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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 18.10.2018


Interview von den BGL BNP PARIBAS Luxembourg Open 2018 mit Julia Görges
Sylvia Rochow

Die Bad Oldesloerin, die seit 2015 in Regensburg lebt, kann zum Ende der Saison 2018 auf die erfolgreichsten zwölf Monate ihrer bisherigen Tenniskarriere zurückblicken. Nach dem Turniersieg in Moskau Mitte Oktober 2017 sicherte sich…




... Julia Görges Anfang November 2017 auch noch den Titel bei der WTA Elite Trophy in Zhuhai (China), dem Saisonfinale der Spielerinnen der Weltranglisten-Nummern 9 bis 20, für das sie sich überhaupt erst im letzten Moment noch qualifiziert hatte.

Der Start in die Saison 2018 glückte mit dem Erfolg beim Hartplatzturnier in Auckland im Januar ebenfalls, gefolgt von einer Finalteilnahme in Charleston (USA) im April sowie dem Halbfinal-Einzug in Wimbledon Mitte Juli. Die 29-Jährige stieß im Februar 2018 als erst achte Deutsche überhaupt erstmals in die Top 10 der Weltrangliste vor.
Vor ihrem Auftaktmatch bei den BGL BNP PARIBAS Luxembourg Open vom 14. bis 20. Oktober 2018 gewährte "Jule" auf einer Pressekonferenz auch AVIVA-Berlin Einblicke in ihre persönliche Saisonbilanz.

Wenngleich Julia Görges seit mehreren Jahren nicht mehr "auf Kockelscheuer" gespielt hat, bezeichnet die Rechtshänderin die Luxembourg Open als ein für sie "sehr, sehr besonderes Turnier. Nicht nur, weil es sehr dicht an Deutschland liegt und man mit dem Auto anreisen kann, sondern weil es eine sehr familiäre Atmosphäre hat, alle einen hervorragenden Job mit viel Leidenschaft machen und sich sehr gut um die Spielerinnen kümmern. Diese Begeisterung macht meiner Meinung nach den Unterschied aus, auch für mich. Wenn man seinen Beruf mit Leidenschaft macht, arbeitet man eigentlich nicht, sage ich mir immer. Das ist das, worauf es ankommt, und das bringen die Menschen hier rüber. Es ist wirklich eine andere Atmosphäre, man fühlt sich einfach wie zu Hause – natürlich auch, weil man die gleiche Sprache sprechen kann. Ich glaube auch, gerade zum Ende der Saison hin ist es wichtig, dass man an Orten ist, wo man sich besonders wohlfühlt, um da noch mal die letzten Kräfte zu mobilisieren."

Ihr Fitnesslevel schätzt die aktuelle Weltranglisten-Nr. 9 so auch trotz der kräftezehrenden Monate auf der Tour immer noch als gut ein: "Ich hatte sehr viele Matches dieses Jahr, aber ich glaube, es ist immer die Herangehensweise, die den Ausschlag gibt. Wenn das, was man macht, einem Spaß macht und man es mit Freude macht und sich den Plan das Jahr über gut einteilt, den Schedule smart strukturiert, dann hat man, denke ich, auch hinten raus noch viel Energie. Jetzt versuche ich, in den letzten beiden Turnieren noch alles reinzulegen, und dann kann ich glaube ich sehr zufrieden sein mit der Saison."

Neben der familiären Atmosphäre mögen auch persönliche Verbindungen den Ausschlag dafür gegeben haben, dass Görges nicht ihren Titel beim parallel stattfindenden Turnier in Moskau verteidigt, sondern nach 2014 wieder nach Luxemburg zurückkehrt. Mit Lokalmatadorin Mandy Minella aus Esch-sur-Alzette verbindet die Norddeutsche eine langjährige Freundschaft. "Wir kennen uns schon ewig lange und haben schon sehr, sehr viele nette Momente erleben können zusammen, tolle Abendessen," führt sie aus. "Ich glaube, es ist wichtig, auch abseits des Tennis einen anderen Bezug zum Leben zu haben, und da hat sie jetzt mit der Emma (Anm. d. Red.: Minellas Tochter, die Ende Oktober 2017 geboren wurde) ein riesengroßes Glück gefunden mit einem tollen Ehemann dazu. Für mich ist es einfach schön, zu sehen, dass sie glücklich ist, dass sie aber auch wieder auf der Tour ist, denn das hat mir schon gefehlt. Mit ihr hat man eine tolle Gesprächspartnerin, mit der man nicht immer nur über Tennis, sondern einfach über das Leben sprechen kann. Natürlich versuchen wir auch hier jetzt, abseits des Platzes etwas Zeit zusammen zu verbringen."

AVIVA-Berlin: Trotzdem eine Frage zum Tennis. Du warst jetzt quasi die ganze Saison über in den Top 10. Spürst Du da immer noch einen Unterschied, wenn Du es mit anderen Jahren vergleichst, oder guckst Du eigentlich gar nicht mehr so sehr aufs Ranking, nachdem Du das Ziel einmal erreicht hast?

