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Beitrag vom 01.10.2002
Dr. Alice Brauner
Sharon Adler
Seit September 2001 spricht die promovierte Historikerin und Politologin bei n-tv in ihrer Sendung "Seite 17" mit prominenten AutorInnen über anspruchsvolle Bücher...
Dr. Alice Brauner
im Interview mit
AVIVA-BERLINSeit September 2001 spricht die promovierte Historikerin und Politologin bei n-tv in ihrer Sendung "Seite 17" mit prominenten AutorInnen über anspruchsvolle Bücher. Seite 17 läuft samstags um 9.35 Uhr und sonntags um 17.35 Uhr.
Die Mutter der Zwillinge Ben und David hat bis vor kurzem die Sendung "Alice" auf TV.Berlin moderiert. Die Journalistin interviewte Holocaust-überlebende für die Spielberg-Stiftung "Survivors of the Shoah Visual History Foundation", ist Autorin von "Die neue Rechte in Deutschland - Antidemokratische und Rassistische Tendenzen" und die Tochter von Filmproduzent Artur Brauner.
AVIVA-BERLIN traf die temperamentvolle Alice und erhielt ehrliche Antworten auf aktuelle Fragen.
AVIVA-BERLIN: Bis vor kurzem haben Sie noch die Sendung "Alice" auf TV.Berlin moderiert. Nun gestalten Sie die n-tv-Sendung "Seite 17". Sie stellen dort Bücher vor. Das Besondere ist doch, dass bei Ihnen die AutorInnen selbst zu Wort kommen. Wie kam das überhaupt mit n-tv?Dr. Alice Brauner: "Alice" hat mir wirklich Spaß gemacht. Aber, ich wollte unbedingt etwas Neues machen und habe einen Zusammenschnitt von meinen besten Sendungen an die AVE Fernsehproduktionsgesellschaft ("Friedman", "Vorsicht Friedman!", "Talk in Berlin"), die einige Sendungen für n-tv macht, geschickt.
Zwei Tage später kam der Anruf und ich sollte vorbeikommen. Die AVE hat mir drei Vorschläge gemacht: Nachrichten, politische Talkshow, wovon es aber schon einige gab, oder das Lieblingskinds des Chefs der AVE: "Buch".
Nachrichten ging leider gar nicht, weil ich wegen meiner Kinder nicht jeden Tag arbeiten kann, keine Chance. Politische Talkshows gibt es schon zu viele. Und die meisten Buchmagazine sind im Fernsehen gescheitert, außer "Das literarische Quartett".
Also zermarterten sich viele intelligente Fernsehschaffende den Kopf, und heraus kam: Wir nehmen prominente Autoren und Bücher, die uns wirklich interessieren. Dann haben wir einen Piloten mit Wolfgang Schäuble gemacht und der wurde auch sofort gesendet. Die Quote lag bei über 100. 000, was für diese Sendung auf n-tv ein sehr gutes Ergebnis war. Also wurde die Sendung realisiert.
Es war ein Riesenglück und ein wirklicher Zufall. Erst einmal komme ich so selber dazu, hoch interessante Bücher zu lesen und habe noch mal die Möglichkeit, den Autoren persönlich die Fragen nach den Beweggründen zu stellen. Diese Sendung ist ein Geschenk, denn ich liebe das Gespräch. Und was mich privat sowieso interessiert, kann ich beruflich in diesem Format umsetzen. Das Konzept wird von den Zuschauern sehr gut angenommen.
AVIVA-BERLIN: Wie viele Zuschauer haben Sie, wie läuft die Sendung an?Dr. Alice Brauner: Die Sendung gibt es erst seit Mitte September 2001, also gerade mal 2 1/2 Monate. Die Einschaltquoten haben sich jetzt durchschnittlich bei 80.000 eingependelt. Der Chefredakteur ist sehr zufrieden. Aber die Sendung ist noch nicht sehr bekannt, sie muss sich natürlich erst mal etablieren. Als ich kürzlich bei einer Talkshow des mdr war, bekam ich hinterher sehr viele Zuschriften. Die Leute wollen wissen, wann und wo die Sendung läuft.
AVIVA-BERLIN: Ihr eigenes Buch über "Die neue Rechte in Deutschland - Antidemokratische und rassistische Tendenzen," ist 2001 bei Leske + Budrich erschienen. Was war der Auslöser? War es schwer, einen Verlag zu finden?Dr. Alice Brauner: Gar nicht. Der erste Verlag hat es sofort genommen. Ich musste nichts mehr ändern, sie haben es 1:1 übernommen.
