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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 17.09.2012


Happy Birthday, Mädchenmannschaft - Interview zum 5. Geburtstag
Britta Meyer

Das Team des bekanntesten feministischen Blogs in Deutschland sorgt schon seit einem halben Jahrzehnt dafür, dass emanzipatorische Themen im Netz die Aufmerksamkeit erhalten, die sie verdienen.




Die Mädchenmannschaft feierte am Samstag, den 22. September 2012 von 12 bis 22 Uhr mit Workshops, Lesungen, Live-Musik und Podiumsdiskussionen den 5. Geburtstag in der Werkstatt der Kulturen.



Zeit für ein Jubiläumsinterview mit der Mädchenmannschaftsbloggerin Nadine Lantzsch.

AVIVA-Berlin: Was war die Grundidee, die der Mädchenmannschaft-Gründung vorausging und was hat den konkreten Anstoß gegeben?
Nadine Lantzsch: Die Gründerinnen der Mädchenmannschaft waren die Autorinnen des 2007 erschienenen Buches "Wir Alphamädchen - Warum Feminismus das Leben schöner macht", Meredith Haaf, Susanne Klingner und Barbara Streidl. Die Diskussionen aus dem Buch sollten online weiter geführt werden. Außerdem wollten sie bloggende Frauen und FeministInnen sichtbar machen und vernetzen. Im Oktober 2007 ging dann maedchenmannschaft.net online. Heute ist von den Gründerinnen nur noch eine dabei und unser Themenspektrum hat sich mit jedeRM hinzugekommenen RedakteurIn vergrößert.



AVIVA-Berlin: Welche grundlegenden Tipps könnt Ihr Frauen geben, die ihr eigenes politisches Blog, beziehungsweise ihre eigene Seite gestalten wollen?
Nadine Lantzsch: Menschen, die sich feministisch verorten und ein eigenes Blog starten wollen, haben die Möglichkeit sich auf kostenlosen Blogging-Plattformen wie blogsport.de, tumblr.com und wordpress.com anzumelden und können eigentlich sofort loslegen mit der Schreibarbeit. Die Bedienoberflächen dieser Plattformen sind selbsterklärend und setzen (fast) keine Vorkenntnisse voraus. Die Einstiegshürden sind relativ gering auch für Menschen, die sich Bloggen oder politisches Schreiben im Netz bisher aus technischen Gründen nicht zugetraut haben. Wenn wir Workshops zu dem Thema geben, bekommen wir oft zwei Fragen gestellt: Liest das überhaupt wer? Mit welcher Art von Kommentaren muss ich rechnen? Für die erste Frage kann ich jeden Zweifel ausräumen: Die feministische Blogosphäre ist mittlerweile so gut vernetzt, dass neue Blogs schnell gefunden und weiterempfohlen werden. Ich gebe häufig den Tipp, BetreiberInnen feministischer Blogs per Mail oder in den Kommentaren dort zu kontaktieren und einfach "Hallo!" zu sagen oder sich an Diskussionen zu beteiligen. Auch der Kurznachrichtendienst Twitter und eine Seite auf Facebook eignen sich gut, die eigenen Beiträge einer größeren LeserInnenschaft anzubieten oder Inspiration für die nächsten Texte zu finden. Was die Kommentare angeht, fällt mein Urteil allerdings nicht so positiv aus: Feministische Blogs sind häufig Zielscheibe von Männerrechtlern, sogenannten Maskulisten, sexistischen beziehungsweise antifeministischen KommentatorInnen oder Menschen, die grundsätzlich ein Problem damit haben, wenn die Funktionsweisen einer Gesellschaft kritisch beleuchtet und emanzipatorische Politiken diskutiert werden. Hier sollte sich jedeR FeministIn auf entsprechende Worte und erhöhte Moderationsarbeit einstellen, zuweilen sind diese Leute sehr hartnäckig und kommentieren immer wieder, auch wenn sie zuvor mehrmals gelöscht wurden. Ein feministischer Blog soll zum Austausch und zur Vernetzung anregen und keine kostenlose Bildungsplattform für jene sein, die sowieso nicht an einer fruchtbaren (feministischen) Diskussion interessiert sind.

AVIVA-Berlin: Was sind für Euch persönlich die größten Herausforderungen in der Arbeit an der Mädchenmannschaft?
Nadine Lantzsch: Ich kann nicht für alle Redaktionsmitglieder sprechen, deshalb antworte ich aus meiner Perspektive: Meine größte Herausforderung und zugleich Verantwortung ist es, ständig aufmerksam zu sein, für das, was um mich herum passiert. Das Internet ist so schnelllebig und oft gehen mir Diskussionen durch die Lappen, von denen ich hätte viel lernen können. Das hat weniger mit zeitlichen Ressourcen zu tun, denn mit meiner gesellschaftlichen Positioniertheit. Was mich persönlich nicht betrifft, liegt halt nicht so sehr in meinem Fokus. Ich achte viel darauf, dass ich über den eigenen Tellerrand schaue und mir Wissen aneigne zu Machtverhältnissen, die meine soziale Position als Normalität hervorbringen, während andere gewaltvoll unterdrückt werden. Ich möchte keine Feministin sein, die Patriarchat und Sexismus von anderen Herrschafts- und Unterdrückungsformen trennt und dabei denkt, sie meine doch alle mit ihrer Politik. Die Differenzen, Spaltungen und innerfeministischen Kämpfe der Vergangenheit haben gezeigt, das dem schlicht nicht so ist. Solange ich in der privilegierten Position bin, auf dieses Wissen zurückgreifen zu können, mache ich davon Gebrauch und möchte das gern an andere weitervermitteln, die dazu nicht die Ressourcen beisitzen und in einen konstruktiven Austausch und Streit mit anderen FeministInnen treten. Die Kunst besteht darin, wie dieses Wissen vermittelt wird und welche Bedingungen geschaffen werden müssen, damit sich möglichst wenige FeministInnen ausgeschlossen fühlen.

