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Beitrag vom 29.12.2007
Interview mit Juliane Köhler
Anna Tremper
AVIVA-Berlin traf die erfolgreiche Schauspielerin Juliane Köhler und sprach mit ihr über ihren neuen Film "Mondkalb" und über ihr Leben als Film- und Theaterschauspielerin.
AVIVA-Berlin:: Im Film "Mondkalb" spielen Sie die Rolle der Alex. Eine sehr verschlossene Frau, die sich völlig in sich zurückgezogen hat und nur wenig spricht. Haben Sie sich in besonderer Weise auf diese Rolle vorbereitet?
Juliane Köhler: Ja, aber in der Methode nicht anders als sonst. Ich habe dazu ganz stark die Hilfe von Sylke benötigt, weil ich keine Ahnung hatte, was Alex für eine Figur ist. Ich kenne so jemanden nicht und bin auch nicht vertraut mit Menschen, die im Gefängnis waren. Dabei hat sie mir sehr geholfen, denn sie hatte eine ganz bestimmte Vorstellung von dieser Figur, weil sie die ja selbst erfunden hat. Ich musste Sylke immer angucken und habe die Figur in ihr "gelesen", denn sie hat sogar den Tonfall von Alex benutzt. Also diesen schroffen, dunklen Tonfall, dieses wahnsinnig verschlossene und dieses stolze dabei.
AVIVA-Berlin:: Was genau machte für Sie die Faszination von "Mondkalb" aus?
Juliane Köhler: Für mich als Schauspielerin die Figur der Alex. Weil das eine sehr komplizierte Figur ist, keine alltägliche Person. Ich spiele einfach tendenziell lieber komplizierte Charaktere, wo man sich "reinfressen" muss, und nicht gleich auf den ersten Blick sieht: "Aha, die ist so und so." Ich fand das unheimlich spannend, eine Frau zu spielen, die auch überhaupt nicht oder wenig spricht im Film. Das ganze dramatische Potential das darin steckt, interessiert mich persönlich.
AVIVA-Berlin:: Können Sie sich vorstellen, dass eine so stille Figur wie Alex auch auf der Theaterbühne gut rüberkommen würde oder glauben Sie, dass für solche Charaktere der Film tendenziell besser geeignet ist?
Juliane Köhler: Das geht schon, denn es gibt ja auch stumme Theaterrollen, auch wenn es wahnsinnig schwer ist. Beim Theater wahrscheinlich noch schwerer als beim Film, weil man die Kamera ja nicht so auf das Gesicht zoomen kann. Aber das drückt man dann wahrscheinlich mit Körpersprache aus. Es ist auf jeden Fall sehr schwierig, Rollen zu spielen, die keinen Text haben, weil man ihn ja trotzdem denkt.
AVIVA-Berlin:: Als Sie "Aimée & Jaguar" drehten, wurden Sie vom Bayerischen Staatsschauspiel entlassen, für das Sie bis dahin gearbeitet hatten. Kam danach für Sie die Entscheidung, den Fokus wieder eindeutig auf das Theater zu legen?
Juliane Köhler: Im Gegenteil, denn ich habe ja danach etwa zwei Jahre kaum Theater gespielt.
In der Zeit habe ich mich dafür eingesetzt, dass man insofern etwas verändern muss, damit wir Schauspieler Film und Theater vereinen können.
Ich wollte beides machen. Natürlich kann man nicht, wenn man am Theater ist, jeden Film, jeden Tatort oder jeder Serie zusagen, denn das wäre für ein Theater ein logistisches Problem. Aber wenn man schon ein halbes Jahr im Voraus weiß, was man dreht, kann sich ein Theater darauf einstellen. Ich will nicht sagen, dass ich der Vorreiter war, aber ich weiß, dass diese Diskussion durch ganz Deutschland ging und sich viele überregional eingemischt haben - Schauspieler und auch Intendanten.
AVIVA-Berlin:: Für viele Kolleginnen und Kollegen ist das Theater wegen des Glamours und der Aufmerksamkeit eine Motivation und stärkt das Selbstbewusstsein. Woher bekommen Sie das? Von der Kritik in den Feuilletons?
