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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 19.09.2008


Romy Schneider – ein bewegtes Leben in Bildern
Christiane Krämer

Zu ihrem 70. Geburtstag am 23. September 2008 erscheinen Biografien, Bildbände und Hörbücher, welche den Mythos der früh verstorbenen Schauspielerin nicht konservieren, sondern neue Leseweisen anbieten




Romy Schneider kam am 23. September 1938 als die Tochter des deutsch-österreichischen Schauspielerehepaares Magda Schneider und Wolf Albach-Retty in Wien zur Welt. Schon als junges Mädchen notierte sie:"Ich muss Schauspielerin werden, ich muss!" Mit gerade 17 Jahren avancierte Romy Schneider als "Sissi" zwei Jahre später zum Weltstar der Nachkriegsjahre. 1981, ein Jahr vor ihrem Tod, sagte sie: "Ich bin doch längst nicht mehr Sissi, ich war das auch nie. Ich bin eine unglückliche Frau von zweiundvierzig Jahren und heiße Romy Schneider".
Romy Schneider ist unvergessen, fasziniert als Schauspielerin und als lebenslang mit sich kämpfende Frau. Zu ihrem 70. Geburtstag stellt AVIVA-Berlin die wichtigsten Neuerscheinungen vor.


Ein Leben für den Film. Die Romy Schneider-Biografie von Günter Krenn

1953 betritt die Vierzehnjährige Romy Schneider die Welt des Films: "Das weitere Leben, so scheint es, findet im Kino, als Vorlage bzw. als Reflexion darauf statt", resümiert Günter Krenn und belichtet dieses Leben aus cinematografischer Perspektive.
So viele Rollen Romy Schneider auch gespielt hat, das stereotype Image der kindlich-naiven Kaiserin Sissi im Historienfilm Ernst Marischkas haftet bis heute an ihr. Nicht nur weil ihre Mutter und deren Lebensgefährte "Daddy" Blatzheim dieses zu vermarkten wussten, sondern weil Romy als Sissi so perfekt in die Verdrängungskultur der Nachkriegszeit und das reaktionäre Frauenbild der 50iger Jahre passte.

19jährig reißt Romy Schneider aus, versucht sich im Streifen "Halbzarte" als Femme Fatale und verlässt Deutschland 1958 in Richtung Paris, um mit ihrem Partner Alain Delon einen Neuanfang zu wagen – auf der Bühne und im Leben. Sie spielt Theater unter der Regie von Luchino Visconti, debütiert als Charakterdarstellerin und wird von den KritikerInnen bejubelt: "Im März 1961 wurde mein künstlerischer Ehrgeiz zum ersten Mal befriedigt". Romy Schneider wird zur französischen Filmikone und dreht weitere international erfolgreiche Filme, scheint alles erreicht zu haben.

"Im Leben bin ich eine ziemlich schlechte Schauspielerin"

Seit der Trennung von Alain Delon 1963 wird die Star-Persona zunehmend zur Projektionsfläche medialer Spekulationen über Affairen, Ehekrisen und Selbstzweifel. Romy Schneider zieht sich zurück und dreht weniger bedeutsame Filme. Nach einem Comeback in "Swimming Pool" mit Alain Delon 1969 und der erfolgreichen Zusammenarbeit mit Regisseur Claude Sautet, schimmert im dunklen Film "Nachtblende" von 1974 eine zunehmend einsame und verlorene Romy Schneider durch, die sich in tragische Rollen flüchtet. Der Tod ihres Sohnes David 1981, zunehmender Alkohol- und Medikamentenkonsum führen zum Herzversagen, Romy Schneider wird am 29. Mai 1982 tot in ihrer Pariser Wohnung aufgefunden.

AVIVA-Tipp: Der Biograf Günter Krenn nähert sich den bewegten Bildern der "letzten Diva" über die Betrachtung ihrer schauspielerischen Entwicklung in ihren wichtigsten Filmen und den damit verbundenen Stationen ihres Lebens. Die zahlreichen Tagebucheinträge, Zitate, Briefe und Interviews zeichnen ein vieldimensionales Bild einer starken und zugleich fragilen Persönlichkeit nach, ohne entblößen zu wollen. Das ist die Qualität des spannenden und umfangreichen Buches.

Zum Autor: Günter Krenn ist Wissenschaftler beim Filmarchiv Austria und hat zahlreiche Publikationen zum Film unter anderem über Billy Wilder, Louise Brooks und Walter Reisch geschrieben.

Romy Schneider
Die Biografie
Günter Krenn

Gebunden, 415 Seiten
Aufbau-Verlag, erschienen Mai 2008
ISBN 978-3-351-02662-2
24,95 Euro


Ein Leben in Bildern

Von kaum einer Schauspielerin existieren so viele unterschiedliche und widersprüchliche Aufnahmen wie von Romy Schneider. Jede der im Sammelband abgelichteten Portraits fängt einen Moment, eine Pose ein, bewahrt die Person und kreiert die Ikone Romy Schneider. Zugleich berührt das Sujet Romy Schneider die BetrachterIn gerade durch ihre tragische Abwesenheit, aus der Entfernung und entzieht sich der Feststellung: "So ist sie gewesen."

