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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 29.07.2013


Katja von der Bey - Hilla von Rebay. Die Erfinderin des Guggenheim Museums
Judith Wolff

Der Ausstellungsort in New York ist ein Symbol der modernen Kunst. Dagegen ist die Frau, die maßgeblich zur Entstehung der Sammlung Guggenheims und zur Idee eines "Tempels für die Kunst" ...




... beigetragen hat, weitgehend unbekannt.

Grund genug für die Kunsthistorikerin Katja von der Bey, nun die Künstlerin, Kunstvermittlerin und der Mäzenin Hilla von Rebay ausführlich vorzustellen. Die fundiert recherchierte Biographie erscheint in der neuen Biographienreihe "Seitenwege der Kunst" des Braus Verlags, die sich KünstlerInnen widmet, denen trotz außergewöhnlicher Leistungen das große Scheinwerferlicht verwehrt blieb. Von der Autorin erfahren die LeserInnen aus Rebays Leben und Wirken: Ihre Entwicklung von einer gutbürgerlichen höheren Tochter zur Protagonistin der Avantgardeszene und schließlich zur einflussreichen Kunstvermittlerin und -sammlerin, von ihren Visionen und einer "unverzeihlichen Mischung", die, nach Ansicht von der Beys, dazu führte, dass von Rebay schließlich die öffentliche Anerkennung entzogen wurde.

"Ich habe zu viel in mir, um nicht etwas Großes zu erreichen, auch wenn ich nur eine dumme Frau bin."

Ein Paradebeispiel für eine Tochter höheren Hauses bleibt die am 31. Mai 1890 im damals deutschen Straßbourg geborene Hildegard Anna Augusta Elisabeth (Hilla) Rebay von Ehrenwiesen nicht lange. Sie setzt ihren Wunsch, die Malerei zu ihrem Beruf zu machen, gegen elterlichen Widerstand und geltende gesellschaftliche Konventionen durch. Die junge Frau zieht es nach Paris, München, Berlin. Sie kommt in den Genuss einer künstlerischen Ausbildung – einen Genuss, in den nur wenige Frauen zu dieser Zeit kommen. Ihre Begeisterung konzentriert sich auf die Kunst der Avantgarde, auf das Abstrakte und Ungegenständliche. Sie knüpft nicht nur Kontakte und Freundschaften – so zur sich entwickelnden Dada-Bewegung, zu Chagall und Kandinsky und Bauer, sondern findet in der Loslösung vom Gegenständlichen auch ihre weltanschauliche Heimat. Ein künstlerisches Selbstverständnis, das sich gegen den Materialismus der aufkommenden Moderne stellt und das "Geistige", das Intuitive, stark macht.

"Ein gutes Stück Bluff"

Dass Können und Talent allein Erfolg bringen, hat Hilla von Rebay für sich bereits als Illusion enttarnt: "Es ist ein gut Stück Bluff nötig, um den Leuten klar zu machen, was sie an einem haben und dass man sie absolut nicht nötig hat, dann reißen sie sich um einen [...]" Diesen "Bluff" beherrscht Rebay und sie passt ihn erfolgreich an ihr wechselndes Umfeld an.