Juliane Köhler: Von der Kritik eher nicht, denn da werde ich ja auch oft verrissen, und sicher auch nicht von der Glamour-Presse Beispielsweise habe ich im Flugzeug ein Boulevardmagazin aufgeschlagen, das über die Bambi-Verleihung berichtete, zu der ich schon gar nicht mehr eingeladen werde, weil ich sowieso nicht hingehe. Aber was da fotografiert wurde - ich sage mit Absicht "was" – war unter aller Kanone. Zum Beispiel sind da Freundinnen von Sportlern abgebildet, die selbst weder Schauspieler noch Künstler sind. Solche Zeitschriften sind voll von diesen Menschen und dann steht dort, was die tragen oder mit wem die sich treffen. Ich finde es auch schlimm, dass Deutschland sich so auf diese Menschen fixiert. Deswegen mache ich Filme wie "Mondkalb".
AVIVA-Berlin:: Wenn man Sie erlebt und hört hat man den Eindruck, dass Sie eine Ruhe, eine Kraft und Selbstbewusstsein haben, die Sie aus sich selbst schöpfen. Es scheint so, als brauchen Sie die Anerkennung von Außen nicht.
Juliane Köhler: Das wirkt vielleicht so, weil ich wirklich nicht den Ehrgeiz habe, in der Presse berühmt zu sein, aber ich bin schon ehrgeizig. Sonst hätte ich es ja nicht bis dahin geschafft, wo ich jetzt bin. Ich habe sehr gekämpft, denn ich wurde damals an keiner Schauspielschule angenommen. Die haben mich immer abgelehnt und rieten mir, einen anderen Beruf auszuüben. Ich war viel zu schüchtern und habe mir nichts zugetraut. Trotzdem wollte ich das unbedingt und habe es nach und nach auch hingekriegt.
Ich bin dann gleich nach New York gegangen, als ich die ganze Schauspielschulrunde gemacht hatte. Dort nahm ich bei einer ganz tollen Schauspiellehrerin, Uta Hagen, Unterricht, und ich war ganz alleine in New York. Nur mit einem Koffer und sonst nichts. Das hat mich total stark gemacht, auch die Art der Schule, und ich bin im Nachhinein heilfroh, dass ich dort war. Man musste sich, selbst um der Lehrerin etwas vorspielen zu dürfen, in einer langen Schlange anstellen, auch wenn man sich vorher in einer Liste eingetragen hatte. Einmal stand ich bei zwanzig Grad minus zwei Stunden lang in der Schlange!
AVIVA-Berlin:: Also war es Ihnen ein Bedürfnis, Ihre Schüchternheit zu überwinden?
Juliane Köhler: Ja, aber ich habe dort auch gelernt, dass man sich über sein Können durchsetzt. Ich habe gelernt, dass ich mich über mein Handwerk und nicht über irgendein Aussehen oder einen Glamour oder Ähnliches beweisen konnte. Das war das, was Uta Hagen uns klargemacht hat: Man sollte sich nicht um äußere Dinge bemühen, weil die schnell vorbei gehen, sondern wir sollten wirklich etwas lernen, weil man dann eigentlich überall landen kann. Das habe ich wohl von ihr, und daher kommt vielleicht mein Ehrgeiz, auch ohne diese Zeitschriften gute Filme zu machen.
AVIVA-Berlin:: Ich könnte mir vorstellen, dass nach dem Oskar von "Nirgendwo in Afrika" die richtig großen Rollen bei Ihnen auf dem Tisch gelandet sind. Wie vorsichtig sind Sie damit umgegangen, um nicht von dieser Filmmaschinerie aufgefressen zu werden?
Juliane Köhler: Ich war sehr vorsichtig und mache ja eigentlich wenig Filme. Die richtig tollen großen Rollen sind für mich Romanverfilmungen, aber davon kamen nicht so viele. Es gab dafür andere Sachen, von denen ich aber nicht alles gemacht habe. Ich spiele zur Zeit fest am Residenz Theater in München, und das tue ich wahnsinnig gerne. Deswegen muss ich glücklicherweise nicht jeden Film zusagen. Als "Mondkalb" kam, war es mir völlig egal, was ich da verdienen würde.
AVIVA-Berlin:: Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg für Ihren Film.
Lesen Sie auch unsere Filmrezension zu "Mondkalb" von Sylke Enders und unser Interview mit der Regisseurin Sylke Enders.