So sitzt Romy Schneider 1954 als "Backfisch" in streng tailliertem Kleid mit Brosche und Pelzkragen im Atelier von Herbert List, stört die künstliche Studioatmosphäre durch ein spontanes Lächeln. Nur drei Jahre später fotografiert Max Scheler eine junge Frau in Venedig, die sich in der Stadt des Karnevals auf den nächsten Bildern als unbewegt strahlende und ausstaffierte Kaiserin Sissi entpuppt. Verwegen blickt sie dann in Spitzenwäsche als "Pupé" in "Boccaccio 70" in die Kamera, inszeniert sich als "Grand Dame" des Pariser Chic.
Unzählige Aufnahmen in den Straßen und Cafes Paris, der Stadt ihrer Freiheit, erzählen von einer anderen Frau, die zu frieren, zu schimpfen, zu fragen scheint. Ungeschminkt wirkt sie zerbrechlich, zugleich sinnlich, blickt ausdruckslos in die Kamera, scheint es leid zu sein, Masken aufzusetzen. "Ich werfe die Hüllen ab. Es ist allerhöchste Zeit, dass ich tue, was ich will und wie ich es will". Fast verschwimmen Romy Schneiders Gesichtszüge in F.C. Gundlachs Aufnahmen in Traurigkeit, welche die Schauspielerin immer wieder nachbestellte.

Doch dann kommt Farbe ins Spiel und der bis dahin männliche Blick wird durch eine weibliche Interpretation von Helga Kneidl des Jahres 1973 erhellt. Im durch Farbfilter weichgezeichneten Gesicht findet sie eine stolze Frau, die sich durchgesetzt hat in der Filmwelt und im Scheinwerferlicht. Und doch nicht verhärtet ist, träumt, mit einer Freundin sinniert, eine Brille trägt und Bücher kauft, lange Zigaretten raucht und Mutter ist - der kleine David spielt neben ihr auf dem Tisch mit seinem Auto. Ein einziges Foto zeigt Romy Schneider mit 65 Jahren als "Leni", es ist während der Filmaufnahmen zu "Gruppenbild mit Dame" entstanden. Robert Lebeck hat es aufgenommen, der 1981 die letzten Fotos von Romy Schneider entwickelte. Und doch scheint sie auf den Fotografien wieder in eine Rolle, in eine Pose geworfen, die nicht ihre eigene ist: Zeit, wie sie sagte, endlich ihr Leben zu leben, blieb nicht.

AVIVA-Tipp: Der Bildband fragt nicht, wer die Portraitierte war, sondern stellt ein Verhältnis zwischen dem Moment der Aufnahme, den FotografInnen und ihrem tausendfach abgebildeten Sujet her. Die vielen Gesichter faszinieren durch die Abwesenheit vom "Selbst", dessen sich die Betrachtete durch immer wiederkehrende Blicke in den Spiegel versichern will. "Die Erinnerung ist oft die Schönste" nähert sich in einer leichten und unabgeschlossenen Zusammenstellung der fortlaufenden Produktion von kunstvollen Erinnerungsbildern, die durch die Vergänglichkeit an Tiefe gewinnen.
Die zum Teil unveröffentlichten Aufnahmen stammen aus den Kameras von den neun international renommierten Fotografen Werner Bokelberg, Peter Brüchmann, Roger Fritz, F. C. Gundlach, Helga Kneidl, Robert Lebeck, Herbert List, Will McBride und Max Scheler. Einige trafen sie nur einmal, wie etwa Herbert List, andere begleiteten ihr ganzes Leben, wie Robert Lebeck.

Die Erinnerung ist oft das Schönste
Fotografische Porträts von Romy Schneider
Hrsg. und Vorwort von Beate Kemfert

Gebunden, 176 Seiten, 138 Abb.
Hatje Cantz Verlag, September 2008
ISBN 978-3-7757-2256-8
29,80 Euro


Katja Riemann trifft auf Schneider

In Thilo Wydra´s Romy Schneider Biografie, gelesen von Katja Riemann, tritt die Person Romy Schneider in den Vordergrund, von der der Autor annimmt, sie habe ihr Leben lang um Liebe und Anerkennung gekämpft. Schon die Schulzeit im Internat von 1949 bis 1953 ist für die junge Romy von Melancholie und Einsamkeit gekennzeichnet, die geschiedenen Eltern touren als SchauspielerInnen durch die Lande und bleiben unerreichbar.

Doch dann übernimmt Magda Schneider die Karriereplanung ihres talentierten Nachwuchses, ihre strenges Regime wird für Romy Glück und Gefängnis zugleich. "Statt einer Jugend" reist Romy als Sissi durch Europa, immer die Worte der Mutter im Ohr: "Jetzt lächeln!", dreht zwei weitere Sissi-Folgen, lehnt schließlich einen vierten Teil und eine Million Mark ab und brennt mit Alain Delon durch. Die medienwirksam inszenierte Verlobung, eine "Farce" wie Romy sagt, findet auf Druck der Mutter und des Stiefvaters statt.

