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Beitrag vom 18.05.2010
Interview mit der Schauspielerin Josiane Balasko
Adriana Stern
Die jüdische Schauspielerin Josiane Balasko, "Die Eleganz der Madame Michel" hat sich bereits 1976 durch den Film "Der Mieter" von Roman Polanski in Deutschland einen Namen gemacht. In vielen...
...weiteren Filmen ist sie in sehr unterschiedlichen Rollen zu sehen. Dabei hat sie mehr als einmal gerade in den Rollen brilliert, die eher unscheinbare, mürrische Außenseiterinnen der Gesellschaft zeigen.
AVIVA-Berlin traf die Schauspielerin am späten Abend nach der Premiere des Films Die Eleganz der Madame Michel in Köln. Auch als Regisseurin ist Josiane Balasko höchst erfolgreich. Insbesondere seit ihrem Film "Eine Frau für zwei" ist sie zu einem echten Geheimtipp geworden. Bis heute hat sie insgesamt acht Filme inszeniert und auch größtenteils selbst geschrieben. 2008 verfilmte Josiane Balasko ihren Roman Cliente über eine Frau, die Sex mit Callboys hat.
AVIVA-Berlin: Ich freue mich, dass Sie nach einem so anstrengenden Tag noch bereit sind, mir ein Interview zu geben. Vielen Dank. Unter den vielen Fragen werde ich jetzt einige auswählen.
Sie sind Schauspielerin, Regisseurin und Drehbuchautorin. Wie bringen Sie diese drei Berufe unter einen Hut?
Josiane Balasko: Ich gehöre schon lange zu einer Truppe, die sich Le Splendid nennt und in Frankreich ein Cafétheater gemacht hat und da war es einfach so, dass wir eben auch unsere eigenen Stücke geschrieben haben. Nach unseren ersten Kinofilm haben die meisten, die in dieser Truppe mitgespielt haben, einfach immer weiter gemacht. Haben weitergespielt, und weitergeschrieben, also als Drehbuchautoren und Schauspieler zugleich gearbeitet.
AVIVA-Berlin: Bereits 1976 spielten Sie in einem Film von Polanski mit, der Sie in Deutschland bekannt machte. Wie treffen Sie Ihre Entscheidungen für die Rollen, die Sie annehmen? Welche Rollen reizen Sie besonders?
Josiane Balasko: Zuallererst bin ich einmal die Leserin eines Drehbuchs. Und danach frage ich mich jedes Mal, ob ich auch eine Zuschauerin dieses Films sein könnte. Wenn ich zu dem Ergebnis komme, dass es ein Film ist, den ich sehen will, dann ist das auschlaggebend für meine Entscheidung, die Rolle zu akzeptieren.
AVIVA-Berlin: Was ist für Sie das Besondere an diesem Film? Was hat Sie an der Rolle der Madame Michel gereizt?
Josiane Balasko: Das ist ein Film, der ein bisschen gegen den Strom schwimmt, ein Film, in dem Gefühle eine Rolle spielen, ein Film, in dem Kultur ganz, ganz wichtig ist. Ein Film, in dem die Figuren durch die Kultur ja förmlich gerettet werden. Dieses innere Leben der Madame Renée durch die Bücher führt dazu, dass Renée Raum für ihre Träume findet und all das ausleben kann, was das Gegenteil von dem ist, was sie eigentlich darstellt. Genau das hat mich an der Rolle gereizt: Das Verstecken zu Beginn und dann diese langsame Verwandlung der Madame Michel.
AVIVA-Berlin In "Zu schön für Dich" spielen Sie eine nach außen eher unscheinbare Sekretärin, in die sich der Hauptdarsteller des Films verliebt. Auch die Concierge in "Die Eleganz der Madame Michel" ist nach außen eher unscheinbar. Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen diesen beiden Rollen?
Josiane Balasko: Mir macht es einen Riesenspaß, mich zu verkleiden und zu verwandeln. Und dabei mit Vorliebe in ungewohnte Rollen zu schlüpfen. Ich ziehe Rollen vor, die nicht den Schönheitsidealen oder Normen entsprechen. Darin sehe ich die Gemeinsamkeit dieser beiden und weiterer Rollen, die ich gern gespielt habe.
