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Beitrag vom 17.02.2014
Interview mit Gerburg Jahnke und Beatrice Reece. 49 ½ Shades - Die Musical Parodie
Britta Meyer
Die Bestseller-Reihe "50 Shades of Grey" wird zwar von KritikerInnen gründlich verrissen, ist jedoch dennoch ein Welterfolg. Vom 10. bis zum 28. September 2014 wird die nicht ganz ernst gemeinte...
... Interpretation "49 ½ Shades! Die Musical Parodie" die BesucherInnen des Admiralspalasts in Berlin zum Lachen bringen.
Regisseurin Gerburg Jahnke und die Hauptdarstellerin Beatrice Reece haben sich eben dort mit AVIVA-Berlin getroffen, um mit uns über ihr Projekt zu sprechen.
AVIVA-Berlin: 2014 startet Ihre Inszenierung des parodistisches Musicals "49 ½ Shades! Die Musical Parodie", im September wird es auch im Admiralspalast in Berlin anlaufen.
Haben Sie beide die drei "50 Shades"-Bücher von E.L. James gelesen?
Gerburg Jahnke: Ich habe das erste gelesen.
Beatrice Reece: Ich habe tatsächlich alle drei gelesen.
AVIVA-Berlin: Und, wie ist Ihre persönliche Einschätzung?
Gerburg Jahnke: Ich habe es gelesen und fand es schrecklich. Ich fand es schlecht geschrieben, aber als die Anfrage kam, die Parodie der Geschichte zu inszenieren, habe ich es mir noch einmal vorgenommen. Ich musste wissen: Warum wollen alle Frauen das gelesen? Ich ging da mit einer professionellen Haltung ran und versuchte, die Faszination zu verstehen, die mit dem Stoff zusammenhängt. Inzwischen habe ich es sehr oft gelesen. Ich habe sogar post-its an die Seiten gemacht, die sind beschriftet: "Erster Verkehr", "Zweiter Verkehr", "Dritter Verkehr", "Vierter Verkehr", "Mit Versohlen", "Ohne Versohlen", ich habe das ganz systematisch durchgearbeitet. (lacht)
AVIVA-Berlin: Es ist ja eine Satire auf die Romanvorlage, welche Aspekte haben Sie denn dabei besonders aufs Korn genommen?
Gerburg Jahnke: Wir haben nicht einfach das Originalbuch als Vorlage genommen, es gibt eine amerikanische Theatertruppe, die diese Parodie gemacht hat und unser Produzent hat sich die Rechte daran gesichert. Allerdings musste das Stück übersetzt und auf deutsche Verhältnisse umgeschrieben werden. Das ist sehr viel Arbeit, denn wenn Amerikaner mal unanständig werden, dann sind sie extrem unanständig, darüber amüsieren sie sich. Da sind wir Deutschen - glaube ich – anders. Deutsche Frauen, die in solch einer Musical-Comedy sitzen, wollen es nicht so dick aufgetragen. Da geht es eher um Andeutungen und darum, wie man unanständige Sachen so darstellt, dass sie nicht peinlich sind oder unangenehm berühren. Wie hält man die ganze Zeit eine leichte, witzige, ironische Stimmung aufrecht? Das war die eigentliche Hauptaufgabe dabei. Es interessiert mich nicht, harten Sex auf der Bühne zu sehen, dann würde ich nach Hamburg auf die Reeperbahn gehen, wir machen eine Komödie! Sie ist eine Mischung geworden, aus der amerikanischen Vorlage und unserer eigenen Geschichte.
AVIVA-Berlin: Also war es mehr eine Umarbeitung der Stückvorlage auf den Geschmack eines deutschen Publikums?
Gerburg Jahnke: Ja, auf jeden Fall. Ich habe mich jetzt so viele Jahre auf Bühnen auch mit Unanständigkeiten beschäftigt, dass ich glaube, das Genusslevel der deutschen Frauen in Komödien ganz gut einschätzen zu können – ich hoffe es zumindest.
AVIVA-Berlin: Die Bücher werden gerne als eine Ermutigung an Frauen vermarktet, zu ihren sexuellen Phantasien zu stehen und diese auch zu leben. Kritiken bemängeln aber sehr stark die Bilder von Geschlecht, Sexualität, von Partnerschaft und Einvernehmlichkeit, die dort vermittelt werden.
