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Beitrag vom 07.02.2006
Moon Suk
Karin Effing, Sharon Adler
In "Mond und Sterne" erkundet sie mit poetischer Feder 22 Prominente. AVIVA-Berlin sprach mit der Sopranistin über ihren Umgang mit Zeit, ihre Rolle in der Oper "Kroll" und Leidenschaften.
Moon Suk wurde in Gyungnam, Südkorea, geboren. Sie ist Sopranistin, Dichterin, Performerin, Schauspielerin und Malerin. Nach ihrem Studium der Opern- und Kirchenmusik an der EWHA University in Seoul kam sie nach Deutschland, um an der Musikhochschule in Karlsruhe bei Lucretia West and Marga Schiml ihre musikalischen Studien zu vertiefen. Sie ist Begründerin der "Pandora artist´s initiative", in der sie sich nicht nur als Direktorin, sondern auch als tanzende Sängerin engagierte. 2002 tourte Moon Suk miit der "London Palladium production" von "The King and I" als Lady Thiang.
Außerdem Auftritte in Solokonzerten, in Musicals und Opern europaweit. 2001 wurde sie auf der Berlinale für ihre Rolle als Mai Lee in
"My Sweet Home" (Filippos Tsitos) geehrt.
Sie lebt in Berlin und hat im Januar 2006 nach dem Gedichtband "Moon like Moon" im Januar 2006 ihr zweites Buch "Mond und Sterne" veröffentlichlicht. AVIVA-Berlin traf die vielseitige und sympathische Künstlerin in der M.J. WEWERKA GALERIE.rn
AVIVA-Berlin: In Ihrem Buch "Mond und Sterne" haben Sie 22 Prominente interviewt. Wie ist es für Sie in der Rolle der Befragten zu sein?
Moon Suk: Das erste Interview fand ich schwierig, aber jetzt fängt es an, mir Spaß zu machen. Ich habe festgestellt, dass es nicht leicht für mich ist, sogenannte "einfache" Fragen zu beantworten.
AVIVA-Berlin: Ich möchte Ihnen gerne drei Fragen stellen, die ich Ihrem Buch entnommen habe. Die erste: "Wie erklären Sie jemandem, der noch nie von Ihnen gehört hat, wer Sie sind?"
Moon Suk: Ich bin Moon Suk. Als ich in England war, habe ich immer gesagt: Moon like Moon. Und die Leute sagten dann zu mir: "Oh Moon Suk, gestern Nacht habe ich dich gesehen." Viele haben mich sofort mit dem Mond identifiziert.
Wenn ich gefragt werde, was ich mache, habe ich manchmal ein Problem, darauf eine passende Antwort zu finden. Ich antworte zum Beispiel: Mein Hauptberuf ist Sopranistin. Meinen Lebensunterhalt verdiene ich mir zur Zeit mit meiner Tätigkeit als Moderatorin des ZDF-Morgenmagazins. Wenn ich Zeit dafür habe, schreibe ich oder mache Performances und noch vieles mehr...
Außerdem arbeite ich auch als Schauspielerin. Leider trauen sich die DrehbuchautorInnen noch nicht, Hauptrollen mit asiatischen Figuren zu besetzen. Daher bleibt es bei Nebenrollen, die dazu noch voller Klischees stecken. Von den entsprechenden geringen Gagen kann man seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten. Mein Hauptberuf, der mich ernährt, ist jedes Jahr unterschiedlich. Ich habe auch schon als Malerin gearbeitet...
AVIVA-Berlin: Zeit ist im Buch immer wieder ein zentrales Thema. Deshalb meine zweite Frage: "Wie gehen Sie mit Ihrer Zeit um? Sind Sie vor oder hinter der Zeit?"
Moon Suk: On time zu sein, darum bemühe ich mich. Nicht before time, sondern on time zu sein. Das ist mir wichtig.
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copyright: Sharon Adler |
AVIVA-Berlin: Die dritte Frage, die ich direkt Ihrem Buch entnommen habe: "Ich denke, wer in der Zeit ist, ist eine sehr disziplinierte Person. Sind Sie das?"Moon Suk: Ich bin spontan, intuitiv und sehr emotional. Deswegen muss ich auch diszipliniert sein. Wie sagt man: Leidenschaft ohne Disziplin ist Müll. In England gibt es ja auch das Sprichwort: Passion without discipline is rubbish. Ich finde leidenschaftliche Leute brauchen absolut und unbedingt Disziplin.