Romy emanzipiert sich zwar von der Familie und dem Land, in dem sie zur "Sissi" gekrönt wurde, kann sich jedoch niemals von den Erwartungen und der Missgunst, die ihr die deutschen Boulevardblätter entgegen bringen, befreien. In Drohbriefen wird sie gar als "Landesverräterin" beschimpft. Auch die Sehnsucht nach der kleinbürgerlichen Familienharmonie kann die in der Filmwelt etablierte Frau nicht abschütteln und zieht sich in ihrer Ehe mit Harry Meyen als Hausfrau und Mutter des kleinen Sohnes David in die Villa im Grunewald zurück.

Ein Rollenwechsel, der nicht von Dauer sein wird, Romy Schneider beginnt in rasendem Tempo einen Film nach dem anderen zu drehen, der dominante Meyen verschwindet schließlich in der Bedeutungslosigkeit. 1971 engagiert sich Romy Schneider für die Frauenbewegung und das Recht auf Abtreibung und zeigt, dass sie sich endgültig von einem fremdbestimmten überholten Frauenbild entfernt hat. Aber auch die Ehe mit dem um elf Jahre jüngeren Dandy Daniel Biasini erfüllt Romy Schneider nicht, nur auf den letzten Fotos mit der gemeinsamen Tochter scheint sie entspannt und bei sich angekommen zu sein.

1982 wird Romy Schneider unter ihrem bürgerlichen Namen nahe des Ortes Saint-Germain-en-Laye beigesetzt. Alain Delon, der einzige Mann, dem sie zeitlebens vertraut hatte, macht seinen Abschiedsschmerz öffentlich und spricht von ihrem "gebrochenen Herzen", an dem sie verstorben sei.

AVIVA-Tipp: Katja Riemann vertieft sich mit dunkler Stimme in die Lebensgeschichte Romy Schneiders, die zu Beginn fremd betont erscheint und in der Auseinandersetzung näher rückt. Virtuos spricht die Romy Schneider verehrende Riemann, doch die verschiedensprachigen Namen und Drehorte, auch unzählige Jahreszahlen stören das konzentrierte Hören der gekürzten Version von Thilo Wydra nicht. Rätselhaft bleibt schließlich nur der Anspruch des Autors, pietätvoll mit diesem Leben umzugehen – werden doch Zitate aus Interviews mit dem "Stern" oder von Alain Delon missbilligt, dennoch aber mitgeliefert.

Romy Schneider
Thilo Wydra

Sprecherin: Katja Riemann
Hoffmann und Campe, erschienen September 2008
ASIN: 3455305776
14,99 Euro

Abspann:

Zahlreiche Veröffentlichungen versuchen auf ähnliche Weise Autorität über das "wahre Leben" der Romy Schneider zu erlangen, die sich nicht mehr zur Wehr setzen kann: Populärpsychologische Vermutungen über die fehlende Liebe in der Kindheit oder einen bestimmten Männertypus scheinen ebenso legitim, wie die Suche nach den familiären Mustern wie in Jürgen Trimborns Familienanalyse. Die Frage nach der Geschlechterrolle zwischen Beruf und Familie, Film und Leben hätte Alice Schwarzer in ihrer Biografie durchaus radikaler stellen können: denn die facettenreiche Romy Schneider entgeht zwischen "echtem Leben", Traum, leidenschaftlichem Spiel und Rolle jeglichen Wahrheitsansprüchen - alle Texte müssen daher als das erscheinen, was sie sind: als spannende Fiktionen.

Weitere Neuerscheinungen anlässlich des 70. Geburtstags von Romy Schneider:

Romy in Love: Die Liebe im Leben der Romy Schneider
Johannes Thiele

Gebunden, 160 Seiten
Thiele-Verlag, erschienen September 2008
ISBN: 978-3-85179-063-4
18 Euro

Ende einer Nacht. Die letzten Stunden von Romy Schneider
Olaf Kraemer

Gebunden, 187 Seiten
Blumenbar-Verlag, erschienen September 2008
ISBN 978-3-936738-42-1
17,90 Euro

Romy und ihre Familie
Jürgen Trimborn

Gebunden, 576 Seiten
Droemer/Knaur, erschienen Mai 2008
ISBN: 978-3426274514
19,95 Euro

Alice Schwarzer
Romy Schneider: Mythos und Leben

Neuauflage Broschiert, 265 Seiten
Kiepenheuer & Witsch, erschienen August 2008
ISBN-13: 978-3462040555
8,95 Euro

Michael Jürgs
Der Fall Romy Schneider: Eine Biographie

Broschiert, 343 Seiten
Neuausgabe von Ullstein Tb, erschienen August 2008
ISBN 978-3548372174
9,95 Euro


Literatur

Beitrag vom 19.09.2008

AVIVA-Redaktion