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Beitrag vom 23.11.2011
Marianne Quoirin - Töchter des Terrors
Britta Meyer
Die Frauen der IRA sind und waren kein schmückendes Beiwerk, das einfach ihren jeweiligen Boyfriends in den bewaffneten Kampf gefolgt ist, sie stellten einen festen und aktiven Teil der IRA dar.
Zu Beginn der siebziger Jahre begann die Irish Republican Army damit, auch Frauen in ihre Reihen aufzunehmen. Marianne Quoirin hat in "Töchter des Terrors" einige ihrer Geschichten ausführlich aufbereitet, seien es die der als "Baily-Bombers" bekannten Schwestern Marian und Dolours Price, die durch rigorosen Hungerstreik gegen ihre Haft protestierten, oder das Leben von Maire Drumm, die mit ihren Reden wider die BesatzerInnen die irische Menge aufstachelte und von protestantischen TerroristInnen erschossen wurde. Aber nicht nur Frauen aus der irischen Arbeiterschicht, sondern auch privilegierte Protestantinnen, wie die Akademikerin Rose Dugdale und die Gräfin Constance Markievicz fanden ihren Weg in den Untergrund. Sie profitierten unter Anderem von dem gängigen Vorurteil, Frauen seien allenfalls als Kurierinnen, Kundschafterinnen und Lockvögel im Einsatz – in der Realität waren die besten ScharfschützInnen und SprengstoffexpertInnen der IRA weiblich. Eine Tatsache, die gerade in ihren eigenen Reihen gern heruntergespielt wird, denn Widerstandskämpferinnen, die sie sowohl an Kompetenz als auch an Fanatismus übertrafen, schadeten dem Ego so manches "Helden" der IRA.
Quoirin beschreibt die alltägliche Gewalt in Nordirland auf beiden Seiten: englische Soldaten, die Gummigeschosse auf irische Mütter und Kinder abfeuerten, willkürliche Massenverhaftungen und protestantische Gangs, die katholische Familien mit Molotowcocktails aus ihren Häusern vertrieben, stehen den nicht weniger brutalen Racheaktionen der IRA gegenüber. Die Gründe der IRA-Frauen, ein Leben auf der Flucht zu wählen, sind meist dieselben, wie die ihrer männlichen Mitstreiter, Perspektivlosigkeit und Nationalismus.
Dass das "Kapitel IRA" noch lange nicht abgeschlossen ist, zeigte sich erst vor Kurzem: die heute 57-jährige Marian Price sitzt derzeit in Untersuchungshaft. Ihr wird vorgeworfen, an der Ermordung zweier britischer Soldaten im Jahr 2009 beteiligt gewesen zu sein.
Zur Autorin: Marianne Quoirin, studierte in Köln zunächst Jura. Seit 1966 ist sie Redakteurin, hat aus den USA und über den Nordirland-Konflikt berichtet. Von 1982 bis 2009 war sie Chefreporterin beim "Kölner Stadtanzeiger", für den sie heute noch schreibt. Sie wurde mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Theodor-Wolff-Preis, dem Pressepreis der Deutschen Aidsstiftung und dem Pressepreis des Deutschen Anwaltvereins.
AVIVA-Tipp: Auch wenn es streckenweise schwer fällt, die reuelosen Statements von Menschen zu lesen, die Bomben gelegt und andere aus dem Hinterhalt erschossen haben, bleibt "Töchter des Terrors" (trotz des reißerischen Titels) ein lesenswertes Buch. Quoirin vermeidet jede Heroisierung und zeichnet die typische Karriere im bewaffneten Widerstand als bedrückend und perspektivlos, ein Leben, das unweigerlich ins Gefängnis oder zu einem gewaltsamen Tod führt. Für Männer und Frauen gleichermaßen.
Marianne Quoirin
Töchter des Terrors. Die Frauen der IRA
Rotbuch Verlag, erschienen am 15. August 2011
Gebunden mit Abbildungen, 256 Seiten
ISBN 978-3-86789-141-7
19,95,- Euro
www.rotbuch.de
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Die Journalistin