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Beitrag vom 31.07.2007
Psychosoziale Gewalt am Arbeitsplatz
Marietta Harder
Im Leistungskampf unter KollegInnen müssen einzelne weichen. Doch wann ist es Mobbing, was kann frau tun? Gabriele Haben und Anette Harms- Böttcher behandeln dies in "Mobbing - Frauen steigen aus".
Wer kennt das nicht: Eine unfreundliche Bemerkung des Chefs/der Chefin oder eine raue Kritik der KollegInnnen bezüglich der geleisteten Arbeit. In zahlreichen Büros spielen sich derartige Dinge ab und für viele ArbeitnehmerInnen sind gut gemeinte Kritiken hilfreich, ihre Leistung zu steigern. Doch dass aus harmlosen Sticheleien schnell bitterer Ernst und das tägliche Arbeiten zur unerträglichen Qual werden kann, zeigt unter anderem der "Mobbing-Report" (2002), laut dem 800.000 Menschen am Arbeitsplatz gemobbt werden. Ein Straftatbestand ist dies nicht, dennoch haben ArbeitgeberInnen die Pflicht, ihre Angestellten vor psychischer Belastung zu schützen und daher Mobbing zu verhindern. Hier greifen unter anderem die Artikel 1 und 2 des Grundgesetzes, sowie Verordnungen des Arbeitsschutzgesetzes. Und auch ArbeitnehmerInnen sind laut Gesetz nicht machtlos: Sie haben das Recht, die Unterlassung der gezielten Anfeindungen am Arbeitsplatz durchzusetzen und sich gegebenenfalls auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zu berufen. Dieses bietet Frauen seit August 2006 die Möglichkeit, gegen Mobbing vorzugehen, sofern sich daraus eine Benachteiligung für sie entwickelt.
Dass die Praxis hingegen anders aussieht und es in vielen Unternehmen zu psychischer Gewalt kommt, verdeutlichen die zahlreichen Situationsanalysen in dem 2007 erschienen Ratgeber von Gabriele Haben und Anette Harms- Böttcher. In ihrem Buch "Mobbing- Frauen steigen aus" beschäftigen sich die Autorinnen mit dem aktuellen Thema und geben Antworten auf die Frage, wie speziell frau mit dem Druck am Arbeitsplatz umgehen kann. Denn Frauen müssen sich nicht nur im Konkurrenzkampf behaupten, sondern sich oft auch mit Mobbing auseinandersetzen. So sind laut einer Studie des Jahres 2002 rund 13 Prozent von ihnen täglichen Angriffen am Arbeitsplatz ausgesetzt und geraten dadurch in eine unerträgliche Arbeitssituation. Es entwickelt sich für sie aus einem Konflikt die Mobbingsituation, eine bestimmte Person wird in die Opferrolle gedrängt und so lange angegriffen, bis sie schließlich aufgibt und freiwillig kündigt. "Ich begann zu sehen, aha, ich werde in einer Position festgehalten, weil die Gruppe diese Position offensichtlich braucht. Ich spürte diese Kräfte ganz massiv. " Wie Frauen jedoch diesen Kräften gegenüber treten und sich behaupten können, verdeutlichen die Autorinnen in ihrem "Erste- Hilfe- Paket", das zu selbstbestimmtem Handeln rät.
