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Beitrag vom 14.02.2008
Interview mit Shannon Sullivan und Joey Juschka
Adler und Denkert
Die Gründerinnen des Performance Lab Berlin, die im März 2008 den SWAN Day Berlin veranstalten, über die Verbindung von Kunst und Konzeption und die Akzeptanz und Förderung von Frauen in der Kunst.
"SWAN", in Englisch, steht für Support Women Artists Now - auf Deutsch: Unterstützt Weibliche Künstler Jetzt. Dieser Tag wurde vom US-amerikanischen "Fund for Women Artists" und von "WITASWAN" initiiert und findet im März 2008 weltweit erstmalig statt. "Performance Lab Berlin" wird in Zusammenarbeit mit dem "Fund for Women Artists" den SWAN Day Berlin 2008 veranstalten.
Die Initiative Performance Lab Berlin wurde 2006 von der in Berlin lebenden irischamerikanischen Choreographin/ Regisseurin Shannon Sullivan und Schriftstellerin/Performerin Joey Juschka gegründet. Performance Lab Berlin ist ein neues Forum der Künste und ein innovatives Konzept des Tanz-/ Theatermachens, das Wert auf die Weiterbildung der teilnehmenden KünstlerInnen legt und die Grenzen zwischen den Kunstsparten schmelzen lässt.
AVIVA-Berlin: Am 29. März 2008 findet zum ersten Mal der internationale SWAN Day statt. Ihr habt mit Performance Lab Berlin die Durchführung für den deutschen SWAN Day in Berlin übernommen und sogar SWAN Days daraus gemacht (27. – 30. März 2008). Was ist das Ziel des SWAN Day und was können die Teilnehmerinnen für sich gewinnen?
Shannon Sullivan & Joey Juschka:
Die Teilnehmerinnen können sehr viel für sich gewinnen: die Möglichkeit, ihre Arbeit vor einem zahlreichen Publikum zu präsentieren, die Aufmerksamkeit der Presse, praktisches Wissen, das ihnen beruflich weiterhilft, sowie Kontakt und Austausch mit anderen Künstlerinnen von vielen unterschiedlichen Kulturen. Auch Künstlerinnen, die nicht auftreten, haben die Möglichkeit, an den Workshops teilzunehmen, wunderbare Kunst mitzuerleben und in Diskussion und Kontakt mit anderen Künstlerinnen und Kunstbegeisterten zu kommen.
AVIVA-Berlin: Im Rahmen des SWAN Days wird es Workshops geben, die Mittel und Wege vorstellen, durch die Frauen ihre künstlerischen Projekte finanzieren und verwirklichen können. Könnt Ihr uns hier bitte Beispiele für die Umsetzung von erfolgreichem Kulturmarketing und –sponsoring nennen?
Shannon Sullivan & Joey Juschka:
Radialsystem V scheint sehr effektives Kulturmarketing und Sponsoring zu treiben. Sie haben es geschafft, ein "state of the art" Gebäude zur Nutzung zu erhalten. Sie präsentieren dort gezielt neue Kunstformen und Programme, die ein jüngeres Publikum ansprechen. Zudem haben sie sich unseres Wissens hauptsächlich durch Privatsponsoren finanziert.
AVIVA-Berlin: War und ist es für euch als Organisatorinen des SWAN Day schwer, SponsorInnen zu finden? Berlin ist ja bekanntermaßen "arm, aber sexy" (wie Klaus Wowereit sagte)....
Shannon Sullivan & Joey Juschka:
Wir finden es wichtig, weiter als die hochgefragten, aber unterfinanzierten, öffentlichen Töpfe zu gucken. Wir als Organisation sind sehr jung – wir haben das Performance Lab Berlin Ende 2006 gegründet – und wir fangen erst jetzt an, uns intensiv mit diesem Prozess auseinanderzusetzen. Bis jetzt haben wir eine sehr positive Resonanz auf SWAN Day Berlin genossen. Viele erkennen, dass SWAN Day Berlin etwas Besonderes und durchaus Notwendiges ist. Sie sind auch von der globalen Natur des SWAN Day begeistert.
AVIVA-Berlin: Wie seit ihr in Kontakt mit Fund for Women Artists, den Initiatorinnen des internationalen SWAN Day gekommen?