Julia Görges: Es war tatsächlich ein etwas anderer Moment in meiner Karriere, als ich in die Top 10 vorgestoßen bin, denn es war zwar jahrelang ein Ziel von mir, aber es war doch auch jahrelang sehr, sehr weit weg für mich. Jetzt in den Top 10 zu sein ist etwas Besonderes. Man darf sich nicht darauf ausruhen, muss weiter an sich arbeiten. Ich glaube aber, dass vor allem dieses Halbfinale in Wimbledon noch mal etwas ganz Anderes in mir ausgelöst hat – Emotionen, die ich vorher vielleicht nicht erlebt habe, auf der großen Bühne eines Grand Slam-Turniers. Beides waren sehr einschneidende Momente in diesem Jahr, die am Ende der Saison sicherlich auch noch etwas Zeit brauchen, um verarbeitet zu werden. Um aber noch mal auf die Top 10 zurückzukommen, da muss ich sagen, dass das, was man als Spielerin auf dem Platz fühlt, wo man hingehört oder wozu man sich in der Lage sieht, nicht immer abhängig ist vom Ranking. Ich habe mir in diesem Jahr einfach sehr viel bewiesen, dass ich auf dem richtigen Weg bin, und da möchte ich dranbleiben. Aber die Zahlen, die man vor seinem Namen hat, sind oft sekundär.

AVIVA-Berlin: Du hast jetzt Deinen Halbfinal-Einzug in Wimbledon hervorgehoben. Denkst Du, das ist in der Öffentlichkeit etwas untergegangen, weil Angie Kerber dann sogar den Titel gewonnen hat?

Julia Görges: Ich glaube, die Wertschätzung, die ich mir gegenüber habe, ist viel größer als alles andere. Ich kann verdammt stolz auf mich und mein Team sein und das hat einen ganz anderen Stellenwert als zum Beispiel Zeitungsartikel. Ich lese sehr wenig Zeitungsartikel – über mich selbst schon mal gar nicht. Wenn ich manchmal andere Sportberichte sehe, denke ich mir, o.k., ich will gar nicht wissen, was über mich drinsteht.

Der Tatsache, dass sie in Luxemburg, wie bereits in der Woche zuvor in Linz, wo sie der wiedererstarkten Andrea Petković gleich zum Auftakt unterlag, die topgesetzte Spielerin ist, misst die 29-Jährige wenig Bedeutung zu. "Wir brauchen nicht mehr über einfache oder schwere Auslosungen zu reden oder über gesetzte und ungesetzte Spielerinnen," stellt sie klar. "Wir haben dieses Jahr gesehen, dass es vier verschiedene Grand Slam-Siegerinnen und vier verschiedene Premier Mandatory-Siegerinnen (Anm. d. Red.: Höchste Turnierkategorie nach den Grand Slams) gab. Auf dem Papier steht eine Nummer, aber wie ich vorhin schon gesagt habe, diese Nummer vor dem Namen ist nicht immer entscheidend. Oft entscheidet die Tagesform. Dafür haben wir das Glück, dass wir jede Woche die Chance haben, uns neu zu beweisen, was bei vielen anderen Sportarten nicht der Fall ist. Erstmal geht es darum, seine Trainingsleistungen auf den Matchplatz zu bringen. Das ist nicht immer abhängig von Sieg oder Niederlage," erläutert die Norddeutsche weiter. "Mir ist es persönlich sehr wichtig, dass ich mich weiterentwickle, dass ich die Dinge, an denen ich trainiere und arbeite, möglichst oft im Match zeigen kann. Das ist manchmal viel wichtiger als Sieg oder Niederlage, wenn man vom Platz geht und weiß, man hat alles gegeben. Es gibt schließlich auch noch eine Gegnerin auf der anderen Seite, die auch Tennis spielen kann."

So entspannt, wie "Jule" den Touralltag einordnet, scheint sich auch ihre diesjährige Urlaubsplanung gestaltet zu haben. "Die ist schon abgeschlossen. Es ist ja nicht so wie im letzten Jahr, dass ich noch mal alles umwürfeln musste." Diesmal steht die Qualifikation für Zhuhai als Saisonabschluss schon seit einer Weile fest. "Ich werde einfach zu Hause sein. Das ist das, wo ich mich am wohlsten fühle und wo ich meine Energie tanken kann," führt sie aus. "Außerdem ist es auch der Ort, wo ich über das Jahr gesehen eigentlich am wenigsten Zeit verbringen kann. Daher ist es mir ganz wichtig, im Urlaub zu Hause zu sein."

AVIVA-Berlin: Vielen Dank für das Gespräch, viel Erfolg fürs Turnier und einen schönen Urlaub!

Weitere Infos zu Julia Görges unter:

twitter.com/juliagoerges

www.facebook.com/julegoerges

www.julia-goerges.com

www.bglbnpparibas-open.com


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Beitrag vom 18.10.2018

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