Die erste öffentliche Diskussion um die Neue Rechte entstand durch Anzeigen, die 1995 in Deutschland anlässlich des Kriegsendes vor 50 Jahren geschaltet wurden. In diesen Anzeigen, u.a. in der FAZ, wurde dazu aufgerufen, den 8. Mai 1945 nicht mehr einseitig als Tag der Befreiung, sondern eben auch als Tag der Trauer, wegen der Vertreibung der Deutschen aus den Ostgebieten, zu werten. Ohne Ursache und Wirkung in einen stringenten Zusammenhang zu bringen.
Denn eines ist doch unbestritten: Hätte es Hitler nicht gegeben, hätte es die Vertreibung der Deutschen aus den Ostgebieten nicht gegeben. Es war in jedem Fall, wie auch Richard von Weizsäcker konstatiert hat, ein Tag der Befreiung, selbst wenn die Deutschen nach Ende des Krieges vertrieben wurden und ebenfalls gelitten haben.
Die Resonanz auf das Buch ist groß. Die Neue Rechte ist zwar aus verschiedenen Gründen gescheitert, könnte eventuell aber mit einer charismatischen Persönlichkeit wie Schill wieder hochkommen.
AVIVA-BERLIN: Ihr Traum ist die politische Talkshow. Was reizt Sie daran?Dr. Alice Brauner: Klarheit und Transparenz schaffen. Am liebsten mit Michel Friedman in einer Doppelmoderation. Er, der aggressive herausfordernde Part und ich der charmante Ausgleich. Das Gute an ihm ist, dass er nicht locker lässt. Ich könnte mir gut vorstellen, mit ihm und vier bis fünf Spitzenleuten nicht nur aus der Politik, sondern auch mit Philosophen, Literaten, Intellektuellen, einen intelligenten, und trotzdem unterhaltsamen Talk zu machen. (Auch die Frauen kommen bislang in den Talk Shows etwas zu kurz. Es gibt so viele, die etwas zu sagen hätten.)
AVIVA-BERLIN: Welche Moderatorinnen finden Sie besonders gut?Dr. Alice Brauner: Maybritt Illner. Sie ist hervorragend, besser kann man es nicht machen. Sabine Christiansen lässt leider manche Gelegenheit ungenutzt. Anne Will ist eine kompetente Journalistin.
AVIVA-BERLIN: Was könnte man tun, um die Erziehung und die Bildung in den Schulen zu verbessern ? Wie kann man Rechtsextremismus vorbeugen? Kennen Sie das Buch "Papa, was ist ein Fremder?"Dr. Alice Brauner: Das liebe ich und lese es immer mal wieder. Das sollte in jeder deutschen Schule zur Pflichtlektüre werden, so wie es in Frankreich schon der Fall ist.
Ich bin der Auffassung, dass man Austauschprogramme und Gesprächsrunden zwischen rechtsextremen und jüdischen Jugendlichen machen sollte.
Man kann dem Rechtsextremismus nicht nur mit Geschichtsbüchern begegnen. Besonders in den neuen Bundesländern fühlen sich die Jugendlichen sozial und wirtschaftlich extrem benachteiligt, da kann man nicht immer nur verurteilen und verbal draufhauen. Man muss versuchen, diese Jugendliche zu integrieren, man muss sie sozial betreuen, für ein besseres soziales Umfeld und für Lehrstellen sorgen.
AVIVA-BERLIN: Wie sieht Ihr Zeitmanagement aus? Dr. Alice Brauner: Ich bringe die Kinder in den Kindergarten, gehe schnell einkaufen, erledige alle Telefonate und setze mich dann hin und lese, lese, lese.
Ich schalte das Telefon aus, damit ich komplett Ruhe habe. Dann hole ich die Kinder wieder ab und beschäftige mich nur mit ihnen. Wenn wir abends wegmüssen, ist das Kindermädchen da.
Einmal in der Woche muss ich zur Redaktion, um die Sendung zu besprechen. Die ganze Vorbereitung für die Sendung kann ich von zu Hause aus erledigen, über Telefon und e-mail, das klappt sehr gut. Ohne die Hilfe meines Mannes und des Kindermädchens würde ich das aber nicht schaffen.