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Beitrag vom 23.05.2014
Renata Adler - Rennboot
Philippa Schindler
In den USA wird das radikale Debüt der Journalistin und Autorin längst als eine der größten Wiederentdeckungen des letzten Jahres gefeiert. Nun erscheint auch eine Neufassung der deutschen Ausgabe.
Renata Adler ist Kult. Nicht nur, weil ihre Markenzeichen – Jeanshemden und ein weißer Flechtzopf, elegant vor die rechte Schulter gelegt – die vergangenen vier Jahrzehnte überdauerten. Sondern vor allem wegen des Schreibstiles der heute 75-jährigen Buchautorin. Bissig, klug und im tosenden Rhythmus der Großstadt.
Willkommen zurück, Renata Adler!
Genau aus diesem Grund hielten es die HerausgeberInnen der New Yorker Review of Books wohl auch für eine gute Idee, deren beiden erfolgreichsten Romane neu aufzulegen. 2013 erschien "Rennboot" (Speedboat, 1976) und "Pechrabenschwarz" (Pitch dark, 1983) in der Klassiker-Reihe. Besonders von dem preisgekrönte Erstlingswerk der Journalistin waren die KritikerInnen begeistert. "Quite brilliant", befand die britische Zeitung The Guardian und das Magazin The New Yorker titelte: "Welcome back, Renata Adler!"
Ob auch die neu durchgesehene Fassung der deutschen Übersetzung von Marianne Frisch einen solchen Erfolg haben wird? Im März 2014 erschien der Roman in der Bibliothek Suhrkamp, mit schlichtem weißen Einband und einem Porträt der toughen Journalistin mit Sonnenbrille.
Ein Roman, auch Jahrzehnte später faltenfrei.
Auch vierzig Jahre nach seiner Erstveröffentlichung liest sich "Rennboot" noch als bemerkenswerter Debütroman. Bemerkenswert wegen seiner collagenartigen Aneinanderreihung von lyrischen Fragmenten, Aphorismen und Anekdoten. Aber auch, weil durch diese Erzählform alle zeitlichen und räumlichen Kausalitäten im Buch nahezu aufgelöst werden.
Erst nach und nach erfahren wir, dass Protagonistin Jen Fein als Reporterin für das New Yorker Klatschblättchen Standard Evening Sun arbeitet. Als Redenschreiberin und Universitätsdozentin bessert sie ihr Einkommen auf, die nicht unerhebliche Anzahl von Drinks am Abend muss sie dennoch nur selten selbst bezahlen. Leichtlebige Affären – Adam, Matthew, Aldo und wie sie alle heißen – begleiten die Hauptfigur durch den Roman und immer mal wieder auch zu Cocktailparties der High Society.
Was es neben all dem Amusement aber wirklich heißt, eine junge Frau in den intellektuellen New Yorker Kreisen der 1970er Jahre zu sein – die Autorin Renata Adler benennt dies mit aller Deutlichkeit: Sexismus, Männerdominanz und die Herabsetzung der Frau als schmückendes Beiwerk.
Wirbel in der Literaturszene
Radikal, feministisch und fernab von stilistischen Gepflogenheiten – so lautete schon 1976 das kontrovers diskutierte Urteil. Ein knappes Jahr nach dem Erscheinen von "Rennboot" erhielt die Autorin den Hemingway Foundation PEN Award für herausragende Prosawerke. Keine andere als die Germanistin Marianne Frisch, die zweite Ehefrau von Max Frisch, brachte den Roman schließlich ins Deutsche.
Doch bei allem gebührenden Ruhm – das Debüt der Schriftstellerin ist und bleibt eine literarische Herausforderung. Wechselnde Zeit- und Raumebenen erschweren den Eingang in die Geschichte und überraschen uns immer wieder mit neuen Figuren.
Treibender Motor des Romans ist jedoch nicht unbedingt das genaue Verstehen jedes einzelnen Handlungsstranges. Es ist vielmehr der klare Rhythmus von Renata Adlers Sätzen, der uns beim Lesen nach vorne trägt. Das beweisen vor allem so mitreißende und poetische Textpassagen wie diese: "Angenommen, wir jagen die ganze Chose in die Luft. Alles. Alle. Mich. Häuser. Kein Platz. Bums. Alle tot. Keine Überlebenden. Und dann würde ich sagen, und dann würde ich sagen: still, seid ein Momentchen mal still."
AVIVA-Tipp: Ein bisschen ist es, als habe die Autorin Renata Adler ihren fertigen Roman nach dem Schreiben in kleine Fetzen gerissen, um ihn dann in einer geheimnisvollen und bruchstückhaften Collage neu zusammen zu fügen. Genau aus diesem Grund gilt jedoch: "Rennboot" ist so ästhetisch, so literarisch wertvoll, wie kaum ein anderes Buch in diesem Frühjahr.
Die Autorin: Renata Adler, geboren 1938 in Mailand, Italien. Ihre Eltern mussten 1933 vor den Nazis aus Deutschland fliehen, erst 1939 gelang ihnen die Emigration in die USA. Renata Adler studierte in den 1960er Jahren in Harvard und an der Sorbonne. Nach vielen Jahren als Journalistin bei dem Magazin New Yorker und der New York Times, wendete sich Adler in den 1970er Jahren fiktiven Stoffen zu. Ihr Roman "Pechrabenschwarz" wurde 2014 ebenfalls in der Bibliothek Suhrkamp neu aufgelegt.
Renata Adler
Rennboot
Originaltitel: Speedboat
Aus dem Amerikanischen Englisch von Marianne Frisch
Bibliothek Suhrkamp 1480, erschienen im März 2014
Gebunden, 241 Seiten
ISBN: 978-3-518-22480-9
19,95 Euro
www.suhrkamp.de
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