Positionieren Sie sich in dem Stück zu dieser Debatte?
Gerburg Jahnke: Obwohl ich mich selbst als Feministin bezeichnen würde, habe ich kein feministisches Problem mit diesem Buch. Unsere Ana ist eine junge Frau auf der Suche nach der großen Liebe und auf der Suche nach dem Mann, mit dem sie zusammen sein möchte. Zwischen ihr und Christian geht es um Liebe und um seinen Antrag, dass sie seinen Beziehungsvertrag unterschreibt, um seine Form von Sexualität zu feiern – wobei es ihr freigestellt ist, wie weit sie gehen will. In dem Buch ist interessant, dass diese junge Frau durchaus spürt, dass etwas mit ihr passiert, das mit sexueller Freiheit zu tun hat. Ich glaube, dass es das ist, was viele Frauen dazu veranlasst, diese Bücher zu verschlingen, das Gefühl, dass du mit jemandem zusammen sein könntest, der deine kühnsten Träume mitmacht und dem du auch die Führung überlassen und die Kontrolle abgeben kannst. Das ist ein ganz wichtiger Moment. Das wurde bisher immer nur bei Männern thematisiert, Beispielsweise dem Manager, der zur Domina geht und ihr die Stiefel sauberleckt, das Klischee kennen wir. Aber umgekehrt, die Frau, die tough ist, aber auch etwas abgeben will. Das ist eine Frage, die im Stück auch gestellt wird. Hier wird auf Satireebene auch ein wenig ins Publikum hinein gearbeitet. Ich denke, die Feminismusdebatte um diesen Stoff ist völlig aufgesetzt. Es gibt jetzt übrigens eine sehr interessante, feministisch-soziologische Betrachtung des Stoffes als Doktorarbeit, die den Feminismusgedanken sogar umdreht, und ihn so deutet, dass die Entscheidung, die eigenen Bedürfnisse zuzulassen, durchaus eine Freiheitsentscheidung sein kann. Aber das sind alles Ebenen, die so ernsthaft im Stück gar nicht thematisiert werden.
AVIVA-Berlin: In Ihrem Stück haben drei Frauen einen Buchklub und "50 Shades of Grey" ist ihr aktuelles Leseprojekt.
Gerburg Jahnke: Ja, das macht es einfach, denn die drei Buchclubdamen sind unser Publikum. Sie sind genauso wie wir: Sie kennen den Roman noch nicht und fragen "Was ist das denn?". Sie führen uns an das Buch heran. Sobald sie beginnen, es zu lesen, kommt Leben ins Buch, dann sehen wir diese Figuren auf der Bühne agieren und wir kehren immer wieder zurück zu den Buchklubdamen, weil sich auch in deren Leben etwas verändert. Je mehr sie lesen, desto mehr rührt es an ihre eigene, vergessene oder nach langen Ehejahren unspannend gewordene Sexualität.
AVIVA-Berlin: Sie sagen, diese drei Frauen sind Ihr Publikum, was sind denn das für Charaktere?
Gerburg Jahnke: Da ist die ältere Hausfrau, dann die mittelalte, die sich vor zehn Jahren aus Langeweile hat scheiden lassen und die sexuell eigentlich ganz gut unterwegs ist, und eine jüngere, die gerade verlassen worden ist und meint, ihr Leben sei jetzt vorbei. Durchschnittstypen wie du und ich.
AVIVA-Berlin: Sie bringen Ihr Publikum ja bereits seit Jahrzehnten erfolgreich zum Lachen. Was hat Sie denn jetzt zu diesem Stoff gebracht?
Gerburg Jahnke: Ich bin gar nicht auf die Idee gekommen, sondern gefragt worden. Die Frage war, wer kann ein Stück, das eine Komödie, aber auch ein Musical ist und ein Frauenthema behandelt, inszenieren? Da bin ich ihnen dann eingefallen. Mein erster Impuls war "Nein! 50 Shades? Never!" Dann habe ich mir das amerikanische Original angesehen und fand das eine spannende Frage, ob das als Musical-Parodie funktioniert.
AVIVA-Berlin: Beatrice Reece, Sie spielen die Rolle der Ana Steele. In der Romanvorlage ist sie eine unschuldige, naive und selbstverständlich noch jungfräuliche Frau Anfang Zwanzig.
Wie unterscheidet sich Ihr Charakter davon und wie haben Sie sich darauf vorbereitet?