AVIVA-Berlin: AsiatInnen gelten als ausgesprochen pünktlich? Ärgern Sie sich, wenn Leute zu spät kommen? Moon Suk: Nein. Aber ich verliere immer mehr die Geduld mit Menschen, die nicht gut mit der Zeit umgehen. Leute, die hinter der Zeit sind, haben schon eine Macke. Ich habe auch eine Macke, weil ich viel zu früh da bin. Aber ich denke, lieber früher als später...
AVIVA-Berlin: Waren Sie heute auch 15 Minuten vor unserem Interviewtermin hier?Moon Suk: 10 Minuten vorher!
AVIVA-Berlin: Sie sind ein Mensch mit Visionen. Wie wichtig ist es Ihnen, diese auch zu realisieren? Moon Suk: Ich finde es frustrierend und langweilig, wenn man träumt und das nur im Kopf passiert. Ich muss meine Ideen möglichst schnell in meinem realen Leben schmecken. Wer Visionen hat, muss auch realistisch und pragmatisch sein. Ich bin sehr pragmatisch.
AVIVA-Berlin: Kommen Sie noch zum Lesen? Moon Suk: Im Moment lese ich mein Buch. Ich lese in der U-Bahn immer mal ein Kapitel.
AVIVA-Berlin: Haben Sie Kinder? Moon Suk: Ja, zwei Jungen, der eine ist elf und der andere acht Jahre alt.
AVIVA-Berlin: Was unterscheidet die Künstlerin Moon Suk von der Frau Moon Suk oder von der Mutter Moon Suk? Moon Suk: Es gibt kaum Unterschiede, ich bin alles gleichzeitig. Wenn ich in der Küche für die Kinder koche, plane ich meine nächsten Projekte oder lasse auch Worte für einen Text durch meinen Kopf gehen. Wenn ich singe, singe ich nicht nur über meine Stimme, sondern als ganze Person mit all meinen Erlebnissen, Emotionen und Gedanken. Das ist auch beim Schauspielern so.
AVIVA-Berlin: Für uns Europäerinnen scheinen AsiatInnen durch nichts zu erschüttern zu sein. Gibt es etwas, wo Sie so richtig aus der Haut fahren können? Moon Suk: Es gibt immer Gegensätze, Kontraste. Wenn ein Mensch eine strahlende Seite hat, dann hat er auch genauso eine dunkle Seite. Ich habe eine fröhliche Seite, aber wenn ich traurig bin, dann versinke ich richtig. Ich habe extreme Seiten.
AVIVA-Berlin: Die dunkle Seite ist aber eher eine traurige und keine aggressive, oder? Moon Suk: Ich bin auch sehr aggressiv. Alle Leidenschaften sind aggressiv. Ich setze meine Aggression in verschiedenen Kunstformen um, zum Beispiel im Singen oder Schreiben. Ich verwandle diese Energien. Eine leidenschaftliche Person braucht Disziplin. Wer ohne Disziplin sehr leidenschaftlich lebt, geht kaputt. Kierkegaard sagt:
"Die Verzweiflung ist schlimmer als tot zu sein." Das ist meine Interpretation von ihm. Diese Verzweiflung führt ja im Grunde zum Tod.
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copyright: Sharon Adler |
AVIVA-Berlin: Wie ist denn die Idee zu Ihrem herrlichen Buch entstanden? Moon Suk: Ich habe 2002 mein erstes Buch "Moon like Moon" verwirklicht. An dem Gedichtband haben 15 KünstlerInnen teilgenommen. Obwohl ich schon viele Lesungen gemacht hatte, hatte ich noch keinen Verlag. Man muss ja sozusagen erst einen Beweis haben, dass man etwas kann, bevor ein Verlag einem etwas zutraut. Deswegen kam ich auf die Idee, mein erstes Buch selbst zu finanzieren. Ich habe Gedichte geschrieben und dann KünstlerInnen und DesignerInnen angeboten, dass sie die Texte als Vorlage für eigene Gestaltungen nehmen. Daraus entstanden 1.000 Postkarten von denen ich 500 behalten und mein kleines Buchexperiment habe binden lassen. Die anderen 500 Postkarten funktionierten für die KünstlerInnen als Visitenkarten.
Mein zweites Buch sollte dann eine Schauspieler- oder Fotografieedition werden. Ich dachte auch an Pseudo-VIPs. Eine VIP-Edition konnte ich mir auch vorstellen. Es gibt ja in Berlin lustige Leute wie den Herrn Figaro. Wie heißt der noch mal?
AVIVA-Berlin: Äh... Udo Waltz? Moon Suk: Ja, genau...
