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Beitrag vom 09.10.2014
AVIVA-Reihe - Frauen im Filmbusiness. Interview mit einer Feministin und Kritikerin des Filmgeschäfts, der Regisseurin Isabell Suba
Helga Egetenmeier
Die Gesprächspartnerinnen der AVIVA-Interviewreihe "Frauen im Filmbusiness" berichten über ihre Erfahrungen, Arbeit und Erwartungen. Mit ihrem Film "Männer zeigen Filme und Frauen ihre Brüste"...
...verweist Regisseurin Isabell Suba auf die männlich dominierte Festivalwelt in Cannes und sorgt damit für Gesprächsstoff.
Frauen im Filmgeschäft sind in vielen unterschiedlichen Jobs präsent, schaffen es jedoch meist nur als Schauspielerinnen auf den Roten Teppich. Obwohl das Verhältnis, wie auch bei vielen anderen Studiengängen, heute an den Filmhochschulen weitestgehend ausgeglichen ist, verliert sich die Sichtbarkeit von Frauen danach. An diesen Stellen hakt die Interviewreihe von AVIVA-Berlin nach und lässt Frauen rund um den Film, vor und hinter der Kamera, antworten.
Isabell Suba, geboren 1981 in Berlin, studierte nach einem Mediendesign-Studium an der Media Design Akademie Berlin von 2005 bis 2011 Film- und Fernsehregie an der HFF"Konrad Wolf" Potsdam- Babelsberg, seit 2012 arbeitet sie dort als Meisterschülerin. Sie wurde im Jahr 2012 in das StipendiatInnenprogramm der Konrad-Adenauer-Stiftung "Begabtenförderung" aufgenommen. Seit August 2014 läuft ihr Langfilmdebüt aus dem Jahr 2013 "Männer zeigen Filme und Frauen ihre Brüste" im Kino.
AVIVA-Berlin: Du bist Meisterschülerin für Regie an der Hochschule für Film und Fernsehen "Konrad Wolf" in Potsdam und hast Dich damit für eine Berufsrichtung entschieden, an deren erfolgreicher Spitze es kaum Frauen gibt.
Was hat Dich daran gereizt, trotzdem ein Regiestudium aufzunehmen?
Isabell Suba: Ich habe schon immer in Filmen gedacht, seit meiner Kindheit. Alles was mir unlogisch erschien, konnten Filme erklären. Es gab also keine besonders große Entscheidungsfreiheit. Als ich anfing Regie zu studieren, war mir die ungerechte Verteilung von Jobs und Geldern zwischen Männern & Frauen nicht bewusst. Heute, da ich darum weiß, will ich es umso mehr verändern.
AVIVA-Berlin: Mit Deinem Kurzfilm "Chica XX Mujer" wurdest Du im Mai 2012 zum Filmfestival nach Cannes eingeladen. Weibliche Filmschaffende kritisierten damals mit dem Brief "Frauen zeigen ihre Gesichter, Männer ihre Filme", dass keine Regisseurin für einen Wettbewerbsfilm ausgewählt wurde. Du hast, anstatt das Festival offiziell zu besuchen, dort Deinen Film "Männer zeigen Filme und Frauen ihre Brüste" gedreht. Mit der Wahl Deines Titels bist Du ja noch einen Schritt weitergegangen.
War Dir die Unsichtbarkeit weiblicher Filmschaffender schon immer ein Dorn im Auge?
Isabell Suba: Mir haben schon als Kind weibliche Hauptfiguren zum identifizieren gefehlt, die Recherche, die durch den Cannes-Film begann trieb diese Vermutung nur auf die Spitze. Frauen sind auf dem roten Teppich gern gesehen, der weibliche Blick in Filmwerken wird nicht respektiert und donnert immer nur gegen die gleichen vermeidlichen Qualitätsmerkmale. Diese wurden von Männern gemacht und entsprechen eben diesen. Es ist mir nicht nur ein Dorn im Auge, es ist ein Eisenpflock!