Gerburg Jahnke: Da ist gar kein so großer Unterschied, aber die Ana aus dem Buch und der gerade entstehenden Verfilmung ist eine sehr zierliche, schlanke Person. Unsere Ana ist das Gegenteil, und die erste Regieanweisung war: Essen, essen, essen, und bloß nicht dünner werden! Wir wollen eine Ana, die diesen Christian mit ihrer körperlichen Präsenz erschlägt! Dann verschiebt sich, was sehr spannend ist, die Dominanz.
Gleichzeitig muss unsere Ana aber trotzdem ein sehr ernsthaftes Mädchen sein, die wirklich an die große Liebe glaubt, mit aller Sehnsucht und Melancholie. Beatrice ist eine Traumbesetzung, weil sie auch noch herzzerreißend schön singt, was für Ana sehr wichtig ist.
Beatrice Reece: Es ist einfacher, wenn jemand anderes das beschreibt. Das Äußerliche ist erst einmal überraschend, weil sie in diesem Buch als eine Märchenfigur gezeichnet wird. Das ist ein Märchen vom Prinzen, der dich abholt, bloß setzt er dich nicht auf ein Pferd, sondern gibt dir einen Audi. Damit werden wir groß, das sind die Märchen, die uns vorgelesen werden oder die uns das Fernsehen mitgibt. Es gibt aber auch das reale Leben.
Gerburg Jahnke: Und der Unterschied ist, dass der Prinz jetzt auch noch gut im Bett ist.
Beatrice Reece: Genau! Was ja nicht immer sicher ist!
Gerburg Jahnke: Das wurde aber bei Aschenputtel, Schneewittchen und den anderen Prinzessinnen nie erwähnt.
AVIVA-Berlin: Bei all dieser vorgeblichen Verruchtheit verkauft das Produkt "50 Shades of Grey" ja eigentlich das Märchen vom unschuldigen Mädchen, das einen traumatisierten Mann durch die wahre Liebe therapiert.
Gerburg Jahnke: Ich denke, sie kommen zu einer Win-win-Situation. Er findet irgendwann den Vanilla-Sex gut und sie lässt sich ab und zu verhauen. Schmerzen und Erotik gehören zusammen, jede Frau weiß, dass man sich nicht stundenlang am dicken Zeh lutschen lassen kann, das ist langweilig. Das ist ein interessantes Thema und da muss jede für sich ans Eingemachte.
AVIVA-Berlin: Abgesehen von herzhaftem Lachen, welche Botschaft wollen Sie denn Ihrem Publikum unter dem Strich mitgeben?
Gerburg Jahnke: Es erfordert Mut, seine Wünsche zu zeigen und seinen sexuellen Träumereien nachzugehen, zu leben, was man sich wünscht und es nicht nur einen Traum bleiben zu lassen. Ein bisschen mehr Experimentierfreude, das wäre schön, und wenn mehr Leben in die Betten kommt.
AVIVA-Berlin: Dankeschön!
Beatrice Reece: Gerne!
Gerburg Jahnke: Danke sehr!
"49 ½ Shades! Die Musical Parodie" wird vom 10. bis zum 28. September 2014 im
Admiralspalast
Friedrichstraße 101
10117 Berlin
zu sehen sein.
Infos und Karten (ab 18,90 Euro) unter: www.admiralspalast.de.
Gerburg Jahnke, geboren 1955 in Oberhausen-Osterfeld, nach einem Studium der Kunst und Germanistik 1985 gemeinsam mit Stephanie Überall das beliebte Kabarettduo Missfits, welches 20 Jahre lang im Fernsehen und auf Theaterbühnen zu sehen war und unter anderem den Deutschen Kleinkunstpreis erhielt. Sie ist weiterhin im Kabarett aktiv, moderiert die WDR-Sendung Ladies Night sowie das Bühnenprogramm Frau Jahnke hat eingeladen und spielte in den TV-Produktionen Butter bei die Fische (2009) und Nägel mit Köppen (2012).
www.fraujahnke.de
Beatrice Reece wurde 1984 geboren, studierte Schauspiel, Tanz und Gesang in England und Deutschland und stand bereits in den USA, in England und in Deutschland als Sängerin und Tänzerin auf der Bühne.
Beatrice Reece in der ZAV KünstlerInnenvermittlung