Louise de Vilmorin - Madame de - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Literatur



AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 13.06.2012


Louise de Vilmorin - Madame de
Ulrike Wagener

Anlässlich des 110. Geburtstags der französischen Autorin erschien ihr bekanntestes Werk in der deutschen Übersetzung von Patricia Klobusiczky. Madame de, eine obskure Liebesgeschichte innerhalb...




...der gesellschaftlichen Strukturen des französischen Adels.

Nachdem 2010 bereits "Julietta" dank der brillanten Übersetzung ebenfalls von Patricia Klobusiczky wiederentdeckt wurde, erschien jüngst die wohl bekannteste Erzählung Louise de Vilmorins, "Madame De".

"Quer durch alle Zeitalter verleiht die Liebe den Ereignissen, die sie berührt, unmittelbare Gegenwart."

Mit diesen Worten beginnt Louise de Vilmorin ihren berühmten Roman "Madame de". Ihre einfache und etwas altmodische, dochsehr poetische Sprache zieht die LeserInnen schnell in ihren Bann. Schon der Titel lässt vermuten, dass wir uns in den Kreisen befinden, denen auch die Autorin entstammt, dem Adel. Bis auf das bezeichnende "von" bleibt der Name von Madame de ungewiss. Madame und Monsieur de werden so austauschbar und können als bloße Verkörperung einer leicht karikierten und ironisierten Adelsehe gelten.

Falscher Stolz verleiten Madame de dazu, ihrem Mann stets eine falsche Auskunft über die Kosten ihrer Anschaffungen zu geben. Eines Tages ist sie hoch verschuldet und entschließt sich dazu, das Hochzeitsgeschenk ihres Mannes, herzförmige Ohrringe aus Brillanten zu verkaufen. Doch damit ist das Problem keinesfalls gelöst.
Louise de Vilmorin entwirft einen recht einfach gestrickten Handlungsstrang, der sich zu einer Odyssee der Ohrringe auswächst. Madame de verstrickt sich in Lügen über den Verbleib ihrer Ohrringe und versetzt ihren Gatten, dessen Juwelier ihn längst ins Vertrauen gezogen hat, in große Wut.

Die simplen Handlungsmuster verraten eine Menge über die Konventionen des Adels. Niemand traut sich, die eigene Meinung laut zu äußern. Der Schein muss gewahrt werden. Emotionen bleiben unter Verschluss.
Statt seine Frau zur Rechenschaft zu ziehen, pflegt Monsieur de seinen Zorn und schenkt die zurück erstandenen Ohrringe seiner Geliebten, die eine Reise nach Südamerika antritt. Auch diese Dame stürzt sich in Geldsorgen, verkauft die Brillanten in der Ferne, wo sie ein europäischer Botschafter auf dem Weg in die europäische Heimat entdeckt.

"Natürlich" ist dieser Botschafter Franzose, und da die Welt des Adels klein ist, lernt er bald Madame de kennen. Es beginnt eine subtile Liebesgeschichte voller Missverständnisse, Intrigen und verletzten Eitelkeiten. Denn wo eine Geliebte des Monsieur nicht der Rede wert ist, ist es gleichzeitig unmöglich, sich eine Liebesgeschichte der Madame de vorzustellen.

Diese Konventionen hinterfragt die Schriftstellerin auf unterhaltsame Art und Weise. Die aristokratische Ehe wird genauestens seziert und schlussendlich als gesellschaftlich akzeptiertes Konstrukt ohne jeglichen emotionalen Wert entlarvt. Anders als ihre Ehe lässt Madame de die Beziehung zu dem Botschafter in Jugendlichkeit erblühen. In seiner Abwesenheit fühlt sie sich vollkommen bedeutungslos. "Sie suchte nach dem Sinn ihres Lebens und fand in Gedanken nur ein Gesicht." Das Verhalten der sonst bedachten Madame de nimmt in ihrer Verliebtheit mädchenhafte, naive, fast alberne Züge an.

Als der Botschafter ihr die wohlbekannten Brillantherzen zum Geschenk überreicht, ist sie Tränen gerührt. "Das Glück schafft Unglück, indem es Ängste weckt", stellt der Botschafter in weiser Voraussicht fest. Als Madame de ihrem Mann erklärt, sie hätte die verloren geglaubten Ohrringe wiedergefunden, ist dieser über die erneute Lüge empört.
Die drei Figuren, geleitet von Emotionen in einer emotionslosen Welt, steuern ungebremst auf die Eskalation zu. Und so endet der Roman auch. Dramatisch.

AVIVA-Tipp: "Madame de" ist eine Liebesgeschichte voller Poesie, doch ohne jeden Kitsch. Mal sanft und anrührend, mal provokant und spitz versetzt Louise de Vilmorin ihre heutigen LeserInnen in die ferne Welt der französischen Aristokratie. Doch die Thematik und ihre sehr lyrische, blumige Sprache vermögen auch oder gerade heute noch zu bezaubern.

Zur Autorin: Louise Léveêcque de Vilmorin wurde am 4. April 1902 in Verrières-le-Buisson bei Paris geboren. Als Teil eines aristokratisch geprägten Umfelds gelang es ihr früh, sich als Frau und Künstlerin zu emanzipieren und im Stammschloss der Vilmorin führende KünstlerInnen ihrer Zeit zu versammeln. Während ihres Literaturstudiums begegnete sie Antoine de Saint-Exupéry und verlobte sich mit ihm. Ihr langjähriger Lebensgefährte André Malraux regte sie zum Schreiben an, und in der Folge entstanden nicht nur die Histoire d´aimer, sondern auch die Romane Julietta, La lettre dans un taxi und Les belles amours sowie mehrere Gedichtbände. Bekannt wurde sie vor allem mit ihrem Roman Madame de, 1953 von Max Ophuls verfilmt. Die Schriftstellerin starb am 26. Dezember 1969 in ihrem Geburtsort.

Zur Übersetzerin: Patricia Klobusiczky, geboren am 3. April 1968 in Berlin, studierte Literaturübersetzen an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf, arbeitet lange Jahre als Lektorin für den Rohwolt Verlag und ist seit 2006 freie Übersetzerin, Moderatorin und Lektorin.

(Quelle: Verlagsinformationen)

Louise de Vilmorin
Madame de

Aus dem Französischen neu übersetzt von Patricia Klobusiczky
Erschienen im Dörlemann Verlag, April 2012
Gebunden, 128 Seiten
ISBN 9783908777748
15,90 Euro

Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:

Louise de Vilmorin - Julietta






Literatur

Beitrag vom 13.06.2012

AVIVA-Redaktion