Shannon Sullivan & Joey Juschka:
Das Lustige ist, wir hatten schon die Idee, ein Showcase von Kurzstücken weiblicher Künstler zu veranstalten. Wir haben dafür Statistiken über Frauen in den Künsten gesucht und sind auf der Fund for Women Artists Webseite gelandet. Wir haben uns in ihren Newsletter eingetragen und eine Profilseite für Performance Lab Berlin kreiert. Als der Fund for Women Artists und WITASWAN den internationalen SWAN Day einberiefen, haben sie Künstlerinnen gesucht, die etwas veranstalten wollten. Wir haben sie sofort mit unserem Vorschlag für SWAN Day Berlin kontaktiert.
AVIVA-Berlin: Shannon, du bist gebürtige Amerikanerin, hast Deine Schauspielausbildung an der American Musical and Dramatic Academy absolviert und nach deiner Ausbildung als Tänzerin, Schauspielerin und Choreographin freiberuflich in New York gearbeitet und schon diverse Tanz- und Theater-Projekte auf die Bühne gebracht. Inwiefern unterscheidet sich die Performance Art-Szene in New York von der in Berlin? Zum einen künstlerisch, und zum anderen, was die Finanzierung angeht?
Shannon Sullivan:
Ich sehe eine sehr enge Verbindung zwischen dem, was in New York finanziell vorgeht und dem, was in New York künstlerisch vorgeht. Die Wohn- und Produktionskosten in New York sind extrem. Die Mieten – auch für Proberäume – sind unglaublich hoch, und es gibt wahnsinnig viel Konkurrenz. Das führt dazu, dass es als eine junge Person mit neuen Ideen sehr schwierig ist, Fuß zu fassen. Ich finde was heutzutage in New York produziert wird einerseits raffinierter, aber im Durchschnitt konservativer, als das, was man in Berlin sieht. Die Tänzer und Schauspieler in New York haben ein wunderschönes Feuer und Technik, aber in Berlin gibt es viel mehr Raum für Experimentation.
AVIVA-Berlin: Shannon, als Tänzerin erhieltst Du u. a. Förderungen von der Joffrey Ballet School und Steps on Broadway. Inwiefern unterscheidet sich die Kunst- und besonders die Performance Art-Szene in Berlin und New York hinsichtlich der Akzeptanz und Förderung von Frauen in der Kunst?
Shannon Sullivan:
Die Fördersituation in Berlin ist nicht ideal, aber die Fördersituation in den USA ist noch schwieriger. In den USA gibt es fast gar keine öffentlichen Gelder für die darstellenden Künste. Martha Richards hat den Fund for Women Artists gegründet, da sie erkannt hat, dass es keine öffentliche Förderungsprogramme gab, die speziell für weibliche Künstler waren. In Berlin und Europa gibt es schon Förderungen, die speziell dafür vorgesehen sind.
AVIVA-Berlin: Und welche Gemeinsamkeiten gibt es Deiner Meinung nach?
Shannon Sullivan:
In den darstellenden Künsten sowohl in den USA als auch in Europa gibt es eine sehr seltsame Situation: es gibt weitaus mehr weibliche Tänzer und Schauspieler, aber viel mehr Männer in den Führungspositionen, z.B. als Intendant, Choreograf, Regisseur. Wie eine Bewerberin für SWAN Day geschrieben hat: "Im Tanz gibt es 80% Frauen und 20% Männer. Aber die Männer erhalten 80% des Geldes und die Frauen 20%. Etwas funktioniert da nicht." Dieses Phänomen gibt es auf beiden Kontinenten, nur vom Grad unterscheidet es sich ein bisschen.
AVIVA-Berlin: Beim SWAN Day definiert ihr "Frau" sowohl als "weiblich geborene Personen" als auch "Transgenderpersonen, die sich als Frau identifizieren und leben". Das ist großartig, doch auch heutzutage existiert noch immer keine gängige Definition von "Frau" – könnte es das Publikum, die SponsorInnen und die teilnehmenden Künstlerinnen irritieren oder sogar schockieren?
Shannon Sullivan & Joey Juschka:
Wir werden sehen, was dabei rauskommt. Es wäre nicht schlecht, wenn es zum Nachdenken anregt. Es war uns wichtig, klarzustellen, dass wir Menschen, die sich etwas anders als gängig definieren, explizit willkommen heißen.
AVIVA-Berlin: Joey, Du arbeitest als freischaffende Schriftstellerin und Performerin sowie als Dozentin für kreatives Schreiben. Der Name Joey Juschka ist offensichtlich ein Künstlername. Soweit ich weiß, ist Joey zwar in Amerika eher ein Männername, aber auch Spitzname von Frauen, die z.B. Josephine heißen. Wie bist du auf deinen Künstlernamen gekommen, was bedeutet er für dich?
