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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 21.03.2007


Hanne Hukkelberg im Interview
Tatjana Zilg

Ihre Musik erhält durch die Einbindung unterschiedlichster Geräusche und den Einsatz von ungewöhnlichen Instrumenten eine ganz besondere Note. In Berlin schrieb die Norwegerin ihr 2. Album




Die zierliche 28 jährige besuchte kurz vor dem Release von „Rykestrasse 68“ wieder die Stadt, die sie als inspirierende Umgebung für die kreative Songwriting-Phase erwählte.
AVIVA-Berlin traf sie zu einem Gespräch über die Zeit in Berlin, Komponieren, Songwriting und ihren Weg in die Profi-Musik.

AVIVA-Berlin: Ihr neues Album „Rykestrasse 68“ ist nach der Straße in Berlin benannt, in der Sie für ein halbes Jahr gewohnt haben.
Wie kam es, dass Sie eine Weile in Berlin gelebt haben?
Hanne Hukkelberg: Ich habe ein Stipendium vom norwegischen Staat erhalten. Aber die Entscheidung nach Berlin zu gehen, war davon unabhängig. Ich habe hier Freunde und wollte eine gute Zeit haben, während ich die Musik für mein zweites Album komponiere. Es war auch wichtig für mich, ein halbes Jahr Zeit dafür zu haben. Ich brauchte Zeit, um herauszufinden, was ich ausdrücken will.
Ich habe hier auch einige Geräusche und Töne aufgenommen. Diese habe ich dann an meinem Computer mit einer Sound-Edit-Software bearbeitet. Im Track „Berlin“ verwende ich beispielsweise Geräusche, die ich aus meinen Fenster von der Wohnung in der Rykestraße heraus aufgenommen habe. Die richtigen Instrumente wurden dann aber in Norwegen im Studio aufgenommen und mit den Tracks verflochten.

AVIVA-Berlin: Was hat Sie am meisten an Berlin beeindruckt?
Hanne Hukkelberg: Die vielen Kontraste in der Stadt - in der Architektur, in der Kunst oder auch unter den Menschen.

AVIVA-Berlin: Wie haben Sie die Musikszene von Berlin erlebt? Gibt es viele Unterschiede zur Norwegischen?
Hanne Hukkelberg: Das Umfeld in Norwegen ist sehr klein. Jeder kennt jeden. In Berlin hatte ich gar keine Zeit, alles kennen zu lernen. Ich hatte soviel zu tun, ich hatte gar nicht Zeit, die Musikszene in ihrer ganzen Tiefe zu erkunden.

AVIVA-Berlin: Wie würden Sie Ihre eigene Musik beschreiben? Wo sehen Sie Ihre eigenen Einflüsse?
Hanne Hukkelberg: Oh, ich denke, es ist schwer, die Musik zu beschreiben, weil ich ganz viele unterschiedliche Referenzen habe. Ich sehe meine Musik als sehr cineastisch an. Ich denke sehr in Bildern, wenn ich komponiere. Ich denke auch, dass mein Musik die Leute zu visuellem Denken inspiriert. –Gerade auch durch die Einbindung der vielen Alltagsgeräusche, wie zum Beispiel die Schreibmaschine in „The Northwind“.

AVIVA-Berlin: Wie ist das Video zu „A Cheater’s Armoury” entstanden? Sollte es die Bilder zu dem Song auf einer anderen Ebene verstärken?
Hanne Hukkelberg: Nein, ich sehe das Video als eigene Geschichte. Der Filmemacher Andreas Paleologos hat seine eigene Geschichte aus meinen Song entwickelt. Es gibt verschiedene Ebenen: Die Lyrik hat ihre eigene Geschichte, die Musik hat ihre eigene Geschichte. Ich sehe die Musik als Geschichte, die getrennt von der Lyrik gedacht werden kann. Wenn ich Musik anhöre, kann ich wählen zwischen der lyrischen Geschichte, die mit Worten erzählt wird, und meiner Eigenen, die in mir entsteht, wenn ich die Musik anhöre. Und bei dem Video ist es dann ein Film, der eine dritte Geschichte erzählt.
Er ist Animator bei MTV und hat die Zeichentrickfiguren alle allein entwickelt, es waren seine Ideen. Er ist sehr gut darin, sympathische, kleine Kreaturen zu entwickeln. Ich mag das Video sehr.

