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Beitrag vom 18.05.2012
Frauen. Picasso, Beckmann, de Kooning
Dana Strohscheer
Dieser Bildband, herausgegeben von Carla Schulz-Hoffmann, Bayrische Staatsgemäldesammlungen, versammelt Frauenportraits von drei Ausnahmekünstlern des 20. Jahrhunderts. Mal frei und stolz, mal ...
... traurig und in sich gekehrt sind sie Gegenentwürfe zu Selbstportraits der Künstler, Ausdruck gesellschaftlicher und persönlicher Veränderungen oder zeigen eigenständige künstlerische Ausdrucksformen. So unterschiedlich die Kunstwerke in ihrer Vielfalt sind, zeugen sie von der Faszination der Maler für ihre Musen und Geliebten.
Facettenreiche Weiblichkeit
Die Betrachtenden blicken auf de Koonings fröhlich-bunte Farbwelten der "Woman in a Garden" (1971), in denen schemenhaft die Konturen einer Frau zu erkennen sind, nur um einigen Seiten später Picassos kubistisch entfremdeter "Frau im Lehnstuhl" (1927) zu begegnen, gefolgt von "Zwei Frauen" (1940) von Max Beckmann, die selbstbewusst und kritisch zugleich aussehen.
Die Kuratorin Carla Schulz-Hoffmann hat über neunzig Gemälde aus Museen und Privatsammlungen weltweit zusammen getragen. Es ist ihr Abschlusswerk, da sie nach 37 Jahren als stellvertretende Generaldirektorin der Bayrischen Staatsgemäldesammlungen und verantwortliche Konservatorin in den Ruhestand geht.
Ausschlaggebend für die Exposition war Schulz-Hoffmanns langjährige Auseinandersetzung mit den Werken des deutschen Malers Max Beckmann (1884-1950). Sie stellte dabei fest, dass dessen Selbstportraits im Gegensatz zu seinen Abbildungen von Frauen ganz anders komponiert sind. "Der Befreite" (1937) zeigt ihn, nachdem er nach Amsterdam geflüchtet war, um sich dem drohenden Malverbot und der Verfolgung in Deutschland zu entziehen. Auf dem Bild sprengt Beckmann zwar seine Ketten, jedoch zeugt es immer noch von großer Verzweiflung. So rückt Beckmann auf zahlreichen Selbstbildnissen persönliche und gesellschaftliche Ereignisse in den Vordergrund.
Im Gegensatz dazu wirken die Portraits seiner zweiten Ehefrau Mathilde von Kaulbach (genannt "Quappi") aus dieser Zeit wesentlich gefasster. "Quappi im rosa Jumper" (1932-34) oder "Ruhende Frau mit Nelken" (1940-42), zeigen eine lächelnde und elegante Frau, die unberührt von den politischen Geschehnissen um sie herum ist. So verhält es sich laut Schulz-Hoffmann mit allen Frauenfiguren Beckmanns - sie strahlen innere Ruhe und Ausgewogenheit wie auch selbstverständliche Stärke aus. Damit werden die Frauen zu einem freien und unabhängigen Gegenbild zu Beckmanns eigener Gefühlswelt.
Spiegelbild und Katalysator – Picassos Frauenportraits
Pablo Picassos (1881-1973) Frauenbildnisse machen einen Großteil seines Œvres aus und dienen ihm als Reflexionsfläche, Selbstportraits des Künstlers sind die Ausnahme. Picassos Frauen sind verzweifelt und ängstlich, aber auch fröhlich und autonom. Sie zeichnen ein eigenes Stück Zeitgeschichte nach, wobei er auch immer wieder persönliche Erlebnisse verarbeitet. Das letzte Bild seiner ersten Frau Olga (1923) nimmt gleichsam das bevorstehende Beziehungsende vorweg, strahlt Trauer, Melancholie und Würde zugleich aus.
Dora Maar, die während des spanischen Bürgerkrieges zu einer der wichtigsten Bezugspersonen Picassos wurde, inspirierte ihn dazu, die Schrecknisse der Zeit zu verarbeiten. Sie wurde zum Vorbild für eine Reihe von Werken über den Krieg wie "Die Weinende Frau" oder auch "Die Frau mit Artischocke" (1941), das als Allegorie auf den Tod und Zerstörung gelesen werden kann.
Eines seiner späteren Werke hingegen, "La pisseuse" (1965), zeugt von Selbstbewusstsein und Lebensfreude, im Angesicht der Emanzipationsbewegung Europa und Amerika.
