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Beitrag vom 16.05.2012
Natalia Ginzburg - Eine Biographie von Maja Pflug
Sabine Grunwald
Hier wird nicht nur die im Jahr 1916 geborenen Dichterin, Schriftstellerin, Schauspielerin, Ãœbersetzerin und Politikerin als Mensch dargestellt, sondern auch das faschistische und intellektuelle...
... Italien ihrer Zeit.
Ginzburg wird 1916 als fünftes Kind von Lidia Tanzi in Palermo geboren. Ihre katholische Mutter liebt die Oper und das Theater, der Vater, Giuseppe Levi, stammt aus einer jüdischen Bankiersfamilie und ist Naturwissenschaftler. Als Natalia drei Jahre alt ist, erhält ihr Vater einen Ruf an die Universität in Turin. Natalie erinnert sich kaum an ihre Geburtsstadt, bildet sich aber ein, sich ebenso wie ihre Mutter und ihre Schwester zurückzusehnen, und macht aus dieser vermeintlichen Sehnsucht heraus ihr erstes Gedicht, einen Zweizeiler:
"Palermino, Palermino, bist viel schöner als Torino"
Die Machtübernahme Mussolinis 1922, entfacht in Natalias Elternhaus lebhafte politische Diskussionen: Levi verachtet das faschistische Regime und macht keinen Hehl aus seiner Abneigung. Die kleine Natalia versteht kaum die Gründe der lautstarken Auseinandersetzungen in ihrer Familie, aber mit sieben wird ihr erklärt, was Sozialismus heißt: Gleichheit der Güter und der Rechte für alle. Eine Doktrin, die dem Mädchen einleuchtend erscheint und ihr ganzes weiteres Leben beeinflussen wird.
Seit sie lesen kann, liebt sie Bücher. Täglich schreibt sie ein Gedicht und versteckt ihr Heft mit den Gedichten vor den Geschwistern, da sie deren Spott fürchtet. Mit acht Jahren verfasst sie ein Theaterstück "Dialogo" das die in der Familie üblichen Redewendungen festhält. Es wird eine frühe Vorstudie zu ihrem "Familienlexikon". Mit siebzehn schreibt sie ihre erste größere Erzählung, "Eine Abwesenheit". Sie lernt den sieben Jahre älteren Leone Ginzburg kennen, die beiden sind von nun an unzertrennlich. Leone ist es auch, der ihre zweite Erzählung, "Die Kinder", an die Zeitschrift "Solaria" schickt, wo diese veröffentlicht wird.
Natalia und Leon heiraten 1938, in diesem Jahr treten auch die Rassegesetze der FaschistInnen in Kraft und die beiden verlieren ihre Pässe. Im September 1941 entsteht Natalias erster Roman, "Die Straße in die Stadt", den sie unter dem Pseudonym Alessandra Tornimparte veröffentlicht. Nach dem Sturz Mussolinis fährt Leone nach Rom und übernimmt die Leitung des Einaudi-Verlags. Die Verbindung zu Leone reißt ab und erst am 20. Oktober erhält sie einen Brief von ihm, in dem er Natalia beschwört, Pizolli zu verlassen, da die deutschen Soldaten mit Hilfe der faschistischen Polizei Jagd auf Jüdinnen und Juden macht. Natalia gelingt es, zusammen mit den Kindern nach Rom zu reisen und ihren Mann wieder zu treffen, doch nur zwanzig Tage später wird Leon verhaftet, sie sollten sich nie wieder sehen, er stirbt am 1944 an den Folgen der Folter.
In dem Essay "Mein Beruf", hält Ginzburg ihr Verhältnis zum Schreiben fest:
"Mein Beruf ist das Schreiben, das weiß ich genau und seit langer Zeit. (...) Wenn ich irgend etwas anderes tue leide ich. (...) Wenn ich dagegen Geschichten schreibe, fühle ich mich zu Hause. Ich könnte mir mein Leben ohne diesen Beruf gar nicht vorstellen."
Im Frühjahr 1964 spielt Ginzburg die Rolle der Maria Magdalena in Pier Paolo Pasolinis Film "Das erste Evangelium Matthäus". Sie fürchtet die Langeweile des Alterns, die Versteinerung und das Aufhören des Staunens. Mit Zeitungsartikeln mischt sie sich immer nachdrücklicher ins öffentliche Leben ein. In der Frage der Frauenbewegung ist sie gegen jegliche Ideologie, teilt aber die praktischen Forderungen und setzt sich ab 1975 für die Legalisierung der Abtreibung ein. 1983 wird die Schriftstellerin als unabhängige Linke ins Parlament gewählt. Als Abgeordnete beschäftigt sie sich mit Frauenfragen, dem Adoptionsrecht und engagiert sich für Abrüstung und soziale Gerechtigkeit.
Die frühen Morgenstunden gehören weiterhin dem Schreiben und 1984 erscheint ihr Briefroman "Die Stadt und das Haus", in dem sie der römischen Bourgeoisie den Spiegel vorhält. Im Winter 1990 wird ein krebsbedingtes Magengeschwür diagnostiziert an dessen Folgen sie am 8. Oktober 1991 stirbt.
Zur Autorin: Maja Pflug wurde 1946 in Bad Kissingen geboren und in München, Florenz und London zur Übersetzerin ausgebildet. 1987 erhielt sie den Premio Montecchio und 2011 dem Deutsch-Italienischen Übersetzerpreis für ihr Lebenswerk. Maja Pflug lebt in München und Italien. (Verlagsinformationen)
AVIVA-Tipp: Die spannende Lebensgeschichte einer großartigen Frau, die bereits seit ihrer frühen Kindheit wusste, dass das Schreiben ihre Passion ist. Eingebettet in die politischen und gesellschaftlichen Strömungen des Faschismus` und seiner Folgen macht Pflug die Lesenden mit Natalia Ginzburg, ihrer Familie und den intellektuellen Größen ihrer Zeit bekannt.
Natalia Ginzburg - Eine Biographie
Maja Pflug
Verlag Klaus Wagenbach, erschienen im September 2011
192 Seiten, broschiert
ISBN 978-3-8031-2674-0
12,90,- Euro
www.wagenbach.de
Weitere Informationen zu finden Sie unter:
www.fembio.org