AVIVA-Berlin: Was inspiriert Sie zu Ihren Songtexten? Ihre eigene Biografie oder alltägliche Beobachtungen?
Hanne Hukkelberg: Als ich mein Debut „Little Things“ geschrieben habe, habe ich das gar nicht so reflektiert. Aber jetzt habe ich verschiedene Gedanken dazu. Jeder Song ist eine kleine Geschichte. Es ist mir wichtig, dass jeder Song ein Thema hat, das etwas ist, was außerhalb von mir passiert. Sie haben also nicht viel mit meiner Biographie oder meinem Tagebuch zu tun. Das ist mir sehr wichtig, dass sie nicht als zu privat oder sehr persönlich angesehen werden.
Meine Musik ist somit nicht von mir abhängig. Sie hat ein Eigenleben, ich kann ihr selbst einfach auch nur zuhören. Nicht ich bin das Kunstwerk, sondern die Musik. Es ist mein höchstes Ziel, dass die Musik unabhängig von meiner Person wahrgenommen wird. Ich denke, es ist insgesamt bei der Kunst so, dass es ein Qualitätsstempel ist, wenn die Person des Künstlers in den Hintergrund treten kann und das Kunstwerk aus sich selbst heraus wirkt. In der Popmusik präsentieren sich ja einige InterpretInnen so, als wären sie selbst das Kunstwerk, und nicht ihre Musik.

AVIVA-Berlin: Welche Atmosphäre suchen Sie auf, wenn Sie kreativ tätig werden möchten?
Hanne Hukkelberg: Es gibt keine spezielle Art, wie ich mich inspirieren lasse. Das ist für mich eine magische Komponente beim Musikmachen: Ich weiß nie vorher, wie es passieren wird. Ideal wäre es, einfach herumzugehen und zu warten, bis mir ein Song einfällt. Dazu habe ich natürlich nicht immer Zeit. So treibe ich es etwas voran, indem ich am Piano oder mit anderen Instrumenten improvisiere. Manchmal inspirieren mich auch Bücher oder Dinge, die ich um mich herum sehe, oder Themen, die ich mit anderen Leuten bespreche.

AVIVA-Berlin: Wie haben Sie zur Musik gefunden? War es schon immer Ihr Traum, Profi-Musikerin zu werden?
Hanne Hukkelberg: Meine Eltern sind beide MusikerInnen. Da war es ganz natürlich für mich, mit dem Singen und Instrumentespielen anzufangen.
Als ich mich für die High School beworben habe, wählte ich eine spezielle musikalische Ausrichtung, wie es sie in Norwegen gibt. Das führte mich ein in die Musikwelt. Danach schrieb ich mich an der Musikakademie ein. Als ich mein Studium abgeschlossen hatte, entschied ich mich, von der Musik zu leben. Das war zwar am Anfang etwas schwierig. Aber ich hatte da bereits einen Vertrag mit einem kleinen Label in Norwegen, bei dem ich heute noch bin.
Nebenher arbeite ich als Gesangslehrerin, dazu bin ich auch ausgebildet.

AVIVA-Berlin: Wie kam es, das Sie sich entschieden haben, als Solomusikerin zu arbeiten? Sie haben zuvor ja auch in einigen Bands mitgewirkt.
Hanne Hukkelberg: Ich komponierte schon immer meine eigene Musik und hatte schon eine Menge Songs geschrieben, als ich während meines Studiums Kare Christoffer Vestrheim traf. Zu dieser Zeit war er mein Dozent für ein Projekt. Da die technische Ausstattung an der Uni nicht besonders gut war, entschieden wir uns, stattdessen in seinem Studio zu arbeiten. Der Song, den ich bei ihm aufnahm, wurde richtig gut, dass er mich fragte, ob wir weiter zusammenzuarbeiten wollen. Er schlug vor, an einer Platte zu arbeiten und ich war natürlich begeistert. Er hat mich auf meinen weiteren Weg sehr unterstützt, zum Beispiel spielt er auch in meiner Band mit.