Ich will als Filmemacherin Karriere machen und dass meine Töchter und Söhne in eine Welt hinein wachsen, in denen sie durch Filme/Theater alle Grenzen der Geschlechterperspektiven aufheben können. Unsere Gesellschaft ist eine bunte, ob es Menschen nun passt oder nicht. Und Filme sollten das spiegeln, ansonsten hat Filmemachen nur noch was mit Geld machen zu tun.
AVIVA-Berlin: Das Filmfestival in Cannes lehnte im Jahr 2013 Deinen Film "Männer zeigen Filme und Frauen ihre Brüste" ab. Gab es eine offizielle Begründung dafür und welche Gründe siehst Du selbst?
Isabell Suba: Nein, keine Begründung. Meine ist: fehlender Humor.
AVIVA-Berlin: Für Deinen ersten Langfilm "Männer zeigen Filme und Frauen ihre Brüste" haben Du und Dein Team bereits mehrere Preise erhalten, ihr seid auf Festivals eingeladen und seit Mitte August 2014 läuft der Film auch im Kino. Du bist bei den Aufführungen manchmal für eine anschließende Diskussion anwesend.
Welche Fragen kommen da auf Dich zu und was möchtest Du dem Publikum mitgeben?
Isabell Suba: Alle möglichen Fragen aus allen Richtungen. Die Menschen wollen wissen, wie es um die Gleichstellung, die Frauenbewegung und das leider oft missverstandene Wort "Feminismus" gestellt ist. Sie denken, Frauen die dieser Lebenseinstellung angehören sind frigide, humorlos, unweiblich. Ich bin nichts von alldem und ich wäre auch Feminist, wäre ich ein Mann. So wie z.B. auch die meisten Männer in Skandinavien Feminismus als anerkanntes Menschenrecht verstehen und für sich einfordern. Denn alle Geschlechter, Hautfarben, Beeinträchtigte sollen die gleichen Rechte haben. Feminismus ist nicht schlecht, es ist eine freie Art miteinander zu leben!
Ich will den Frauen da draußen mitgeben:
1. Haltet verdammt noch mal zusammen.
2. Nehmt nicht immer alles so schrecklich persönlich, sonst ist jede Bewegung vorbei bevor sie angefangen hat
3. MACHEN statt ZÖGERN. Aus den Fehlern lernen, weiter MACHEN statt ZÖGERN.
AVIVA-Berlin: Bei einem Filmgespräch sagtest Du, es gäbe eine "gläserne Decke", die Frauen daran hindert, an die Fördertöpfe der Filmförderung zu kommen, wobei durchaus mächtige Frauen an den Verteilungsstellen für Filmfinanzierungen sitzen.
Worin siehst Du die Gründe, dass Frauen weniger unterstützt und hauptsächlich Männer gefördert werden?
Isabell Suba: "Die gläserne Decke" ist ein Medienbegriff, wir sollten aufpassen, dass er nicht real wird, nur weil wir ihn ständig hören. Es gibt keine Decke, es ist nicht real, es gibt nur Menschen mit Macht und jede/r Einzelne muss sich fragen: Fördere ich nur was mir gefällt, oder fördere ich auch den Gedanken von Unterschiedlichkeiten im Geschmack und Gesellschaft.
Männer machen seit Jahrtausenden Business, während Frauen zu Hause auf die Kinder aufpassten. Mädchen sollen brav sein und hübsch und nicht zu laut. Jungs werden gelobt wenn sie vom Baum fallen und als charakterstark bezeichnet, wenn sie sich nicht alles bieten lassen. Wenn unsere Kinder so aufgezogen werden, dann ist es nicht verwunderlich, wenn auch immer nur Jungs den Kriterien des heutigen Kapitalismus Höher, Schneller, Weiter entsprechen. Der weibliche Blick fehlt. Zu viele Männer in Machtpositionen, zu viele Frauen, die ihre hart erkämpften Einzelgängerpositionen nicht teilen wollen und still heimlich weiter manipulieren.
