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Beitrag vom 27.04.2010
Interview mit Andrea Petkovic
Sylvia Rochow
Im Sommer 2009 gewann die gebürtige Jugoslawin ihr erstes Turnier auf der WTA-Tour. Mit einem guten Abschneiden in Stuttgart könnte sie bald Deutschlands bestplatzierte Tennisspielerin werden.
Andrea Petkovic wurde am 9. September 1987 in Tuzla (heute Bosnien) geboren und kam im Alter von sechs Monaten mit ihren Eltern nach Deutschland. Sie lebt in Griesheim bei Darmstadt und begann als Sechsjährige mit dem Tennissport. Petkovics Vater Zoran war jugoslawischer Davis Cup-Spieler. Neben Deutsch spricht Andrea Petkovic auch fließend Serbisch, Englisch und Französisch und hat eine eigene Kolumne in der FAZ. 2009 kämpfte sie sich in Stuttgart durch die Qualifikation ins Hauptfeld, unterlag dort jedoch in der ersten Runde der späteren Siegerin, Svetlana Kuznetsova.
AVIVA-Berlin: Andrea, Sie kommen gerade aus Frankfurt, wo Sie mit dem deutschen Fed Cup-Team gegen Frankreich 2:3 verloren haben. Sind Sie nach solch einer Erfahrung froh, dass es gleich ohne Pause beim nächsten Turnier hier in Stuttgart weitergeht, oder würden Sie sich mehr Zeit zum Verarbeiten wünschen?
Andrea Petkovic: Diesmal bin ich eigentlich ganz froh. Meine persönliche Bilanz war ja auch nicht so schlecht, ich habe meine beiden Einzel gewonnen und mich so auch ein bisschen für die beiden Niederlagen in der ersten Runde gegen Tschechien rehabilitiert. Aber natürlich ziehen einen dann trotzdem die negativen Emotionen im Team insgesamt runter, sodass ich erst mal ganz froh bin, hier gleich weiterspielen zu können – das ist ja schließlich auch mein Beruf. Aber die grundlegende Verarbeitung wird dann auf jeden Fall noch später kommen.
AVIVA-Berlin: In den vergangenen Monaten haben Sie sich in der Weltrangliste stetig verbessert. Aktuell sind Sie die Nummer 50. Die beste Deutsche, Sabine Lisicki, steht nur noch wenige Plätze vor Ihnen. Mit einem guten Auftritt hier in Stuttgart könnten Sie bald vor ihr stehen. Machen Sie sich Gedanken darüber?
Andrea Petkovic: Nein, eigentlich nicht. Ich gucke auch gar nicht so sehr auf die Weltrangliste. Für mich ist es wichtig, das Maximum aus mir herauszuholen, irgendwann das zu erreichen, was für mich ein perfektes Match wäre. Außerdem muss man ja dazu sagen, dass Sabine im Moment verletzt ist. Sie ist eine so gute Spielerin, wenn sie wieder gesund ist, wird sie schnell wieder weiter oben stehen. Für mich macht es da im Moment mehr aus, dass es eine ganz neue Erfahrung ist, gute Leistungen verteidigen oder bestätigen zu müssen. Bisher gab es bei mir ja nach Erfolgen immer einen Rückschlag: Erst kam ich frisch von der Schule, das war sowieso eine andere Situation, und bei den Australian Open 2008 dann der Kreuzbandriss, durch den ich acht Monate pausieren musste.
AVIVA-Berlin: Sie haben seit Anfang des Jahres einen neuen Coach, Glen Schaap. Bis dahin wurden Sie von Ihrem Vater Zoran trainiert. Wie kam es zu der Zusammenarbeit?
Andrea Petkovic: Nach meinem Turniersieg im vergangenen Juli in Bad Gastein bin ich angesprochen worden, und mir war klar: Wenn ich den nächsten Schritt in Richtung erweiterte Weltspitze machen will, dann geht das nur mit noch professionelleren Bedingungen, und dazu gehört ein renommierter Coach wie Glen Schaap. Da es aber ja zu diesem Zeitpunkt auch so gerade sehr gut für mich lief, wollte ich keinen Trainerwechsel mitten in der Saison, sondern habe dann erst Ende des Jahres Kontakt aufgenommen.
AVIVA-Berlin: Konnten Sie durch den Trainerwechsel schon Erfolge in Ihrem Spiel erkennen
Andrea Petkovic: Ja, auf jeden Fall. Zum Beispiel ist mein Aufschlag viel besser geworden, darauf haben wir ein besonderes Augenmerk gelegt. Gleichzeitig ist das ein Schlag, der sehr viel ausmacht, weil er einem, auch wenn das Spiel insgesamt mal nicht so läuft, immer wieder leichte, schnelle Punkte bescheren kann. Das ist wichtig.
AVIVA-Berlin: Sie haben in der Schule eine Klasse übersprungen, dann auch noch Ihr Abitur mit 1,2 gemacht und gelten als eine der intelligentesten Spielerinnen auf der Tour…
Andrea Petkovic: Ich bekomme das immer ganz gut hin, dass alle denken, ich wäre so intelligent, nicht wahr? Dabei schreibe ich mir eigentlich einfach immer nur drei Fremdwörter auf die Handflächen und lese dann von da ab. (lacht
AVIVA-Berlin: Haben Sie manchmal den Eindruck, dass Sie diese Intelligenz beim Tennis behindert?
Andrea Petkovic: Ja, insofern, als dass ich mich immer noch darauf konzentrieren muss, im Match nicht zu viel nachzudenken – denn wenn man sich einen Gedanken zu viel macht, anstatt automatisch zu handeln, geht das meistens schief. Ich versuche also, mich auf dem Platz eher roboterhaft zu verhalten. (lacht) Das geht zwar nicht von heute auf morgen, aber ich merke, dass es immer besser klappt.
AVIVA-Berlin: Außerhalb des Platzes hat man dafür den Eindruck, dass Sie gerne zeigen, dass Ihr Horizont weiter als bei manch einer Kollegin sein dürfte. U.a. studieren Sie an der Fernuni Hagen Politikwissenschaft.
Andrea Petkovic: Klar, ich muss mir ja schließlich auch Gedanken um die Zeit nach meiner Karriere machen, und da nutze ich gerne jetzt schon die Gelegenheit, mich für mögliche Jobs in den Blickpunkt zu rücken und Interesse zu wecken.
AVIVA-Berlin: Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg in Stuttgart!
Weitere Infos finden Sie unter: www.andreapetkovic.de und www.porsche-tennis.de