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Beitrag vom 09.07.2012
Beatriz Preciado - Pornotopia
Maria Mikityla
Der "Playboy" wurde Ende der 1950er Jahre von Hugh Hefner gegründet. Das Heft, das heute hauptsächlich Frauen als "Playmates" inszeniert, begann ursprünglich als neues Lebenskonzept für ...
... "den Mann von Welt". In "Pornotopia" wird dieses Konzept genauer untersucht. Die Intention der Autorin ist es, das Heft aus dem Fokus des Sexismus herauszuholen und auf einer ästhetischen und soziokulturellen Ebene zu betrachten.
Die spanische Philosophin und Queer-Theoretikerin Beatriz Preciado nimmt in "Pornotopia" die Konzepte des "Playboy" unter die architektonische und stilistische Lupe.
Ihr Ziel ist es, den "Playboy" nicht als Institution zu sehen, die Frauen ausbeutet und zu Objekten degradiert, vielmehr betrachtet sie das Heft auf einer rein philosophischen Ebene. Sie möchte zeigen, dass der Lebensentwurf von Hugh Hefner, der sich seit den 1950er Jahren mit Frauen in Hasenkostümen im Bett ablichten ließ, durchaus als queer betrachtet werden kann. Sie beschreibt diese Selbstdarstellung als völlig neuen Aspekt von Heterosexualität, der die damaligen Geschlechterbilder völlig neu konzipierte. Auf dieser Basis lässt sie die Lesenden ZeugInnen der Entstehungsgeschichte des Playboy werden und führt auf eine stilistische und soziokulturelle Reise durch die Zeit.
Die Erfindung des "Playboy" bedeutete für das prüde Amerika der 1950er Jahre einen drastischen mentalen Einschnitt: Die permanente Inszenierung des Mannes in Bademantel und Pfeife bewirkte eine plötzliche Emanzipation des Mannes als Junggeselle. Dieses Bild grenzte sich unmissverständlich von dem Ideal des glücklichen und arbeitsamen Familienvaters der Eisenhower-Ära ab. Dem Mann wurde erstmals zugesprochen, seine Freiheit zu genießen und auch im räumlichen Sinne unabhängig zu sein.
Was Viele nicht wissen: Der Playboy stellte neben viel weiblicher nackter Haut außerdem zahlreiche Hochglanzfotos von Designobjekten in sein Heft. So gab es neben dem klassischen Pin up-Mädchen eben auch ein Pin up-Apartment. Es wurden Lobgesänge auf Charles und Ray Eames, Mies van der Rohe, Eero Saarinen abgedruckt und das Penthouse wurde zum Kultobjekt des stilsicheren Lebemannes. Gleichzeitig sorgten die dürftig angezogenen Frauen dafür, dass der geneigte Leser sich vom Verdacht befreien konnte, homosexuell zu sein. Sich als glücklicher Junggeselle für Design zu interessieren, konnte in den 1950er Jahren diesen Rückschluss zulassen. Damit hatte der "Playboy" für unverheiratete Männer (auch) eine "Alibi-Funktion" - der Zwang, verheiratet zu sein und sich in einer gemütlichen Vorstadt-Idylle einzurichten, wurde langsam umgekehrt. Es entwickelte sich der Trend, in die Großstadt zu ziehen und dort Teil der kulturellen Entwicklungen und Veränderungen zu sein. Der "Playboy" war, laut Preciado, die erste Institution, die auch Männlichkeit im privaten Wohnraum inszenierte.
Zeitgleich artikulierten sich Forderungen nach der Gleichberechtigung der Frauen, die sich ebenfalls von den Zwängen der ehelichen Moral befreien wollten und den häuslichen Raum als alleiniges weibliches Betätigungsfeld in Frage stellten.