AVIVA-Berlin: Auf der Webseite Deines Verleihs "Missing Films" steht, dass Du dabei bist, ein Netzwerk für Frauen aus der Film- und Theaterszene aufzubauen. Mit dem Frauenfilmfestival und WIFT Germany (Women in Film and Television) gibt es bereits Frauenzusammenschlüsse im Filmbereich.
Weshalb möchtest Du ein eigenes Netzwerk aufbauen und möchtest Du mit den bestehenden kooperieren?
Isabell Suba: Ja, ich bin im Kontakt mit verschiedenen Netzwerken und wir wollen kooperieren, das ist keine Frage. Wir werden Expertise, Räume, Kontakte etc. teilen und gegenseitig Veranstaltungen besuchen. Da ich aber Ideen habe, die noch erweiternd sind zu schon bestehenden Netzwerken, macht es Sinn, diesen Ideen nachzugehen, auszuprobieren. Das eine schließt das andere nicht aus. Im Gegenteil und wir werden unsere Werbekanäle zusammen schmeißen, Schnittmengen finden.
AVIVA-Berlin: Im Oktober erscheint im Schüren-Verlag das Buch "Wie haben Sie das gemacht? Filme von Frauen in 5 Jahrzehnten". Du bist eine der Frauen, deren Namen in der Ankündigung zum Buch - einer Collage aus achtzig Stimmen zum weiblichen Filmschaffen seit 1968 - und den beiliegenden DVDs erwähnt wird.
Was bedeutet es für Dich, in dieser Sammlung dabei zu sein und an welche Erfahrungen möchtest Du anknüpfen?
Isabell Suba: Das hätte ich nie gedacht, dass ich mal in so einem Buch dabei bin. Ich bin sehr gespannt, was die beiden Initiatorinnen entwickelt haben und freue mich darauf, mich als Teil eines Ganzen zu lesen. Ich hoffe, viele Frauen zu treffen, mit denen ich mich filmgeschichtlich und lebenstechnisch austauschen kann, wir sind ja nicht die ersten, die sich eine Bewegung der Frauen ausdenken. Also nehmen wir den Faden wieder auf und kämpfen weiter.
AVIVA-Berlin: Die jetzt Ende September veröffentlichte erste weltweite Studie über weibliche Charaktere in populären Filmen, in Auftrag gegeben vom "Geena Davis Institute on Gender in Media", zeigt die tief sitzende Diskriminierung und Stereotypisierung von Frauen und Mädchen in der Filmindustrie. Du weichst in Deinen bisherigen Filmen auf unterschiedliche Weise von Geschlechterstereotypen ab.
Wie schätzt Du die Einflussmöglichkeit von Medienbildern auf gesellschaftliche Veränderungen ein?
Isabell Suba: Sehr hoch! Nicht umsonst verbinden wir mit Filmen ganze Lebensabschnitte, gehen, wenn wir verliebt sind, also weich und offen, gerne ins Kino, weil wir Raum haben. Musik ist oft ein Teil von allem, was wir geliebt haben. Gerade heutzutage, wo alle mit einem iPhone geboren werden und Wikipedia ans Gehirn angeschlossen ist, sind Medien wie Film und Musik tragende Prägungskanäle. Wenn wir das sexistische Bild der Werbung, der Filme und der Musik verändern, verändern wir unsere Sprache und dadurch unsere Realität. Wir denken anders, weil die Bahnen, in denen wir zum Denken angeregt werden sich erweitern. Bücher haben denselben Effekt.
Ich wette hiermit 1000 €, dass, wenn alle Radiosender eine Woche keine sexistische Rap Musik spielen, die Kinder an den Schulen sich in Gruppen zusammen horten, um andere coole Songs zu finden, ohne Sprachrassismus, und es toll finden werden. Falls Universal diesen Marketingtrick nutzen will, um ihren Indie-Labels mal wieder Aufwind zu verschaffen, können Sie sich gerne bei mir melden.
