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Beitrag vom 19.05.2014
Die Malerin Hélène de Beauvoir - Das Talent liegt in der Familie - Herausgegeben von Karin Sagner
Bärbel Gerdes
Der großartige Bildband entführt in die Welt der Malerin, deren Leben und Werk darin grandios in Szene gesetzt werden. Nachdem sie deren Memoiren "Souvenirs – ich habe immer getan was ich wollte"...
...ebenfalls im Jahr 2014 herausgegeben hat, stellt die Kunstwissenschaftlerin Karin Sagner in diesem Bildband den essayistischen Texten über das Leben de Beauvoirs ihr Werk zur Seite.
Die Entwicklung der Malerin vom gegenständlichen Zeichnen hin zu ihren charakteristischen kristallin zersplitterten Farbformen lässt sich so beeindruckend nachverfolgen.
Die 1910 in Paris geborene, um zwei Jahre jüngere Schwester der Schriftstellerin und Philosophin Simone de Beauvoir verfügte schon früh über mehrere Talente, weshalb eine eindeutige Entscheidung für ein bestimmtes Tätigkeitsfeld zunächst unklar blieb. Sie schrieb Texte und sie malte. Um sich einen eigenen Bereich zu schaffen, in dem sie nicht mit ihrer Schwester um Anerkennung konkurrieren musste, entschied sie sich für die Malerei. Dieses Ziel verfolgte sie radikal und unbeirrbar. Sie setzte durch, dass sie Zeichenunterricht erhielt, sie setzte durch, dass sie eine weiterbildende Kunstschule besuchen durfte, auch wenn in ihr der Schwerpunkt auf Dekoratives, auf dem der Unterricht für Frauen lag, "keinerlei Interesse, gar Abscheu" hervorrief.
1928 entdeckt sie in einer neu gegründeten Kunstschule den Holzschnitt, wechselt zur Radierung, um sich dann dem Kupferstich zuzuwenden, der für sie "eine Offenbarung war. Zudem wird sie in die Gebrauchsgraphik eingeführt, was ihr die Möglichkeit des Illustrierens von Büchern ermöglichen wird. Zeitlebens wird ihre beeindruckende Fähigkeit des Skizzierens wichtig für das Entwerfen ihrer Werke bleiben.
Sie lernt die Pariser Kunstszene kennen, erweitert ihre technischen Fähigkeiten und hat bereits 1936 ihre erste Einzelausstellung in Paris.
Um ihr Überleben zu sichern, tippt sie Manuskripte ihrer Schwester und Jean-Paul Sartres ab, mit dem sie eine tiefe Freundschaft verbindet. Durch ihn lernt sie auch Lionel de Roulet, seinen Schüler, kennen.
Als sie ihn 1940 in Portugal für einen Monat besuchen will, verändert die deutsche Invasion in Frankreich ihr ganzes Leben. Eine Rückkehr nach Paris ist unmöglich. So bleibt de Beauvoir zunächst in Faro, später in Lissabon. Sie lernt hier ein ganz neues künstlerisches Milieu kennen. Die Thematik ihrer Bilder ändert sich: das mühsame Leben der ArbeiterInnen rückt nun in den Fokus, insbesondere arbeitende Frauen werden ein leitmotivistisches Sujet in ihren Werken. Noch sind ihre Gemälde naturgetreu und flächig.
Um einer möglichen Ausweisung zuvor zu kommen, heiratet sie1942 de Roulet. Ihr Aufenthalt in Portugal verlängert sich durch die Kriegswirren auf fünf Jahre.
Durch die diplomatische Tätigkeit de Roulets beginnt für de Beauvoir ein unstetes Leben, das sie in die unterschiedlichsten Länder treibt. Dadurch verliert sie den Kontakt zur Pariser Kunstszene, gleichzeitig entwickelt sie sich durch die Aufenthalte in Wien, in Marokko, in Belgrad und in Mailand stetig weiter. Sie nimmt die Farben und Impulse des jeweiligen Ortes auf, entdeckt die Kunst des Landes und fügt ihrem eigenen Werk immer neue Elemente hinzu.
Diese Entwicklung lässt sich durch den vorliegenden Bildband grandios miterleben. Immer mehr verlässt de Beauvoir das Gegenständliche, abstrahiert immer stärker und löst Formen und Farben in kristalliner Pracht auf. Ihre Bilder reizen zum Entdecken und beeindrucken durch kräftige und leuchtende Farben.
1963 zieht sie mit ihrem Mann ins Elsass. Ihr gesellschaftskritisches und sozialpolitisches Interesse bildet sich immer mehr in ihren Werken ab. Sie engagiert sich als Feministin, kämpft gegen Gewalt gegen Frauen und stellt auch diesen Kampf in ihren Bildern dar.
Karin Sagner hat spannend zu lesende Essays und eindrucksvolle Bilder nebeneinander gestellt, die einen lebendigen Einblick in Leben und Werk der Malerin Hélène de Beauvoir geben. Ihre fachkundigen Bildkommentare laden auch die künstlerisch weniger versierte Leserin zur Entdeckung unterschiedlicher Kunstformen und -techniken ein.
AVIVA-Tipp: Endlich ist das Leben und das Werk der Malerin Hélène de Beauvoir auch in Deutschland zugänglich! Der wunderbar gestaltete, farbenfrohe Bildband stellt die Künstlerin umfassend vor.
Zur Künstlerin: Hélène de Beauvoir, 1910 in Paris geboren, besuchte nach dem Abitur Kunstschulen und Akademien. 1936 erstes Atelier. 1936 erste Ausstellung in Paris. Danach weitere zahlreiche Ausstellungen in Portugal, Italien, Deutschland, Japan … Mitbegründerin des Straßburger Frauenhauses. 2001 stirbt sie im Alter von 91 Jahren in Goxwiller, Elsass.
Zur Herausgeberin: Dr. Karin Sagner, geboren 1955, studierte Kunstgeschichte und Germanistik und promovierte über Claude Monet. Sie ist freie Autorin und Kuratorin und berät als international anerkannte Kunstexpertin Museen und Kunsthäuser. Zudem ist sie Autorin mehrerer Bücher über französische und deutsche Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts, konzipiert Ausstellungen und hält Vorträge.
Die Malerin Hélène de Beauvoir. "Das Talent liegt in der Familie"
Hrsg. von Karin Sagner
Beiträge von L. Hammer, B. Lübbers, M. Murtfeld, K. Sagner
160 Seiten, 141 Abbildungen überwiegend in Farbe. 24 × 28 cm, gebunden
Hirmer Verlag, erschienen 2014
ISBN 978-3-7774-2169-8
34,90 Euro
www.hirmerverlag.de
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