Farbwelten bezaubern
Als Dritter im Bunde, eine Generation jünger und stark beeinflusst von Picasso, ist der amerikanische Maler Willem de Kooning (1904-1997) vertreten. Seine Frauendarstellungen sind farbenfroh und mit exzessiver Pinselführung gemalt, so besonders "Woman V" (1952/53). Diese Unabhängigkeit seiner Frauenbilder unterlief zur Entstehungszeit, den 1950er Jahren, das in Amerika gängige Schönheitsideal á la Doris Day, was de Kooning von Seiten der Kunstkritik den Vorwurf eines "Frauenhassers" einbrachte, da seine Frauenfiguren eher Farbwelten sind. Gerade in Wechselwirkung mit den Gemälden Beckmanns und Picassos, lassen sie losgelöste, schemenhafte Figuren erkennen, die eher für Innen- als Außenwelten stehen. Ihm geht es um eine "umfassende sinnliche Wahrnehmung, die im Kunstwerk keine kategorisierenden Unterschiede akzeptiert."
Frauen in Bildern – Bilder von Frauen
Analog zur Ausstellung, die bis zum 15. Juli 2012 in der Pinakothek der Moderne, Sammlung Moderne Kunst in München zu sehen war, ist der Katalog "Frauen" nicht zeitlich geordnet, sondern nach fünf verschiedenen Kapitel, die beispielsweise mit "Harmonie/ Ruhe/ Selbstvergessenheit" oder "Welt-Bild/ Zeit-Bild/ Selbst-Bild" betitelt sind.
Angereichert werden die einzelnen Themenbereiche im Katalog durch Aufsätze von AutorInnen und KünstlerInnen wie Siri Hustvedt , Feridun Zaimoglu oder Doris Dörrie. Während Hustvedt das Wirken der Gemälde auf sich selbst als Betrachterin beschreibt, geht Zaimoglu einen anderen Weg: In seiner Kurzgeschichte "Lidflattern" verschwimmen die Grenzen zwischen Künstler und Kunstwerk. Indem er sowohl die Werktitel als auch die abgebildeten Frauen von Beckmanns Kunstwerken in seine Erzählung einbindet, entführt er die Lesenden in die Welt der Bohème. Während der Lektüre erwachen die Porträtierten zum Leben wirken dabei vertraut und geheimnisvoll zugleich.
Im Gespräch mit Doris Dörrie geht Carla Schulz-Hoffmann der Frage nach, wie die Kunstwerke heutzutage durch junge Frauen rezipiert werden und welchen gesellschaftlichen Normen Frauen heutzutage durch Medien und Werbung ausgesetzt sind.
AVIVA-Tipp: Es fasziniert, die unterschiedlichen Frauenfiguren der drei berühmten Maler in einem Band versammelt zu sehen. Ihr Blick auf Weiblichkeit ist verführerisch, respektvoll, manchmal auch idealisierend. Beiträge wie die Erzählung "Liderflattern" von Feridun Zaimoglu oder ein Interview mit Doris Dörrie (ver-)führen zu einer intensiveren Beschäftigung mit einzelnen Kunstwerken. "Frauen" überrascht mit einem neuen Blick auf bekannte Werke durch seine Intensität und die Zwiesprache, die die Portraits untereinander eingehen.
Frauen. Picasso, Beckmann, de Kooning
Herausgegeben von Bayrische Staatsgemäldesammlungen, Carla Schulz-Hoffmann
Mit einem Vorwort von Klaus Schrenk.
Hatje Cantz Verlag, erschienen 2012
348 Seiten, 169 Abbildungen, davon 154 farbig, gebunden mit Schutzumschlag
24,50 x 30,50 cm
ISBN 978-3-7757-3266-6
Euro 49,80
Weitere Informationen finden Sie unter:
www.hatjecantz.de
Weiterlesen
Brigitte Léal u.a.: The Ultimate Picasso. New York 2000. ISBN 978-0810939400.
Mathilde Q. Beckmann: Mein Leben mit Max Beckmann. München und Zürich 1983. ISBN 978-0810939400
Sally Yard: Willem de Kooning. Works, Writings and Interviews. Barcelona 2007. ISBN 978-8434311381
Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:
Mary Ann Cass - Pablo Picasso. Ein Porträt.
Maria L. Blendel - Die Macht der Frau. Rubens` letztes Modell Helene Fourment
Laure Adler, Elisa Lécosse: Endlose Liebe - Leidenschaftliche Liebe in der Kunst von Tizian bis Warhol
(Quelle: Hatje Cantz)