig zu schlagen`", einfach, um diese Absurdität und die Gewaltförmigkeit darin für einen Moment offen zu machen. Es gibt eine Gruppe Jugendlicher in Neukölln, die ich in den letzten drei Jahren immer wieder in verschiedenen Kontexten treffe. Die wissen ganz genau, dass bestimmte Begriffe bei mir einfach schwierig sind. Ich sage ihnen dann
"Ihr wisst nie, welche Leute, mit denen ihr unterwegs seid, auf so was schlecht reagieren, woran die das vielleicht erinnert, deshalb macht es Sinn, sicher zu stellen, dass das für die okay ist." Da gibt es auch verschiedene Strategien, um das neurolinguistisch zu programmieren, bei jedem
"Hurensohn" kommt von mir ein
"IIIIIEEEP!", das heißt auch, ich renne da durch die Jugendeinrichtung und mache dreißig Mal am Tag
"IIIIIEEEP!". Natürlich nervt die das auch, aber dann merken die halt, wie mich das nervt. Das klappt ganz gut.
AVIVA-Berlin: Für alle, die es noch nicht wissen – kannst Du bitte kurz erklären, was einE
"Quing" ist?
Sookee: Ich war ja ein paar Jahre im Hip-Hop unterwegs und da ist es total wichtig, sich zu benennen, es gibt da eine ganze Reihe Subgenres und die sind alle mit Images ausgestattet. Das heißt zum Beispiel, du wirst als Porno-Rapper nicht in einem gesellschaftskritischen Studenten-Öko-Ding unterwegs sein. Ich habe für mich einfach nichts gefunden, womit ich mich wohl gefühlt habe, zumal weibliche Rollenangebote oder Identitätsfelder sich im Hip-Hop sehr stark an einem männlichen Referenzrahmen orientieren. Das heißt, du bist die Schwester von..., die Nutte von..., es gibt immer einen Typen, an den du gebunden wirst. Es gibt sehr wenig autonome Frauenbilder. Das hat mich total genervt und ich fragte, was machste jetzt, irgendwas brauchste, musste was erfinden. Wenn es das nicht gibt, musst du es erfinden. Es gibt die Tradition, sich im Hip-Hop mit royalen Begriffen, wie
"Queen" und
"King" auszustatten. Das hat natürlich ein herrschaftliches Moment, sich ganz weit oben in der Hierarchie zu befinden, also habe ich die beiden Begriffe einmal umgerührt und da kam
"Quing" bei raus. Es schafft Uneindeutigkeit und Irritation, weil der Begriff nicht etabliert ist, die Leute haben Grund, nachzufragen, das ist dann meine Gelegenheit, einmal auszurollen, was mir wichtig ist. Das ist aber nicht, was ich auf mich abonniere, sondern Leute in subkulturellen, emanzipatorischen Zusammenhängen sind herzlich eingeladen, das auf sich anzuwenden. Deshalb habe ich mich auch nicht von
Sookee in
Quing umbenannt, sondern es nur als Ergänzung benutzt. Es gibt auch einen Track, der erklärt, dass es um anti-normative, anti-hierarchische Bemühungen geht, sich in einer Subkultur oder auch im privaten Zusammenhang zu verorten, sich für Sprache zu sensibilisieren und hin und wieder das eigene Ego zu überprüfen, zu schauen, was sind meine politischen Ziele. Die Jugend in unserem Land wird ja immer als unpolitisch gedacht, was einfach damit zusammenhängt, dass der Politikbegriff so eng gefasst wird. Damit wird nur parlamentarische Parteipolitik oder Gewerkschaftsarbeit gedacht, aber darüber hinaus gibt es relativ wenige Gelegenheiten für Menschen, sich als politisch zu fassen, wenn sie nicht in der Jugendorganisation einer Partei sind. Ich glaube, wenn sich da das Verständnis ein bisschen öffnen würde, dann gäbe es auch nicht diesen Eindruck von Politikverdrossenheit bei jungen Menschen.
Quing ist auch die Gelegenheit, sich zu politisieren.
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© Sharon Adler |
AVIVA-Berlin: Auf der Einladung zu deiner Record-Release-Party batest du, das alle in Schwarz und/oder Lila und/oder Glitter erscheinen mögen. Sag doch noch ein Wort zu Lila und Schwarz, bitte...