Für mich ist klar, dass beispielsweise Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein feministisches Feld ist, dessen Bearbeitung ausreichend Sensibilität gegenüber Menschen benötigt, denen so etwas wie ein Familienleben verwehrt wird, oder für die Erwerbsarbeit mit Diskriminierung und Zugangsbarrieren verbunden ist. Nicht alle bekommen das Privileg zugesprochen, sich über ihre eigenen Vereinbarkeitsprobleme Gedanken machen zu können. Ich finde es daher für feministische Wissensproduktion ungeheuer wichtig, die Position, aus der ich spreche und die gesellschaftlich hervorgebracht ist, deutlich zu machen und in einen Kontext zu setzen, der von verschiedensten Machtverhältnissen durchzogen ist. Dadurch bin ich in der Lage eigene Perspektiven immer wieder kritisch zu beleuchten und meine Arbeit anschlussfähig für verschiedene Menschen zu halten, die an einem Austausch und nicht an einer universal behaupteten Wahrheit interessiert sind, die an ihrer Lebensrealität vorbeigeht.

AVIVA-Berlin: Ihr seid auch an der Gestaltung des 3. BarCamps Frauen maßgeblich beteiligt. Auf welchen der Programmpunkte legt Ihr dort ganz besonderen Wert?
Nadine Lantzsch: Das BarCamp Frauen wird erst am Tag, an dem es stattfindet, von allen BesucherInnen mit Inhalt gefüllt werden, denn so ist ein BarCamp in der Regel angelegt. Wir wissen daher nicht, welche Punkte am 6. Oktober vorgestellt und diskutiert werden. In den vergangenen zwei Jahren war das Themenspektrum sehr vielfältig, es gab Workshops zu den Unterschieden zwischen muslimischem und islamischem Feminismus, zu feministischen Pornos, zu Sexarbeit und Sexismus in Alltagssituationen. Wir freuen uns daher auf ein spannendes und inspirierendes Programm 2012.



AVIVA-Berlin: Am 22. September 2012 feiert Ihr das Jubiläum der Mädchenmannschaft in Berlin. Was erwartet die BesucherInnen auf der Feier?
Nadine Lantzsch: Das Programm unserer Jubiläumsfeier orientiert sich in weiten Teilen an unserer Arbeit, die wir auch mit dem Blog und den dahinterstehenden Verein Mädchenmannschaft e.V. verfolgen: Brücken schlagen zwischen Aktivismus und Wissensproduktion im Netz und offline. Wir bringen an diesem Tag verschiedene queer_feministische und frauenpolitische Initiativen zusammen, die ihre Arbeit vorstellen werden, diskutieren mit VertreterInnen von herrschaftskritischen Projekten, die aus dem Netz hervorgegangen sind, über ihre bisherigen Erfahrungen. Außerdem wird es Bastelworkshops und Lesungen von AktivistInnen, von denen viele im Netz unterwegs sind, geben. Ein feministisches musikalisches Rahmenprogramm rundet unsere Jubiläumsfeier ab.



AVIVA-Berlin: Was sind für die Zukunft der Mädchenmannschaft Eure wichtigsten Ziele und größten Wünsche?
Nadine Lantzsch: Ich hoffe, dass sich noch mehr Menschen von unseren Perspektiven und Themensetzungen eingeladen fühlen, unsere LeserInnenschaft weiterhin aufmerksam und kritisch bleibt. Viele bedanken sich ab und an bei uns für unsere Arbeit oder weisen uns auf Dinge hin, die wir nicht auf dem Schirm haben. Das freut uns sehr, da wir das alles ehrenamtlich betreiben und jede Form von Feedback hilfreich und ermutigend ist. Geplant für das nächste Jahr sind ein Relaunch unserer Seite, die übersichtlicher werden soll sowie eine queer_feministische Terminseite für den deutschsprachigen Raum, auf der alle Termine ihrer Gegend eintragen können. So wollen wir die Vernetzung von FeministInnen weiter voranbringen.



Weitere Informationen unter:

Mädchenmannschaft.net

5 Jahre Mädchenmannschaft

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(Copyright Fotos: Sharon Adler)
















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Beitrag vom 17.09.2012

Britta Meyer