AVIVA-Berlin: Auf „Rykestrasse 68“ ist nur ein Song in Norwegisch. Das fand ich ein wenig schade, er klingt so geheimnisvoll.
Hanne Hukkelberg: Nun, wenn ich nur in Norwegisch schreiben würde, müsste ich vor allem für den norwegischen Markt produzieren und dort ein sehr bekannter Popstar werden. Das ist aber nicht das, was ich will. Um in anderen Ländern wahrgenommen zu werden, ist es nach wie vor wichtig, in Englisch zu singen. Es war aber keine bewusste Entscheidung.

AVIVA-Berlin: Es gibt aber schon MusikerInnen, die nicht in Englisch singen und über die Grenzen heraus erfolgreich sind, wie beispielsweise Kaisers Orchestra.
Hanne Hukkelberg: Ja, die Band ist mittlerweile sehr bekannt, aber das hat auch mit ihrer spektakulären Stage Show zu tun. Fast alle anderen SongwriterInnen übersetzen die meisten Songs ins Englische. Kari Rueslåtten hatte zu Beginn einige Songs in Norwegisch aufgenommen und ist damit auch in Deutschland bekannt geworden, wechselte dann aber zum Englischen.
Ich habe jeweils einen Song in Norwegisch auf meinen beiden Alben, denn ich will es auch nicht ganz beiseite lassen. Ich finde es wichtig, auch in Norwegisch zu singen.
Aber Englisch ist eine internationale Sprache - viele MusikerInnen schreiben spontan in Englisch. Als ich mit dem Songwriting begonnen habe, schrieb ich meine Texte in Englisch, ohne groß darüber nachzudenken. Irgendwann hielt ich dann später inne und fragte mich, warum ich dies tue und die Songs nicht in Norwegisch schreibe. Ich habe das dann ausprobiert, aber die norwegische Sprache ist im Klang eher schwierig, man müsste da auch ein extrem guter Lyrik-Dichter sein, um die Sprache gut klingen zu lassen. Schwedisch ist da ganz anders, norwegisch ist keine sehr poetische Sprache.
Und es ist mir am wichtigsten, dass die ZuhörerInnen verstehen, worüber ich singe – das ist der beste Weg, um meine Musik intensiv wirken zu lassen.

AVIVA-Berlin: Gibt es einen speziellen Grund dafür, dass Sie eine Cover- Version zu „Break My Body“ von der Berliner Band The Pixies für Ihr neues Album aufgenommen haben?
Hanne Hukkelberg: Ich bin ein großer Fan von den Pixies. Das ist der Hauptgrund, warum ich den Song ausgewählt habe. Für Cover-Versionen finde ich es wichtig, eine ganz neue Variante zu entwickeln, was uns gut gelungen ist.

AVIVA-Berlin: Wie setzen Sie Ihre Songs während der Konzerte um? Sie verwenden auf der CD ja sehr unterschiedliche Geräusche und vielseitige Instrumente.
Hanne Hukkelberg: Wir sind zu sechst auf der Bühne. Es wäre absolut unmöglich, jedes Geräusch, welches ich auf der CD verwende, in eine Live-Performance einzubinden. So müssen wir uns für die Sachen, die uns am wichtigsten sind, entscheiden. Es sind also zwei verschiedene Konzepte: Wie ich meine Songs auf der Bühne und wie ich sie auf der CD präsentiere.
Live ist es mehr akustisch, einige Songs sind aber auch elektronisch angelegt, da verwende ich dann Samples und ähnliches. Manche Songs werden ähnlich wie auf der CD klingen, andere sehr verschieden.

AVIVA-Berlin: Wie sehen Ihre Pläne für die nächste Zukunft aus?
Hanne Hukkelberg: Ich werde für drei Monate mit einer ausführlichen Europa-Tournee unterwegs sein durch Frankreich, Portugal, Deutschland, Österreich, Italien, Belgien, Niederlande, Schweiz, Slowakei, England, Spanien. Da freue mich schon sehr drauf und bin auch etwas aufgeregt. Das wird im April, Mai und Juni 2007 sein.

AVIVA-Berlin: Vielen Dank für das Interview!

Lesen Sie auch unsere Rezension zu „Rykestrasse 68“.


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Beitrag vom 21.03.2007

AVIVA-Redaktion