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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 05.01.2008


Natascha Würzbach – Das grüne Sofa
Anna Tremper

"Die Geschichte einer Persönlichkeitsentwicklung und ein Stück deutscher Zeitgeschichte" – Natascha erzählt von ihrer Kindheit während der Kriegsjahre, von ihrer Familie und von ihrem großen Traum




Eine Literaturdozentin schreibt einen autobiographischen Roman – eine Theoretikerin wagt den Sprung in die Praxis. Nicht jede/r, der sich mit Literatur gut auskennt hat automatisch eine gute Schreibe. Im Gegenteil, häufig taugen die schreiberischen Talente der TheoretikerInnen eher für wissenschaftliche Abhandlungen, denn für Prosa. Sie sind zu durchdacht, zu durchstilisiert zu sehr an theoretischen Schablonen orientiert. Doch bei Natascha Würzbach ist das Unterfangen geglückt. Es ist ein gelungenes Stück Literatur entstanden.

Natascha wird 1933 geboren – im Jahr der Machtergreifung durch Hitler.
Ihre Kindheit ist von den Ängsten geprägt, die der Krieg mit sich bringt.
Ihre Eltern sind Künstler und etwas unkonventioneller als ihre Zeitgenossen. Als ihr Vater jüdischer Herkunft Berufsverbot bekommt, hat er Zeit, sich mehr um seine Tochter zu kümmern. Ihre Mutter ist Tänzerin, viel auf Reisen und wird von Natascha schmerzlich vermisst.

Durch ihren Vater entdeckt Natascha auch ihre große Leidenschaft, die sie schließlich ihr Leben lang begleiten soll – die Literatur. Die Liebe zum Geschriebenen durchzieht das Buch wie ein roter Faden. Wenn sich auch sonst viel in ihrem Leben wandelt, die Literatur bleibt eine Konstante. Ebenso, wie das grüne Sofa, auf dem sie sich immer wieder zum Lesen niederlässt; als Kind mit ihrem Vater, später alleine.

Sie entwickelt sich mehr und mehr zu einer Einzelgängerin, die sich ihren eigenen Weg erkämpft. Ihre Familie flieht aufs bayerische Land und das Geld ist immer knapp. Natascha lässt sich davon nicht entmutigen und verfolgt beharrlich ihr Ziel.

Natascha Würzbach erzählt sehr anschaulich und überraschend detailliert von ihrem ersten Lebensdrittel. Durch die genauen Beschreibungen der Orte, der Personen, der Ereignisse wird die Erzählung sehr bildhaft. Man hat das Gefühl, die vergangene Zeit mit ihr zu durchleben und man tut es gerne. Auch wenn das Leben im bayerischen Idyll nicht immer das einfachste ist. Aber mit ihrer frechen Art meistert sie die Widrigkeiten. Besonders eindringlich geschildert sind auch die Passagen, in denen sie ihre Flucht in das Alleinsein, in die Natur schildert. Ein Freigeist, der sich seine Freiheiten nimmt.

"Das grüne Sofa" hat einfach Charakter und wer von Chemieformeln als "Sprache einer geheimnisvollen Dynamik in der Materie" spricht, weiß einfach auch sprachlich zu begeistern. Eine interessante Wendung erfährt das Buch im Nachtrag. Natascha Würzbach erhält Informationen über ihren Vater, die ihn in einem völlig neuen Licht erscheinen lassen und ihn zu einer ambivalenten Figur in Bezug auf den Nationalsozialismus machen. Zudem erfährt sie so endlich, dass sie Jüdin ist.

Zur Autorin: Professor Dr. Natascha Würzbach wurde 1933 in München geboren. Sie studierte Germanistik, Anglistik, Philosophie und Geschichte in München, Freiburg, Edinburgh und London. Bis zu ihrer Pensionierung war sie Professorin für englische Literatur an der Universität Köln. 1987 begründete sie das internationale Projekt "Datenbank zur Frauen und Geschlechterforschung".

AVIVA-Tipp: Eine spannende Reise durch das Leben einer literaturbegeisterten, wissbegierigen Einzelgängerin. Ein Buch, das ganz ohne die große Romanze auskommt und schildert, wie das Leben trotz des Zweiten Weltkriegs weiterging und das Erlebte seine Spuren hinterließ.

Das grüne Sofa
Natascha Würzbach
Deutscher Taschenbuch Verlag, erschienen November 2007
349 Seiten, Taschenbuch
ISBN: 978-3-423-21043-0
9,95 Euro


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Beitrag vom 05.01.2008

AVIVA-Redaktion