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Beitrag vom 22.07.2017
AVIVA-Berlin befragt Barbara Rohm vom Vorstand Pro Quote Regie zur Studie Audiovisuelle Diversität? Geschlechterdarstellungen in Film und Fernsehen in Deutschland
Yvonne de Andrés
Es gibt eine Schieflage vor und hinter der Kamera. Das Netzwerk Pro Quote Regie fordert anlässlich der Ergebnisse der Studie eine Diversitätsoffensive in TV und Kino. Nur so kann die deutliche Unterrepräsentierung von Frauen und gegen Stereotypen in TV und Kino angegangen werden.
Die Studie "Audiovisuelle Diversität? Geschlechterdarstellungen in Film und Fernsehen in Deutschland" von Prof. Dr. Elisabeth Prommer, im Juli 2017 von der Schauspielerin Dr. Maria Furtwängler in der Akademie der Künste vorgestellt, konstatiert, wie erschreckend unterrepräsentiert Frauen im deutschen Film und Fernsehen sind.
Untersucht wurde das gesamte fiktionale und nonfiktionale Programm von 21 Sendern, u.a. der ARD, ZDF, RTL und ProSieben. Die Branche, so Barbara Rohm von Pro Quote Regie, ist per se "frauenfeindlich". Heute muss frau die nüchterne Frage stellen, wodurch die strukturelle Benachteiligung und Dauerberieselung mit stereotypen Klischeebildern in einer Gesellschaft verursacht wird und diese verändert werden kann.
Zu folgenden Ergebnissen kommt die Studie: Frauen bis Mitte 30 kommen gleich oft vor wie Männer. Ab Mitte 30 verschlechtert sich die Relation und auf 1:2 zu Gunsten der Männer. Ab 50 Jahren reduziert sich das Verhältnis auf eine Frau drei Männer. Dieser Schwund findet in allen Sendern und über alle Formate und Genres statt. Schade, dass dies nicht für die jeweiligen Sender aufgeschlüsselt wurde. Nichts anderes gilt für den Kinofilm. Auch jenseits des Fiktionalen, bei den ModeratorInnen, SprecherInnen, ExpertInnen prädominieren Männer auf den Bildschirmen. Männer erklären mehrheitlich die Welt in Gameshows oder im Kinderprogramm. Interessant dürfte auch die unterschiedliche Relation der Geschlechterdarstellung nach Sendern sein.
Dazu hat AVIVA-Berlin Barbara Rohm vom Vorstand Pro Quote Regie befragt:Was fanden Sie an der Studie "Audiovisuelle Diversität" besonders bemerkenswert? Was war neu für Sie?
Barbara Rohm: Mich hat nicht der Inhalt der Studie überrascht, der aufmerksamen Zuschauerinnen und Zuschauern kaum verborgen bleiben kann. Das große Erstaunen der Verantwortlichen über das Offensichtliche ist bemerkenswert. Es zeigt, wie längst überfällig der Dialog über die Inhalte und die Präsenz der verschiedenen Geschlechter in den Medien ist.
AVIVA-Berlin: Viele umfangreiche Studien beschreiben die ungleiche Geschlechterverteilung. Die Ermittlungen der Ist-Zustände finden regelmäßig mit mehr oder weniger öffentlicher Resonanz statt, auch Monitoringprozesse gab es bereits. Wie sieht es mit der Umsetzung aus?
Barbara Rohm: Zahlen haben wir jetzt genug und jede Studie ist nur so gut wie die Maßnahmen, die daraus resultieren und eine Umsetzung finden. Ich bin überzeugt, dass sich ohne eine verbindliche Quote für Frauen in den kreativen Schlüsselpositionen hinter der Kamera langfristig auch vor der Kamera nichts ändern wird. Begleitet werden muss die Quote z.B. von einem kontinuierlichen Gendermonitoring und zwar überall da wo es um öffentliche Gelder geht. Also bei öffentlich rechtlichen Sendern und der Filmförderung. Nur so kann überprüft werden, ob es eine Veränderung gibt oder die Situation stagniert. Damit Veränderung stattfinden kann, brauchen wir zudem verbindliche Change- und Genderseminare für EntscheiderInnen in den Sendern und Filmförderanstalten. Hinter der Kamera machen sie stereotype Wahrnehmungskriterien bei der Beurteilung von Projekten und Personen sichtbar. Und vor der Kamera helfen sie, die Reproduktion von Geschlechterstereotypen sichtbar zu machen und zu vermeiden, damit mehr Lebenswirklichkeit in der ganzen Vielfalt und Diversität abgebildet wird.
Am Montag, dem 17. Juli 2017 kam es beim "vorerst letzten Treffen" des Runden Tisches zur Studie "Frauen in Kultur und Medien. Ein Überblick über aktuelle Tendenzen, Entwicklungen und Lösungsvorschläge" von Kulturstaatsministerin Monika Grütters zu ähnlichen Ergebnissen. Die vom Deutschen Kulturrat durchgeführte Studie hat die eklatante Schieflage bei Beschäftigung und Bezahlung von Frauen im Kulturbetrieb bestätigt. Sechs Arbeitsgruppen (Bildende Kunst, Musik, Literatur, Darstellende Kunst, Film- und Medienkunst, Presse und Rundfunk) haben dazu Teilnehmerinnen des Runden Tisches in den vergangenen Monaten einen Forderungskatalog auf mittlerer und langfristiger Ebene zusammengetragen. Diese wurden der Kanzlerin übergeben. Zum Abschluss des Runden Tisches fordert der Deutsche Kulturrat jetzt u.a. die geschlechtergerechte Besetzung von Gremien und Jurys zur Vergabe von Preisen und Auszeichnungen. Das ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Die Unterstützung der "Berliner Erklärung" im Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft könnte dabei helfen dieses Ziel zügiger zu erreichen.
Mehr Informationen unter:
Pro Quote Regie: www.proquote-regie.de und www.facebook.com/proquoteregie
www.berlinererklaerung.de
Die Studie "Audiovisuelle Diversität? Geschlechterdarstellungen in Film und Fernsehen in Deutschland" von Prof. Dr. Elizabeth Prommer, Dr. Christine Linke der Universität Rostock ist als Kurzbericht online unter: www.imf.uni-rostock.de
GENDER UND FILM - Rahmenbedingungen und Ursachen der Geschlechterverteilung von Filmschaffenden in Schlüsselpositionen in Deutschland der FFA Filmförderungsanstalt: www.ffa.de
Gender und Fernsehfilm www.ard.de
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