AVIVA-Berlin: Wie war es für Sie als das Buch plötzlich da war und nicht mehr nur ein Projekt oder eine Idee? Bei der Buchpremiere sagten Sie, es ist auch wie ein Kind, das geboren worden ist. Moon Suk: Als ich es mit der Post bekommen habe, hat es eine Woche gedauert bis ich darin geblättert habe. Dann habe ich vorsichtig begonnen, darin zu lesen und gedacht: Oh, es liest sich nicht schlecht. Wenn ich auf der Bühne singe, dann weiß ich, ob es gut gelaufen ist oder nicht. Aber mit dem Buch war ich mir nicht so ganz sicher. Ich habe aber positives Feedback erhalten, sowohl von Bekannten und FreundInnen als auch von meiner Lektorin.
Wenn ich mit der U-Bahn hin und her fahre, dann lese ich darin. Eine Fahrt - ein Kapitel. Es langweilt mich nicht...
(lacht)AVIVA-Berlin: Schreiben Sie täglich? Moon Suk: Wenn ich den Drang dazu habe, dann muss ich das, was mir durch den Kopf geht, sofort aufschreiben. Wenn ich mich zwingen muss zu schreiben, dann wird es eher zäh. Was ich zäh geschrieben habe, das liest sich dann auch zäh.
Ab Februar habe ich außerdem eine eigene Kolumne im Radio. Jeden Montag zwei Minuten. Wir haben schon drei Geschichten vorproduziert. Der Chefredakteur schmunzelte die ganze Zeit.
AVIVA-Berlin: Wo läuft die Kolumne denn? Moon Suk: Auf RBB, Radio Multi Kulti, Norddeutschland. Ich integriere in die Texte meine Gedichte. Es sind kurze lustige Kolumnen. Ich frage: Habt Ihr gut geschlafen? Wie soll ich euch begrüßen? Gute Nacht? Guten Morgen? Oder Mahlzeit? Ich bringe meine Perspektive von außen, als Koreanerin ein: Ihr denkt, in Asien tragen die Menschen Ruhe in sich, aber ihr irrt euch. Deutschland ist für mich ein Geisterland, weil es so still und ruhig ist. Und jetzt hört ihr bitte meinem Gedicht über die Ruhe zu... Ungefähr so läuft diese Sendung.
AVIVA-Berlin: Sie haben sich zur Königin von Berlin gekrönt... Moon Suk: Ja, das stimmt, das war im September 2003 oder 2004. Mir war es wichtig, mich als Dichterin zu präsentieren. Und ich habe darüber nachgedacht, wie ich ZuhörerInnen gewinnen kann.
"Moon Suk liest ihre Gedichte" lockt niemanden zu einer Lesung. Deshalb habe ich mich gekrönt.
"Queen von Berlin, Moon Suk, hält Hof" hört sich schon ganz anders an. Nach zwei, drei Monaten fiel mir dann auf, dass ich noch gar keine Untertanen hatte, also habe ich Leute angesprochen, wenn ich unterwegs war. Meine Monarchie besteht jetzt aus ungefähr 22 Leuten - Anwälte, Pop-Manager, Künstler, Schriftsteller, Journalisten, auch ein echter Prinz ist dabei, der der Zeremonienmeister ist. Die Leute haben alle Spaß.
AVIVA-Berlin: Sie haben eine Rolle in der Filmoper mit dem Titel "Kroll" übernommen. Bitte sagen Sie uns, worum es in diesem Projekt geht. Moon Suk: Als ich zugesagt habe, wusste ich noch nicht, dass die Rolle so groß ist, es ist eine der beiden Hauptrollen. Es gibt zwei Protagonisten. Einen Schauspieler und die fremde Sängerin, die ich spiele. Das Thema ist Gemeinschaft, Ideale und Visionen. Und es geht um die beiden Kräfte: Mann und Frau. Am Ende finden die beiden Hauptfiguren zueinander. Was sehr, sehr interessant ist.
Die Krolloper stand dort wo heute der Reichstag ist. Am Reichstag befand sich sgar noch lange der Schriftzug der Krolloper...
Am 3. Juli 2006 wird der Film "Kroll" vor dem Reichstag auf drei Leinwänden zu sehen sein. Ausserdem kostenlos.
AVIVA-Berlin: Vielen Dank für das Interview. Wir wünschen Ihnen alles Gute für Ihre weiteren Projekte!Moon Suk im Netz: www.moonsuk.de Moon Suk
Mond und Sterne
22 poetische Porträts mit Fotografien von Jim Rakete
Wunderlich Verlag, erschienen Januar 2006
Gebunden, 205 Seiten
ISBN: 3805208103
Preis 19,80 Euro90008115&artiId=3564668" target="_blank">bestellen