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Beitrag vom 24.10.2007
Polina Daschkowa - Der falsche Engel
Jana Muschick
Julia ist Schönheitschirurgin. Sie erhält einen Auftrag und weiß nicht, wie sie sich zu der geheimen Operation verhalten soll. Sie soll ein Gesicht und damit eine ganze Persönlichkeit ummodellieren
Stanislaw Gerassimow, genannt Stas, ist ein gut aussehender Unternehmer mit Hang zu Luxus und schönen Frauen. Er ist nicht fest gebunden, sondern wechselt zwischen den weiblichen Schönheiten wie es ihm beliebt. Als Stas eines Abends bei einer Liebhaberin ist, sieht er, dass sich fremde Männer an seinem Auto zu schaffen machen: Sie befestigen eine Bombe an dem teuren Wagen. Es scheint so, als wäre die Aktion absichtlich vor seinen Augen ausgeführt worden, um Stas zu zeigen, dass man ihn bedroht.
Julia Tichorezkaja ist allein erziehende Mutter und Schönheitschirurgin. Sie ist die Beste in ihrem Fach und arbeitet in einem seriösen Krankenhaus in Moskau. Schnell merkt frau, dass Julia in ihrem Beruf nicht nur eine Arbeit, sondern auch eine Lebensaufgabe sieht: Oft rät sie Frauen und Männern von Operationen ab, von denen sie ahnt, dass es ihren PatientInnen mehr Schaden als Nutzen bringen würde. Eines Tages erhält sie einen Auftrag von höchster militärischer Stelle: Julia soll das Gesicht eines Verwundeten aus dem Tschetschenienkrieg so verändern, dass der Mann Stansislaw Gerassimows Zwilling sein könnte. Widerwillig nimmt sie sich der Aufgabe an und vollendet sie nahezu perfekt…
Stas weiß nichts von seinem Doppelgänger, er ahnt nur, dass sein Vater, ein hoher militärischer Offizier, etwas "arrangiert", um ihn zu schützen. Schließlich musste Stas noch nie große Verantwortung auf sich nehmen. Überhaupt ist er ein äußerst egoistischer, liebloser Mann, der in allem nur seinen eigenen Vorteil zu finden sucht. Als ihn seine Eltern gegen seinen Willen auf Korfu festhalten, sieht er keine andere Möglichkeit, als aus dem Ferienhaus zu fliehen. Zurück in Moskau erfährt er, warum er gejagt wird und was die Reihe von Anschlägen, die auf ihn in der Zwischenzeit verübt worden, mit seiner Vergangenheit zu tun haben.
Der Kriminalroman spielt mit dieser Dreieckskonstellation zwischen Stanislaw, Julia und Sergej Loginow, Stas Doppelgänger. Die Leben der drei Figuren, die sich vorher nie begegnet sind, verweben sich in einander – sie hätten sich besser niemals kennen gelernt, denn so wären ihnen divese Unannehmlichkeiten erspart geblieben. Die einzelnen Stränge der Handlung sind gut auf einander abgestimmt. Polina Daschkowa gelingt es mit scharfem psychologischem Gespür, ihren Figuren Leben einzuhauchen.
Zur Autorin: Polina Daschkowa wurde 1960 in Moskau geboren und studierte am renommierten Gorki-Literaturinstitut. Sie arbeitete als Journalistin, Dolmetscherin und Übersetzerin, bevor sie selbst begann, Romane zu schreiben. Frau Daschkowa ist Russlands begehrteste Krimiautorin und ihre Romane wurden in viele Sprachen übersetzt, so auch "Lenas Flucht", ein Roman, in dem sie in deutlichen Worten ein dichtes Bild des modernen Russland zeichnet. Heute lebt sie mit ihrem Mann und ihren zwei Töchtern in Moskau.
AVIVA-Tipp: Ein gut recherchierter Roman, der vor allem dadurch an Qualität gewinnt, dass nicht auf Seite 1 ein Mord geschieht, dem man auf den Fersen bleiben muss. Dieser Krimi spielt mit der Erwartung, dass sich etwas Schlimmes ereignen wird – und genau das ist seine große Stärke. Frau liest weiter, gerade weil sie wissen will, was mit dem sympathischen Sergej und der interessanten Julia geschieht. An manchen Stellen blickt der Kitsch durch die Zeilen von Frau Daschkowa, doch im Großen ist es ein wunderbarer Krimi, der sich besonders gut eignet, die verregneten Herbsttage zu vergessen und sich in Moskaus Unterwelten zu stürzen.
Der falsche Engel
Polina Daschkowa
Originaltitel: Xerybum
Aus dem Russischen von Ganna-Maria Braungardt
ISBN: 978-3-351-03214-2
Aufbau Verlag, erschienen August 2007
425 Seiten, gebunden
19,95 Euro