AVIVA-Berlin: In dem wunderbaren Film "Eine Frau für zwei" führen Sie die Regie. In diesem Film steht lesbische Liebe im Mittelpunkt. Was hat Sie dazu bewogen, diesen Film zu machen?
Josiane Balasko: Damals war es einfach so, dass über dieses Thema überhaupt nicht geredet wurde. Es wurde einfach totgeschwiegen. Mit den Mitteln des Kinos konnte ich mehr Akzeptanz schaffen. Grundsätzlich eignet sich das Kino besonders gut dazu, das Schweigen zu beenden. Ich habe nach dem Film Briefe von Mädchen bekommen, die mir gesagt haben, dass sie aufgrund des Films plötzlich mit den Eltern reden konnten.
AVIVA-Berlin: Welche Themen interessieren Sie? Welche Filme würden Sie gerne machen?
Josiane Balasko: Ich mag es, Filme über Frauen zu machen, vor allem auch über Frauen zu reden, über die normalerweise nicht gesprochen wird. Und über Rollenbilder, die aus den Normen herausfallen. In meinem letzten Film Cliente zum Beispiel, den ich vor zwei Jahren gemacht habe, geht es um Frauen, die sich Männer für Sex kaufen und um Escort-Boys, die im Grunde genommen ja die modernen Gigolos sind. Es war sehr schwierig, diesen Film finanziell auf die Beine zu stellen, weil das Thema die Produzenten schockiert hat. Für einen Mann ist es normal, Sex zu kaufen, nicht aber für eine Frau.
AVIVA-Berlin: Wie war die Zusammenarbeit mit der Regisseurin Mona Achache? Haben Sie auch Ihre Erfahrungen als Drehbuchautorin und Regisseurin in die gemeinsame Arbeit eingebracht?
Josiane Balasko: Es war sehr harmonisch. Mona ist eine Frau, die weiß, was sie will. Trotzdem ist sie eine sehr, sehr weiche Frau, die gerne in Freundschaft arbeitet, aber die sich auch korrigieren kann. Und nein, zum Drehbuch habe ich gar nichts gesagt. Das war nicht meine Aufgabe. Wenn ich Schauspielerin bin, dann lasse ich mich gehen und bin ganz in meiner Rolle. Ich kann meine Meinung äußern, das sicherlich, aber nur die Meinung der Schauspielerin, keinesfalls die der Regisseurin.
AVIVA-Berlin: Und wie war Ihre Zusammenarbeit mit der beeindruckenden Garance Le Guillermic als Paloma, die mit ihren elf Jahren bereits in vier weiteren Filmen mitgespielt hat?
Josiane Balasko: Garance ist ein sehr konzentriertes, sehr intelligentes junges Mädchen, die auch meinen Text kannte. Dann hat sie gesagt: "Das war jetzt aber nicht das korrekte Wort." Aber die Arbeit mit ihr war wirklich sehr, sehr gut. Garance ist sehr lieb und sie hat wirklich ein unglaubliches Talent zur Schauspielerin. Wir hatten in Wirklichkeit nur drei bis vier Szenen zusammen und das ist gar nicht sehr viel und wir mussten innerhalb der sehr wenigen Szenen das im Film ja wachsende Vertrauen zwischen uns überzeugend rüberbringen. Erst als der Film fertig war, habe ich sie quasi entdeckt.
AVIVA-Berlin: Nur noch eine letzte Frage. Nach diesem wunderbaren Film möchten die Leserinnen von AVIVA-Berlin natürlich wissen, in welchem Film Sie in Zukunft zu sehen sein werden? Oder arbeiten Sie gerade an einem Film? Was sind Ihre zukünftigen Projekte?
Josiane Balasko: Ich werde demnächst in dem zweiten Film einer noch sehr jungen Regisseurin mitarbeiten, die bisher einen Film gemacht hat. Das ist erst einmal alles.
AVIVA-Berlin: Ich danke Ihnen sehr herzlich für dieses Interview und auch Ihnen, Herr Faszman, für ihre Arbeit zu so später Stunde!
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Das Interview wurde auf Französisch geführt und vom Übersetzer Jörg Faszman begleitet.