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Beitrag vom 26.10.2011
Ines de la Fressange mit Sophie Gachet - Pariser Chic. Der Style Guide
Nina Breher
Die berühmte Lagerfeld-Muse und Modedesignerin möchte zeigen, was frau braucht, um zu einer Pariserin zu werden. Französischkenntnisse sind nicht nötig, Kleidergröße 34 und Ehemann aber ein Muss.
In edlem Einband und angereichert mit kunstvollen Illustrationen möchte das Buch die Leserin auf eventuelle Parisbesuche vorbereiten und ihr gleichzeitig Ratschläge geben, wie sie sich ein bisschen Paris nach Hause holen kann. Beiläufig definiert sie, was eine Pariserin ist und wie diese zu sein hat – und bedient doch nur ein Klischee.
Die ´echte´ Pariserin ist de la Fressange zufolge reich, einkaufswütig, wohnt schick und sitzt gern Salatblätter kauend in ihrem Lieblingscafé. Eingebläut wird das den Leserinnen in mehreren Schritten. Im ersten Kapitel namens "Was trägt die Pariserin?" werden die Weichen gestellt: Schlecht angezogen geht nicht. Es folgt "Wie pflegt sich die Pariserin?" Fazit: Ungeschminkt geht auch nicht. "Chez moi" bespricht Wahl und Gestaltung der Residenz von Pariserinnen und solchen, die es gern wären: Unaufgeräumt geht nicht, bunte Blumensträuße schon gar nicht. Schlicht und durchgestylt muss es sein. Im selben Atemzug wird erläutert, wie frau sich entspannt, bevor geladene Gäste eintreffen. Der innovative Tipp: Die Kinder sollen damit beauftragt werden, den Tisch zu decken. Währenddessen kann die Gastgeberin nämlich ein Bad nehmen und sich schick machen, denn wir haben es ja schon gelernt: Schlecht angezogen und ungeschminkt geht gar nicht.
Einziger Lichtblick, der platten Normierungen entkommt, ist der letzte Teil von "Pariser Chic", in dem Ines de la Fressange ihren Blick auf Paris vorstellt. Hinweise auf abgelegene Museen, Boutiquen und Restaurants machen das Büchlein immerhin zu einem tauglichen Mini-Reiseführer. Eine kleine Durststrecke gibt es trotzdem – die Seiten, die sich dem Pariser "Familienspaß" widmen, konzentrieren sich allzu exzessiv auf das Einkleiden der Kleinsten in niedlichen DesignerInnenklamotten.
Die Autorin treibt es so weit, dass Leserinnen zunehmend Schauer über den Rücken laufen, wenn die Autorin beispielsweise schreibt: "Nur weil die Pariserin Größe 34 trägt (obwohl ich durchaus auch welche kenne, die 38 tragen!), überspringt sie wegen zwanghaften Shoppens keineswegs das Mittagessen. Ein leckerer Salat zwischendurch gehört einfach dazu!" Möchte dieses Buch witzig sein, misslingt dies vollkommen. Wer noch keine Essstörung hat, dem hilft es, sich eine zuzulegen. Soll ja unter Pariserinnen auch sehr angesagt sein.
Unverblümt wirft sie Frauen an den Kopf, für Männer nicht begehrenswert (es scheint das höchste Ziel allen Handelns zu sein) zu erscheinen, wenn sie nicht zu jeder Tages- und Nachtzeit einen Topf dezentes, natürliches Make-Up im Gesicht tragen. Im Knigge-Duktus wird geraten: "Schminken Sie sich jeden Tag, auch am Wochenende. Nur weil man zu Hause bleibt, muss man ja nicht hässlich aussehen." Wer keine Lust dazu hat, sich zu schminken, leidet der Autorin zufolge "unter einer Depression." Eine interessante These, die PsychologInnen zu neuer Kundschaft verhelfen könnte.
Auch zum Thema Pelz hat die Autorin etwas zu sagen. Dabei geht es ihr nicht um Tierschutz – nur Frauen ab 50 rät sie von dem Kleidungsstück ab: "Darin sieht man ganz schnell aus wie Cruella. Den Reichtum seines Mannes nach außen zu kehren, lässt einen unheimlich altern." Cruella De Vil, pelzaffine Bösewichtin aus dem Disney-Klassiker "101 Dalmatiner", erscheint uns beim Lesen als eine wünschenswerte Alternative zur hier entworfenen Pariserin. Immerhin war der Reichtum, den sie nach außen trug, ihr eigener, und mit ihrer halb weiß, halb schwarz gefärbten Frisur bewies sie durchaus Mut zum Stilbruch.
AVIVA-Fazit: Obwohl diese Wannabe-Modefibel mit tollen Zeichnungen versehen ist, hält sie statt Anregungen und Inspirationen überwiegend allseits Bekanntes bereit – das ´kleine Schwarze´ und der ´Boyfriend-Look´ sind auch außerhalb von Paris längst keine Neuheiten mehr. Darüber hinaus ist sie weniger Inspirationsquelle als Handlungsanweisung. Die von ihr deklarierte Schönheits- und Verhaltensnorm wird unter humoristischem Deckmantel als verachtenswert formuliert.
Zu den Autorinnen:
Ines de la Fressange, geboren 1957 in Gassin (Frankreich), wurde von Karl Lagerfeld als Topmodel für seine Chanel-Kollektionen entdeckt. Ihre Karriere auf den Laufstegen aller großen DesignerInnen machte sie in Frankreich zur Modeikone. Ihr Gesicht wurde Modell für die berühmte Büste der französischen Marianne. Heute berät sie wichtige Pariser Modefirmen wie Roger Vivier und nimmt als Kolumnistin in der ELLE Stellung zu Modethemen.
Sophie Gachet ist eine der einflussreichsten französischen Moderedakteurinnen. Seit Jahren bestimmt sie den Modeteil des wöchentlich erscheinenden Magazins ELLE.
Ines de la Fressange mit Sophie Gachet
Pariser Chic
Der Style Guide
Aus dem Englischen von Ursula Held und Elsbeth Ranke
Originaltitel: La Parisienne
Knesebeck Verlag, erschienen Oktober 2011
Gebunden, 240 Seiten
ISBN: 978-3-86873-369-419-5
24,95 Euro
Weitere Informationen finden Sie unter: www.knesebeck-verlag.de