Als Rebay 1928 bei ihrem Besuch in New York Salomon R. Guggenheim kennenlernt, malt sie ein konservatives Portrait von ihm und begeistert dabei den wohlhabenden Rohstoffhändler für moderne und abstrakte Kunst – mit folgenreichem Effekt. Von Rebays Position zwischen den Welten – der Alten und der Neuen, der Avantgarde und der guten Gesellschaft, bewährt sich nun als große Stärke. Weil Rebay nirgendwo ganz hingehört, so folgert von der Bey, agiert sie in einer "perfekte Rollenbesetzung" als Schnittstelle und Vermittlerin. Im Aufbau der Guggenheim-Sammlung, als Kuratorin der gegründeten Guggenheim Stiftung und schließlich als Gründungsdirektorin des ersten Museums für die Sammlung Guggenheims hat sie die Zügel fest im Griff.
Katja von der Bey führt die LeserInnen in die Welt einer Tausendsasserin: Rebay schreibt und hält Vorträge über die abstrakte, von ihr "non-objektiv" genannte Kunst, kauft und verkauft, vermittelt, wirbt und repräsentiert, sammelt und stellt weiterhin ihr Werk aus - obwohl sie ihr eigenes Schaffen stark zurückstellt. Dabei findet sie geschickt die passende theoretische Unterfütterung, die das Abstrakte und Ungegenständliche vermittelt. Auf diese Weise trägt Hilla von Rebay maßgeblich zur Verbreitung europäischer ungegenständlicher Kunst in den USA und deren kunsttheoretischer Rezeption bei. Nach Kriegsende setzt sich die "Grande Dame der ungegenständlichen Kunst" nicht nur materiell für die darniederliegende Kunstszene in Europa und insbesondere ihrem Heimatland Deutschland ein, ihren "Carepaketen" liegen auch künstlerische und kunsttheoretische Rund- und Sammelbriefe bei.

"Ein Tempel für die Kunst" und der Bruch in die Vergessenheit

Kunst, wie sie von Rebay ausstellt und schafft, verlangt ein besonderes Gebäude – eines, das nicht als Gebäude funktional ist, sondern sich der Idee und dem Verstehen der Gegenstandlosigkeit öffnet. Mit dem Architekten Frank Llyod Wright entwickelt sich das Projekt einer architektonischen Innovation: Ein rundes Museum, in dem die Kunst in einem spiralförmigen Aufstieg ohne jedes Treppensteigen erlebt werden kann.

Doch als die Vision des Tempels endlich verwirklicht ist, sind Rebay die Zügel entglitten. Von der Bey interpretiert gerade die größte Stärke Rebays, die sie aufgrund ihrer Außenseiterinnenrolle so brillant entwickelte, als "unverzeihlichen Mischung" die in der Nachkriegszeit und mit zunehmenden Alter zum Problem wird. Gegen ihre Person und ihr Lebenswerk, das sie sich mit strategischem Durchsetzungsvermögen erarbeitete, äußert sich – besonders nach dem Tod Guggenheims - vermehrt Kritik. Die schillernde und für viele wohl zu dominante "Baroness" wird zur Persona non grata. Zur Eröffnung des spektakulären Neubaus des Guggenheim Museums 1959 ist die Frau, die so maßgeblich zu dem Projekt beigetragen hat, nicht einmal eingeladen. Die Zeugnisse, ihr eigenes künstlerisches Werk und ihre persönliche Note in Bezug auf das Guggenheim Museum und dessen Sammlung verwischen in den folgenden Jahren. Erst 2006 – lange nach ihrem Tod 1967 - begann, wie von der Bey in ihrem Epilog berichtet, die langsame Rehabilitierung Rebays durch das Guggenheim Museum mit einer Ausstellung zu Rebays Schaffen und ihren eigenen Arbeiten.

Zwischen den Welten

Katja von der Bey, die sich schon als Kunststudentin auf die Spurensuche nach Hilla von Rebay machte, erzählt mehr als eine chronologische Lebensgeschichte. Die Autorin entwickelt einen Blick auf Hilla von Rebay, durch den die Künstlerin nicht nur Ausgangspunkt für eine Schilderung welt- und kunstgeschichtlicher Entwicklungen ist. Von der Bey spricht immer wieder einen Spagat zwischen den Welten an, den Hilla von Rebay wagt und meistert: Zwischen der künstlerischen Avantgarde und ihrem bürgerlichen Familienumfeld, zwischen der Rolle der freien ausstellenden Künstlerin und der der Kunstkennerin, nicht zuletzt als Protagonistin der Avantgarde und als Auftragskünstlerin.