Dass damals sowohl männliche, als auch weibliche Emanzipationsbestrebungen zwei Seiten derselben Medaille waren, wird nachvollziehbar im Buch dargestellt. Die Playboybewegung verfolgte zwar den ursprünglichen Plan, auch Frauen als zahlende Konsumentinnen am ständig verfügbaren käuflichen Sex teilhaben zu lassen, allerdings mündete diese Idee lediglich in einer einseitigen Sexualkontrolle. Die bis heute regelmäßig aufgefrischten jungen Mädchen in der Playboy Mansion sind nun keine freigeistigen Hippies mehr, sondern gleichen eine wie die andere dem künstlichen Vorbild Pamela Andersons. Diese synthetische Austauschbarkeit der Frauen setzt sich bis heute unter anderem in Musikvideos und in der Pornoindustrie fort. Diese klare Aufteilung von Mann als Konsument und Frau als Konsumierbare ist das völlige Gegenteil von dem eigentlichen Ziel einer Gleichberechtigung. Diese Sichtweise wird in "Pornotopia" leider nur angedeutet.
"Pornotopia" entwirft viele spannende Aspekte und, indem es die Lesenden auffordert, den Playboy stilistisch und gesellschaftlich zu interpretieren, auch neue Betrachtungsweisen. Gleichzeitig irritiert Preciado jedoch damit, dass sie ethische Erwägungen kaum in Betracht zieht. Sie positioniert sich zwar zu Beginn des Buches, diese Perspektive bewusst außer Acht zu lassen, doch während des Lesens erscheint diese Haltung gewöhnungsbedürftig. So erwähnt sie suspekte Einrichtungen, wie das "Häschenhandbuch", in dem die korrekten Verhaltensregeln eines "Bunnys" festgelegt werden, völlig unkommentiert und lässt die Lesenden etwas ratlos zurück.
Die Playboy-Bewegung ist für die Autorin das männliche Gegenstück zur Emanzipationsbewegung der ersten und zweiten Welle. Dass diese männliche Befreiung jedoch mehr oder weniger auf dem Rücken der Frauen ausgetragen wird, bleibt im Buch beinahe unerwähnt.
Zur Autorin: Beatriz Preciado, geboren 1970 in Burgos, studierte Philosophie in Madrid, New York und promovierte 2005 in Princeton. Heute lehrt sie an der Université de Paris VIII. 2002 brachte sie das "Kontrasexuelle Manifest" heraus, das 2004 auf Deutsch im b-books Verlag, Berlin erschien. Mit diesem, in nur einem Jahr verfassten Werk, wurde sie zu einer der führenden Queer-Theoretikerinnen. Sie orientiert sich an der Schule von Judith Butler, Jaques Derrida und Michel Foucault und entwickelt genderkritische Konzepte, die sich jenseits der Oppositionen maskulin/feminin, heterosexuell/homosexuell bewegen.
AVIVA-Fazit: Preciado geht es, wie vielen Gender-kritischen WissenschaftlerInnen darum, Geschlecht als Kategorie in Frage zu stellen. Mit ihrer Betrachtungsweise erhebt sie sich über alle aktuellen Gender-Diskurse, um eine Art post-gender Dimension zu eröffnen. Damit lässt sie die Lesenden, die nicht in der Thematik stecken, möglicherweise in einigen Kapiteln zwei Schritte hinter sich zurück. Wer allerdings über das, in diesem Fall notwendige, Vorwissen verfügt, bekommt bei der Lektüre interessante Gedankenanregungen und Lust, Preciados philosophische Exkurse weiter zu verfolgen.
Beatriz Preciado
Pornotopia. Architektur, Sexualität und Multimedia im `Playboy`
Originaltitel: PornotopÃa. Arquitectura y sexualidad en ´Playboy´ durante la guerra frÃa. Anagrama, Barcelona, 2012
Verlag Klaus Wagenbach, erschienen im Januar 2012
Aus dem Spanischen von Bettina Engels und Karen Genschow
168 Seiten. Gebunden mit Schildchen und Prägung
ISBN 978-3-8031-5182-7
24,90,- Euro
www.wagenbach.de
Weiterführende Links:
www.taz.de, ein Beitrag zu Beatriz Preciados´ "Kontrasexuelles Manifest"
www.spiegel.de, ein Beitrag zu Beatriz Preciados´ "Pornotopia"