Sookee: Ich weiß gerade gar nicht, warum Schwarz, aber Lila ist die visuelle Entsprechung zu
Quing. Es gibt ein weiblich konnotiertes "Rot", ein männlich konnotiertes "Blau", wenn man sich ein bisschen in der Kulturgeschichte umguckt, stellt man fest, dass es auch durchaus mal anders herum gedacht war. Lila ist die einzige Farbe, die ich kenne, die ich in allen Nuancen schön finde. Kulturwissenschaftlich gedeutet sind da vielleicht alle möglichen Identitäten drin versteckt, deswegen ist Lila die Entsprechung zu
Quing, das ist trotz dieser Ãœberlegungen kein platter imagepolitischer Move, sondern einfach meine Lieblingsfarbe. Es hat sich zwar zu einem Wiedererkennungswert gemausert, aber das ist ja auch nicht verkehrt.
AVIVA-Berlin: Wichtiges Thema auf dem 1. Divida-Salon war das Treffen verschiedener feministischer Generationen unter dem Motto
"Mein feministisches Coming Out"...
Sookee: Im Nachhinein ist mir ja klar geworden, wer da alles versammelt war, das war schon ein ganz schönes "Who-Is-Who" des Feminismus in Berlin, und ich dachte, muss ich mich jetzt geehrt fühlen, darin untergebracht zu sein, oder heißt das, dass es so wenige von uns gibt, dass ausgerechnet wir uns da versammeln? Ich finde es absurd, die einzige bekannte Rapperin in Deutschland zu sein, die das "F-Wort" auf sich anwendet, das ist total schade, damit kriege ich zwar eine herausragende Position, aber es hilft nichts. Ich wünschte, nicht so viel für alles Mögliche angefragt zu werden. Wenn ich das mal auf mein kulturelles Feld runterdampfe, dann ist es eigentlich absurd, dass ich diejenige bin, die Queerfeminismus und Hip-Hop macht, dass ich nicht rechts, links, oben und unten dreißig andere Frauen stehen habe. Das ist es, was mich manchmal ein bisschen wurmt.
AVIVA-Berlin: Was würdest du dir wünschen, wie könnte es denn anders sein?
Sookee: Dass ich mehr Referenzen hätte, dass ich mich mehr auf andere Personen beziehen könnte. In den UK gibt es gerade eine tolle, keine explizit feministische aber trotzdem "Girrrrrl, mit möglichst vielen Rs"-Power-Geschichte. Da sind gerade wahnsinnig viele Frauen unterwegs, nicht jede
eine Frau in einer männlichen Crew. Da können gerade viele Frauen total entspannt nebeneinander existieren, da gibt es eben nicht "The One". Da gibt es Momente, in denen ich richtig schwermütig werde, warum habe ich das hier nicht, warum gibt es da so viel Solidarität? Na klar sind einige Rapperinnen im Verhältnis zu den Jungs nicht so gut, aber das ist wie Fußball, wenn du viel in die Trainingsmethoden investierst, dann kommen da auch bessere Ergebnisse rum. Dadurch, dass die Jungs die Mädels zu selten mitspielen lassen, haben die auch wenig Gelegenheit, sich zu verbessern. Eine Freundin und ich planen allerdings ein Mixtape, zu dem wir jede Menge rappende Frauen einladen wollen, auf dem nur Beats verwendet werden, auf die in den letzten Jahren Hip-Hop Frauen gerappt haben.
AVIVA-Berlin: Welches sind Deiner Meinung nach die großen Unterschiede zwischen der Generation Emma und der Generation Butler? Wie können Kommunikationshürden überwunden werden?
Sookee: Dieser ganze Aspekt von Intersektionalität und dritter, vierter oder was-auch-immer-für-einer Welle des Feminismus` ist ja auch diskutierbar. Aus Frauen-Räumen wurden erst Frauen-Lesben-Räume und dann Frauen-Lesben-Trans*-Räume. Da ist dann die Frage
"Naja, eine Trans-Frau ist ja auch männlich sozialisiert" oder
"Verrät eine Frau-zu-Mann-Transperson vielleicht Weiblichkeit?", diese Debatten sind ganz schön pikant und werfen die Fragen auf, ob
"Queer" den Feminismus verunsichert und ob die Auflösung von Geschlechtlichkeit und Geschlechterrollen die Verunsichtbarung von Weiblichkeit ermöglicht und schafft. Ich glaube durchaus, dass es eine total gute Möglichkeit gibt, ein gutes
"Sowohl-als-auch" darin zu finden. Wenn du Leuten, die nicht (mehr) als Frau leben, die Möglichkeit gibst, deine Kämpfe zu unterstützen, dann geht es trotzdem noch darum, dass das Patriarchat alles, was nicht biologisch männlich ist, unterprivilegiert. Oder die Tatsache, dass es einen Haufen Aufwand gebraucht hat, um rassistische Ressentiments in der weißen Mehrheitsgesellschaft sichtbar zu machen. Oder auch sex-positiver Feminismus. Das sind Fragen, die zumindest eine aktualisierte Form haben und darum Schwierigkeiten in sich bergen.