Nach einer fundierten Einführung in das Thema, die unter anderem Definitionen und Merkmale des schleichenden Prozesses "Mobbing" beinhaltet, stellen Haben und Harms- Böttcher Wege aus dem Kreislauf der Unterdrückung dar: Sie zeigen anhand zahlreicher Beispiele, was es heißt, gemobbt zu werden und welche Möglichkeiten es gibt, sich aus dem "Hamsterrad" zu befreien. Stets folgt auf die theoretische Darstellung eines Sachverhalts die Erläuterung durch ein Fallbeispiel , sodass nicht nur Fachbegriffe zu Beginn verständlich erläutert, sondern auch die Grenzen des Mobbing eindeutig aufgezeigt und erläutert werden. Die vorgestellten Frauentypen wählen jede für sich ihren Weg aus der Krise und begegnen dem psychischen Druck, der sich auch in körperlichen Beschwerden deutlich zeigt, auf unterschiedliche Art und Weise: Bettina Bleibtreu entscheidet sich beispielsweise dafür, durchzuhalten und gegen ihre Mobberin zu kämpfen, während die Beispielfigur Tanja Trenner einen Stellenwechsel anstrebt und ihrem Leben eine neue Wende gibt. Unterstrichen werden diese Figuren im Ratgeber durch Zitate von realen Mobbingopfern , die ihre persönlichen Gefühle und Erfahrungen zum Ausdruck bringen: "Und als ich ihn dann mit Unterschrift in Händen hielt (den Abwicklungsvertrag), das war irgendwie sehr befreiend. Jetzt habe ich drei Monate Zeit, in denen ich mich neu sortieren kann. Ich habe einen neue Stelle in Aussicht".
Außerdem bieten Haben und Harms- Böttcher neben Mentaltechniken zum Mutmachen auch Übungen zur Muskelentspannung an, mit der schwierige Situationen besser gemeistert werden können. Denn die Folgen der Unterdrückung werden mit Ende der Arbeitszeit nicht abgelegt, sondern sind den gesamten Tag über spürbar und bedeuten für die Opfer von Mobbing eine ständige Last.
Der Ratgeber macht nicht nur deutlich, dass von der psychischen Gewalt stets mehrere Personen betroffen sind, sondern lässt auch die Perspektive der aktiven MobberInnen zu und behandelt deren Motivation. Schließlich geben die AutorInnen Tipps für Vorgesetzte, wie mit dem Thema Mobbing umzugehen und sich effektiv einzumischen ist.
Zu den AutorInnen:
Gabriele Haben ist Kommunikationstrainerin und Mobbingberaterin. Zusammen mit der Diplom- Psychologin Anette Harms- Böttcher veröffentlichte sie bereits zwei Bücher zum Thema Mobbing ("Das Hamsterrad" 2000 und "In eigener Sache" 2002) und beide veranstalten außerdem regelmäßig Seminare und Coachings, in denen Mobbingopfern geholfen wird. Auch Kurse für Stressbewältigung gehören zu den Angeboten der AutorInnen. Weitere Informationen finden Sie unter:
www.harms-haben.de
AVIVA-Tipp: Zum einen bietet dieser neueste Ratgeber von Haben und Harms- Böttcher eine gute Möglichkeit zur Selbsthilfe und gibt nützliche Tipps zum Ausstieg aus dem "Hamsterrad" der psychischen Belastung. Die gewählten Beispielfiguren unterstreichen die vorgestellten Handlungsmuster und ermöglichen individuelle Lösungskonzepte. Zum anderen findet die Leserin hier Hintergrundinformationen und klare Definitionen zum viel diskutierten Thema Mobbing, von dem jede/r neunte Deutsche bereits betroffen war.
Lesen Sie zum Thema Mobbing auch unseren Beitrag von 2002, "Tuscheln und Tratschen oder böswilliges Mobbing?" der Autorin Meike Bölts.
Weitere Informationen zum Thema:
www.dgb.de: in der Rubrik "Themen"
www.wirkstoff.org: Beratung für Frauen in Berlin
www.mobbing-abwehr.de: bundesweite Mobbing-Beratung durch KLIMA e.V. (Hamburg)
www.mobbing-web.de/Merkblatt-Mobbing_am_Arbeitsplatz.pdf herausgegeben vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales
www.bmwi.de/BMWi/Navigation/root,did=20670.html Arbeitsrechtliche Fragen und Antworten zum Thema "Mobbing am Arbeitsplatz"
Mobbing
Gabriele Haben, Anette Harms-Böttcher
Frauen steigen aus. Durchhalten, Umgestalten, Stellenwechsel, Neuorientierung
Orlanda Frauenverlag, erschienen im Frühjahr 2007
ISBN: 3936937516
207 S. 21 cm, Kartoniert/Broschiert
14,90 Euro