Immer wieder arbeitet Katja von der Bey mit gezielt gesetzten Zitaten, die den LeserInnen die Portraitierte näherbringen. Dabei sieht die Autorin von einer allzu einseitigen Glorifizierung ab und gewährt Hilla von Rebay Raum für das Kokettieren mit einem klischeehaft elitären und exkludierenden KünstlerInnenbild sowie mit der Idee des Auserwähltseins. Rebays Wirken wird einerseits als von dem Wunsch nach Förderung und Beistand geprägt beschrieben, der sie zur wichtigen Unterstützerin von europäischen KünstlerInnen nicht nur während der nationalsozialistischen Ära werden ließ. Auf der anderen Seite betont die Autorin auch einen Sendungs-, gar Missionierungsdrang, der mitunter snobistisch anmutet.

Die Rolle der Frau, die einschnürenden Konventionen, in denen Weiblichkeit auch in der normkonträren und exzentrischen Kunstszene definiert wurde und in der Hilla von Rebay ein uneinpassbares Puzzlestück bleibt, zieht sich als Thema durch die Biographie und zeichnet diese gegenüber den wenigen anderen Beiträgen zu der Person Rebays aus. Verwunderlich ist dies nicht, denn Katja von der Bey ist nicht nur Kunsthistorikerin, sie ist auch Geschäftsführerin der Frauengenossenschaft "WeiberWirtschaft" und setzt sich seit langem aktiv für die Chancengleichheit für Frauen in der Wirtschaft ein.
Neben den ausführlichen tabellarischen Eckdaten regt auch die Bibliografie zur weiteren Recherche und Vertiefung an. Durch die gelungene Gestaltung des Buches, die mit Reliefstrukturen, Farbgestaltung und gezielter Setzung von Fotografien und Abbildungen der thematisierten Kunst arbeitet, zieht auch dieser tabellarische und bibliografische Anhang die Aufmerksamkeit der LeserInnen auf sich.

Am Ende bleibt aber doch die Frage nach den Ursachen zurück, die dazu führten, dass Hilla von Rebay so schlagartig nach dem Tod Guggenheims in den Hintergrund rückte. Dass eine zielstrebig-dominante "alte" Frau im Gegensatz zu einer jungen Frau nicht mehr auf die Gunst der Öffentlichkeit stößt, ist wohl nur ein trauriger Erklärungsansatz, den die Biografin in den Vordergrund stellt. Gerne würde die Leserin mehr über die Bedeutung der Beziehung zu der Familie Guggenheim und über die sich verändernde Kunst- und Kulturlandschaft der Nachkriegszeit erfahren, in der Hilla von Rebays Stärke, sich und ihrem Kunstverständnis einen Platz zu sichern, nicht mehr griff.

AVIVA-Tipp: Katja von der Bey bietet den LeserInnen nicht nur einen Einstieg in ein spannendes Leben und eine ebenso spannende Zeit, sondern animiert auch zu weiteren Recherchen, für die diese Biographie zugleich die nötigen Grundlagen bereithält.
Zur Autorin: Katja von der Bey studierte Kunstgeschichte, Geschichte und Philosophie in Köln und Berlin und promovierte über die abstrakte Kunst im Nachkriegsdeutschland. Bereits als Studentin im Jahre 1985 begann sie im Rahmen einer studentischen Arbeitsgruppe mit Nachforschungen zu der damals nahezu vergessenen Hilla von Rebay. Von der Bey ist Geschäftsführerin der Berliner Frauengenossenschaft "WeiberWirtschaft" und Trägerin des Berliner Frauenpreises 2013.

Katja von der Bey
Hilla von Rebay. Die Erfinderin des Guggenheim Museums

Flexicover mit Prägung und Lesebändchen, 110 Seiten, 30 Abbildungen
Edition Braus, erschienen 19. Juli 2013
ISBN 9783862280513
www.editionbraus.de

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Weitere Informationen:

www.guggenheim.org
Hilla von Rebay Webseite ihres Geburtsorts: hilla-rebay.de
Zur Berliner WeiberWirtschaft: www.weiberwirtschaft.de









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Beitrag vom 29.07.2013

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