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Beitrag vom 11.03.2015
Vanessa da Mata - Blumentochter
Teresa Lunz
Der Debütroman der brasilianischen Sängerin und Songwriterin. Giza, ein schüchternes Findelkind aus der brasilianischen Provinz, beschließt, die Welt zu erkunden. Und wird sich dabei nicht nur...
... ihrer verborgenen Sinnlichkeit bewusst, sondern auch des dunklen Geheimnisses um ihre Geburt.
Ein unbestimmter Ort zu einer unbestimmten Zeit:
Giza wächst bei ihren nur wenig älteren Tanten Florinda und Margarida auf, in einer beschaulichen Kleinstadt irgendwo in den brasilianischen Tropen. Wer ihre Eltern waren und wie sie ums Leben kamen, hat sie nie erfahren. Zum Teenager herangewachsen, leidet sie unter der zunehmenden Lieblosigkeit und offenen Missgunst der Tanten. Sie sieht sich im Familienkreis isoliert. Abwechslung bringen ihr nur die Botengänge zu den in der Stadt verstreut lebenden Kund_innen, die Blumen aus ihrem Garten bestellen und oftmals mit Liebesbotschaften versehen an ihre_n heimlich Angebete_n ausliefern lassen. Wenn Giza diese Nachrichten in unbeobachteten Momenten liest, beflügelt sich ihre Fantasie und sie träumt davon, aus der Enge ihres bieder-bürgerlichen Heimatdorfes ausbrechen zu können. Schließlich wagt sie das Abenteuer und begibt sich nach Villa Morena, das als verrucht verschrieene Viertel am äußersten Stadtrand. Dort begegnen ihr zum ersten Mal uneigennützige Freundschaft und Offenheit – und sie verliebt sich in einen jungen Mann, der jedoch nicht erfahren darf, dass sie aus dem anderen Teil der Stadt stammt. In Villa Morena finden rauschende Feste statt, überall huldigt man der heidnischen Göttin Yade, die als die Bringerin ewiger Leidenschaft gilt. Doch hier erwartet Giza auch die Aufdeckung des bislang tot geschwiegenen Geheimnisses um ihre Geburt, das ihr Leben und ihre Beziehung zu ihrem Heimatort für immer verändern soll.
Große Naturschönheit und große Gefühle…
Die Sängerin und Songwriterin Vanessa da Mata, präsentiert mit "Blumentochter" ihren ersten Roman, der zentral um das Verlangen nach Liebe und Zuneigung kreist. In Giza wählt sie eine Protagonistin, die zunächst naiv, weltfremd und unerfahren scheint, ganz erfüllt ist von ihren Mädchenträumen und der üppigen Naturschönheit des eigenen Gartens. Dennoch besitzt sie ein in ihrem Umfeld einzigartiges Gespür dafür, dass in ihrem Heimatdorf in all seiner Idylle keine Lebensfreude aufkommt. Die Menschen begegnen einander steif und berechnend, der Schein wird über das Sein gestellt. Villa Morena, durch eine Brücke vom Stadtkern getrennt, präsentiert sich als schillernde Gegenwelt. Hier kann Giza endlich ihren Drang ausleben, Grenzen zu überschreiten, und gibt ihre Selbstverachtung auf: Sie erlebt sich als begehrenswert, als integriert, sogar als umschwärmt. Das Erwachen der Sinnlichkeit im jungen Mädchen ist ein zentraler Moment des Romans. Die in Villa Morena angebetete geheimnisvolle Königin Yade verstärkt diese Beflügelung der Fantasie bei Protagonistin und Leser_in noch.
"Sie besucht uns nur kurz und schenkt uns Nahrung und Natur im Ãœberfluss, vorausgesetzt, dass wir ihr Geheimnis wahren.
Vanessa da Matas Gefühlsschilderungen fallen pathetisch aus, die Wortwahl blumig. Unerwartete Wendungen in der nicht immer stringent fortgeführten Handlung garantieren ein kurzweiliges, wenn auch schnell vergessenes Leseerlebnis. Liebesleiden, übersinnliche Kräfte, die bunten Farben subtropischer Blumengärten, Eifersucht unter Frauen und Alkoholismus unter an ihren Bindungsversuchen verzweifelnden Männern – über allem ein tragisches Geheimnis, mit dem der Tod vieler Stadtbewohner_innen zusammenhängt: Vanessa da Mata entzündet ein Feuerwerk an brisanten Themen und starken Emotionen. Im Interview mit dem List-Verlag gibt sie an, vor allem die grenzenlose gestalterische Freiheit beim Romaneschreiben gegenüber der Musik zu schätzen. Unbedingt wollte sie –im Sinne der großen südamerikanischen Erzähler von Guimarães Rosa bis Gabriel GarcÃa Márquez – surrealistische Elemente in diese Geschichte über das Erwachsenwerden aufnehmen, die spirituelle Seite Brasiliens durchscheinen lassen. Anders als die Klassiker sollte der Roman aber eine starke, selbstbestimmte Frauenfigur in den Mittelpunkt rücken, mit der sich die Autorin und die moderne Leserin identifizieren kann.
"Dafür gibt es in der Literatur, die ich gelesen habe, kein Vorbild. Giza hat ganz viel von mir selbst, wie sie wuchs ich in einer von Frauen dominierten Familie auf. Meine Großmutter hatte sieben Kinder, sie alle und auch ihr Mann hingen von ihr ab. Sie wollte nie von jemandem abhängig sein, so wie ich."
Insgesamt ist ein Plädoyer für die Unabhängigkeit und Weltoffenheit der (brasilianischen) Frau und für die ungehemmte Lebensfreude entstanden.
Zur Autorin: Vanessa da Mata, geboren 1976, ist eine erfolgreiche brasilianische Sängerin und Songwriterin. Bereits mit 15 Jahren trat sie öffentlich auf. Bisher hat sie sieben Alben veröffentlicht und gewann 2007 für "Sim" den Latin Grammy Award. Sie hat drei Kinder und lebt in Rio de Janeiro. "Blumentochter" ist ihr erster Roman. 2013 wurde er unter dem Titel "A Filha das Flores" veröffentlicht und zum großen Überraschungserfolg. (Quelle: Verlagsinformation)
Mehr Informationen unter: www.vanessadamata.com.br
AVIVA-Tipp: Tiefere Einsichten, etwa in die brasilianischen Gesellschaftsstrukturen, sind von dieser– laut Verlag – "sinnlich-frivolen Aschenputtel-Variante" zwar nicht zu erwarten, dafür jedoch zahlreiche unterhaltsame Überraschungen. Kurzweil für faule Sonntagnachmittage ist den Leser_innen garantiert.
Vanessa da Mata
Blumentochter
Originaltitel: A Filha das Flores
Ãœbersetzt aus dem brasilianischen Portugiesisch von Kirsten Brandt
List Verlag, erschienen im März 2015
Gebunden, 304 Seiten
ISBN 978-3-471-35113-0
18 Euro
www.ullsteinbuchverlage.de
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