AVIVA-Berlin: Dein Filmverleih "Missing Films" hat auch Aron Lehmanns Langfilmdebüt "Kohlhaas oder die Verhältnismäßigkeit der Mittel" aufgenommen, der sich ebenfalls mit der Filmindustrie auseinandersetzt. Beide werdet ihr als RegisseurInnen dem German bzw. Berlin Mumblecore zugerechnet, einer Stilrichtung, die sich kritisch mit Förder- und Produktionsbedingungen auseinandersetzt.
Siehst Du bei Euren Filmen eine gemeinsame Tendenz von jungen FilmemacherInnen in der Auseinandersetzung mit verknöcherten Verhältnissen in der Filmindustrie? Welche Rolle spielt dabei das Geschlechterverhältnis?
Isabell Suba: Ich nehme an, dass für die meisten Künstler schon immer zu wenig Geld fürs Filmemachen da war. Da durch technische Erneuerungen heute aber alles preiswert zu bekommen ist, steigt die Unabhängigkeit, und junge Leute, die noch die Kraft haben, ohne Geld Filme zu machen, stellen sich dieser Monsteraufgabe. Es geht aber an sämtliche menschliche Grenzen, es ist sehr anspruchsvoll, solche Großprojekte zu leiten ohne Geld - was oft heißt, es werden Abstriche in der Professionalisierung gemacht.
Wenn es verknöcherte Strukturen in der Filmbranche gibt, dann sicher die der Pseudoliberalen, aufgeklärten Geschlechter- und Hautfarben-Denke. Weiße denken leider meistens weiß - immerhin heute "aufgeklärt". Und nicht zu vergessen, Stichwort verknöchert: die endlosen Runden, die in Deutschland in der Filmentwicklung passiert werden müssen. Wäre ich Förderin, würde ich es anders machen und dennoch Erfolg haben.
AVIVA-Berlin: Der neue Film "The Cut" von Fatih Akin gilt mit einem Budget von 19 Millionen € als preisgünstige Produktion, dem stehen Finanzierungen für einen Blockbuster von 500 Millionen $ gegenüber. Dein Film ist in 5 Drehtagen und ohne Gagen entstanden, für die Postproduktion habt ihr das Geld über Crowdfunding hereingeholt.
Wie siehst Du bei der fortschreitenden technischen Entwicklung und den unterschiedlichen Arbeitsbedingungen die Zukunft des Films?
Isabell Suba: Da kann ich ja froh sein, dass heutzutage zumindest Ausnahmen von Frauen schon mal 4 - 6 Mio. € für ´nen Film bekommen. Wenn ich so was lese, frage ich mich, ob sämtliche Festivalleiter rechnen gelernt haben. Dass Frauen mit 19 Mio. € einen anderen Film machen können, als mit 6 Mio., sollte klar sein und in ihren weißen heterosexuellen Ansichten mitbedacht werden bei der Auswahl von Filmprogrammen. Das Schöne an der Zukunft ist, dass wir eben nicht wissen, was passieren wird und ich bin heilfroh, dass ich dieser Regel unterliege. Also keine Ahnung, ich tue heute was für die Dinge, an die ich glaube.
AVIVA-Berlin: An was arbeitest Du derzeit, gibt es schon Projekte für die (nahe) Zukunft?
Isabell Suba: Weltherrschaft. Kinder kriegen. Filme gucken und machen.
AVIVA-Berlin: Besten Dank an Isabell Suba für das Interview!
Mehr zu Isabell Suba unter:
www.isabellsuba.com
www.maenner-zeigen-filme-und-frauen-ihre-brueste.de
Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:
Männer zeigen Filme & Frauen ihre Brüste. Ein Film von Isabell Suba.
Weitere Informationen:
Website zur Aktionsgruppe La Barbe
www.labarbelabarbe.org