Joey Juschka:
"Joey" kam zuerst. "Joey" kommt aus Bangkok, wo ich vor ca. 6 Jahren eine Weile gelebt habe. Niemand dort konnte meinen bürgerlichen Namen korrekt aussprechen – das war ein Faktor. Der weitaus wichtigere Faktor war eben die geschlechtliche Uneindeutigkeit des Namens. In Bangkok hatte ich zum ersten Mal Menschen getroffen, die mich neugierig fragten und mit mir zusammen überlegten, was für ein Geschlecht ich wohl haben könnte statt einfach über meinen Kopf hinwegzubestimmen. "Joey" ist somit auch ein Andenken daran. "Juschka" hat keinen solchen Hintergrund, es ist der Mädchenname meiner Mutter und gefällt mir aus verschiedenen Gründen besser als der Name meines Vaters.
AVIVA-Berlin: Als Mitgründerin des Performance Lab Berlin arbeitest Du aktiv an der Konzeption und Durchführung neuer Projekte und trittst auch als Darstellerin des Performance Lab Berlin auf. Was fasziniert dich besonders an der Verbindung von Kunst und Konzeption?
Joey Juschka:
Im Moment finde ich es spannend, Konzepte zu erarbeiten, die dazu führen, dass die Kunst, um die es ja geht, auch umgesetzt werden kann. Oft habe ich – und ich bin mir sicher: nicht nur ich! – wirklich tolle Ideen, aber kein Geld, keine Zeit, kein... Oft sind es solche Ideen, die es verdienen, über das erste schwärmerische Gespräch hinaus Bestand zu haben. Und wie das zu schaffen ist, sowohl mit größeren Projekten wie dem SWAN Day als auch mit kleineren, wie dem Schreiben einer Kurzgeschichte, finde ich äußerst lehrreich.
AVIVA-Berlin: Mit Performance Lab Berlin habt ihr gemeinsam den mutigen Schritt in die Selbständigkeit gewagt. Ihr bietet zum einen Workshops an und zum anderen führt ihr Performances von und mit Profis durch. Doch egal, ob Laie oder Profi, beide müssen durch den "Labor-Prozess". Könnt Ihr kurz erläutern, was das ist?
Shannon Sullivan & Joey Juschka:
"Der Labor-Prozess" heißt, dass wir den PerformerInnen konkrete Aufgaben und Reize für Erforschung bieten. Genau wie in der Wissenschaft gibt es Grundprinzipien, aber viel Raum für Experimentation. Wenn ich ein Stück für die Bühne kreiere, ist es selten, dass ich eine genaue Choreografie vorgebe. Ich biete Themen, Aufgaben und Strukturen an, dann gestalte und arbeite ich mit dem Material, das von den PerformerInnen zurückkommt. Es ist ein Dialog. Es geht um Präzision, aber auch um Offenheit.
AVIVA-Berlin: Wie schätzt ihr die Chancen von Frauen ein, sich in der Kreativwirtschaft zu behaupten? Immerhin wird im Kulturbetrieb als erstes gespart und die wenigsten KünstlerInnen können von ihrer Kunst leben...
Shannon Sullivan & Joey Juschka:
Sich als Künstlerin wirtschaftlich zu behaupten ist schwierig, keine Frage. Das Problem hat viele Schichten, und so muss auch unsere Taktik sein. Es geht nicht darum, die Hindernisse zu ignorieren, sondern sie klar und objektiv zu sehen und dann Strategien zu schaffen.
AVIVA-Berlin: Wenn ihr euch für den Swan Day 2008 etwas wünschen dürftet – was wäre das? Welche Projekte plant ihr für die Zukunft?
Shannon Sullivan & Joey Juschka:
Wir wünschen uns atemraubende Kunst, tolle Kontakte, begeistertes Publikum, fruchtbare Diskussionen und großzügige Sponsoren. Das nächste Projekt nach SWAN Day Berlin ist Broken: Parts I und II. Broken ist ein interdisziplinäres Performanceprojekt, das untersucht, wie körperliche Hindernisse in Reize für Kreativität verwandelt werden können. Und danach? SWAN Day Berlin 2009!
AVIVA-Berlin: Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg für euch!
Weitere Infos finden Sie unter:
www.performancelabberlin.com/swanday.html
www.womenarts.org/swan/
www.films42.com/witaswan.asp