AVIVA-Berlin: Auf deiner Facebook-Seite fragst Du, wer Interesse daran hat, sich an Übersetzungen für "Pro Homo" und gerne noch an weitere Songs zu versuchen.
Sookee: Übersetzungen sind natürlich schwierig, deswegen habe ich auch geschrieben, Flows und Reime sind nachrangig, es sind jetzt erst mal die Inhalte, damit die wenigstens übertragen werden. Einfach um eine Sammlung zu haben, auf die Leute auch zugreifen können. Es gibt tatsächlich gerade erstmalig ein Interesse aus Regionen, die nicht-deutschsprachig sind. Ich werde im März ein Projekt mit Leuten aus Serbien und Kroatien machen, die haben gefragt, ob sie an "Pro Homo" im deutschsprachigen Raum irgendwie andocken können. Ich weiß, dass Leute mit meinen Texten arbeiten und finde es auch total fein, dass sie das weiter verwenden und Visualisierungen machen, oder es etwa als Eingangszitat für Hausarbeiten benutzen. Ein ganz krasses Beispiel ist der 1997 getötete Josef Anton Gera. Er hat jetzt, vierzehn Jahre nach seiner Ermordung, eine Gedenktafel bekommen, auf der tatsächlich zu lesen steht
"Wie kann man nur hassen, dass Menschen sich lieben". Das sind Momente, in denen ich unglaublich dankbar bin, dass ich die Möglichkeit habe, so etwas auszuspucken, damit eben auch Sachen passieren. Mir wurden Fotos geschickt, von Fußballfans, die mit diesem Satz im Stadion gegen Homo- und Transphobie demonstrieren. Deshalb setze ich die Texte auch ins Netz und Leute können sich daran bedienen. Ich mag natürlich darüber informiert werden, was passiert, einfach, damit ich weiß, was Leute so damit tun.
AVIVA-Berlin: Dein neues Album heißt
"Bitches Butches Dykes & Divas", was ist, kurz gesagt, seine Message?
Sookee: Die ähnelt schon sehr der Message vom zweiten Album, nur, dass ich mir hier einfach mehr Raum genommen habe, zu vertiefen und ein bisschen zu schärfen. Es geht um Antisexismus, um Antihomophobie und es geht überhaupt um alternative Formen von Dingen, die gesellschaftliche Anerkennung haben. Es geht um Selbstbestimmung und um Subversion in Bezug auf das, was eine Staatlichkeit vorgibt. Der Track
"In der Ferne Bildungsnähe" fordert ein alternatives Bildungssystem. Der beschreibt aus SchülerInnen- und LehrerInnensicht, was eigentlich alles wahnsinnig scheiße ist, mit diesen Zahlen von Eins bis Sechs, und formuliert in der dritten Strophe eine Utopie. Es geht überhaupt um Utopien. Ich glaube, dass Utopien eben nicht so weit weg sind, wie wir vermuten. Es gibt einen Satz auf der Platte, der heißt
"Meine Utopie ist gar nicht so weit weg, hab ich verstanden, denn sie wohnt sehr wohl in meinem Kopf, somit in meinem Handeln." Das heißt, das, was ich mir wünsche, kann ich ein bisschen in die Gegenwart holen, indem ich schrittweise weiter trage, was passiert. Am Schluss heißt es
"Um zu glauben, es wird nichts mehr, ist es viel zu spät." Ich kriege die Krise, wenn Leute sagen
"Man kann ja sowieso nichts ändern", wer es nicht versucht, hat schon verloren. Ich weiß ja nicht, was so du den ganzen Tag mit deiner Zeit machst, aber ich finde es einfach notwendig, anderes zu tun, als zu konsumieren und rum zu meckern. Meckern schafft auch unglaublich viel Unzufriedenheit. Ich finde es wichtig, Dinge zu skandalisieren und zu kritisieren, aber ich muss darauf gucken, aus welcher Position heraus machen Leute Dinge, die ich doof finde, welche Position habe ich, um daran eine Kritik zu üben und was machen wir jetzt damit? Ich wurde kürzlich gefragt
"Was ist deine weirdeste Eigenschaft?" Ich habe geantwortet:
"Optimismus". Nach meiner Pubertätsdepression hatte ich die Schnauze voll und habe beschlossen, ich bin jetzt wieder gespannt, auf das, was kommt. Ich meine, was soll ich sonst den ganzen Tag machen?
AVIVA-Berlin: Dankeschön und bis spätestens zum 8. März 2012 wieder live!
Mehr zu Sookee unter:www.sookee.dewww.springstoff.dewww.myspace.com/sookeeberlinwww.facebook.com/sookeeberlinWeiterlesen auf AVIVA-Berlin:Sookee - Bitches, Butches, Dykes and DivasSlutwalk