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Beitrag vom 10.09.2015
Laura Rodrigues Nöhles - Frida Kahlo in Deutschland. Eine Rezeptionsgeschichte
Yvonne de Andrés
Die Autorin erläutert in ihrer Dissertation die politischen Tendenzen in Kahlos Werk, die Feministische Interpretation und den Zusammenhang mit der deutschen Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts.
Seitdem der Film "Frida" von Julie Taymor 2003 in die Kinos kam, ist Frida Kahlo auch dem breiten Publikum in Deutschland ein Begriff.
Die Malerin hat gemalt, gedichtet, geliebt und gelitten. Kahlo wird in diesem Film zur feministischen Ikone stilisiert.
Warum ist Frida Kahlo in Deutschland so beliebt und populär? Laura Rodrigues Nöhles untersucht in ihrer Dissertation die Besonderheiten der Rezeptionsgeschichte in Deutschland. Erst Ende der 70er Anfang der 80er Jahre begann in Deutschland die Beschäftigung mit Frida Kahlo. Eine der wichtigen Aufgaben der feministischen Kunstgeschichtsschreibung war es, Künstlerinnen aus der Vergessenheit herauszuholen. Die feministische Kunsthistorikerin Elisabeth Garber weist am Beispiel von Frida Kahlo auf die Unterschiede der ersten und zweiten Phase der feministischen Kunstkritik hin: "Man suchte nach der Essenz einer weiblichen Ästhetik, nach den Merkmalen, die die Kunst von Frauen auszeichneten. Erst allmählich führte die Geschlechterforschung zu der Ansicht, dass Weiblichkeit nicht nur biologisch, sondern auch gesellschaftlich bedingt ist und daher auch unter Berücksichtigung der Machtstrukturen verstanden werden sollte, die ihren Status quo bedingen."
Dabei gibt Rodrigues Nöhles an, dass neben dem "Feminismus auch andere gesellschaftspolitische und künstlerische Faktoren" in der Rezeptionsgeschichte relevant waren. Ab den 80er Jahren verbreitete sich der Bekanntheitsgrad kontinuierlich.
Die Publikationen, die zu Lebzeiten von Frida Kahlo in Mexiko und USA erschienen waren, hatten in Deutschland eine sehr geringe Reperkussion. Erst durch die Aufnahme der Schriften des Surrealisten André Breton, ihres Ehemanns und Malers Diego Rivera und seines Biografen Bertram Wolfe in den Biografien von Raquel Tibol und Hayden Herrera begannen diese Interpretationen eine Rolle zu spielen. Laura Rodrigues Nöhles hält fest, dass beide Biografinnen an "Kahlos Rolle als Märtyrerin ("Malerin des Schmerzes") und als widerstandsfähige Frau ("Rebellin gegen das Unabänderliche")" anknüpfen. Anfänglich prädominierte die psycho-biografische Darstellung. Auch Kahlos anfängliche Verbindung zum Kreis der Surrealist_innen trug zu diesem Bild der exotischen mexikanischen Frau bei. Frida Kahlo hat sich hierzu entsprechend geäußert: "Man hielt mich für eine Surrealistin. Das ist nicht richtig. Ich habe niemals Träume gemalt. Was ich dargestellt habe, war meine Wirklichkeit."
Laura Rodrigues Nöhles zeigt anhand der vier großen Ausstellungen in Deutschland, wie sich die Ausrichtung gewandelt hat. 1980 wurde die Ausstellung "Frida Kahlo und Tina Modotti" in Berlin (Haus am Waldsee), in Hamburg (Kunstverein) und in Hannover (Kunstverein) gezeigt. Es war die erste Einzelschau von Arbeiten Kahlos. Im Katalog lag der Interpretationsschwerpunkt auf den linkspolitischen Tendenzen der Malerin auf ihr Oeuvre und wich so von dem psycho-biografischen Interpretationsansatz ab. Dieser Ansatz hatte jedoch keinen Einfluss auf die weitere Rezeption.
Im Kontext des Internationalen Kulturfestivals Europalia in Brüssel, 1993, das sich dem Themenschwerpunkt Mexiko widmete, entstand die Ausstellung "Das blaue Haus. Die Welt der Frida Kahlo". Die Ausstellung wurde 1993 in der Schirn Kunsthalle in Frankfurt gezeigt. Im Zentrum stand hier die psycho-biografische Interpretation. Erst 2006, mit der Ausstellung Frida Kahlo im Bucerius Kunst Forum Hamburg, kuratiert von Ortrud Westheider, wird dieser Interpretationsansatz hinterfragt. Dazu Ortrud Westheider: "Bis heute stellt sich die Frage: Ist es die Kunst, die den Ruhm der Kahlo ausmacht, oder ihr Leben, ihre mitreißende Leidenschaft, ihre Rolle als unglücklich Liebende, als vom Schicksal Gezeichnete?"
Die Ausstellung im Martin-Gropius-Bau im Jahr 2010 in Berlin setzte diesen Ansatz weiter fort. Präsentiert wurden über 150 Gemälde und Zeichnungen der mexikanischen Ausnahmekünstlerin, darunter viele bislang unbekannte Werke Kahlos.
AVIVA-Tipp: Die Autorin ermöglicht einen guten Überblick über die Rezeptionsgeschichte und die wichtigsten Einflüsse. Dabei stellt Laura Rodrigues Nöhles fest, dass das Interesse an Kahlos Werk unmittelbar im Verhältnis zur feministischen Kunstgeschichtsschreibung steht. Die wachsende Beliebtheit und Popularität der Malerin Frida Kahlo bedeutet nicht, dass das Interesse an ihrer Biografie nachgelassen hätte. Dies zeigt das rege Interesse an neuen Publikationen. Frida Kahlo ist heute mit Abstand die bekannteste Malerin Mexikos. Laura Rodrigues Nöhles resümiert: "In der letzten Dekade gehen die Bemühungen dahin, Kahlo in den kunsthistorischen Kontext einzubetten, die Einflüsse von anderen – auch europäischen Künstler_innen, Kunstwerken oder Kunstströmungen herauszuarbeiten und ihren Platz in der Kunstgeschichte als Vertreterin der Moderne zu festigen."
Zur Autorin: Laura Rodrigues Nöhles ist Brasilianerin und studierte Kunstgeschichte an der Universität Freiburg. Ihrer Dissertation schloss sie 2014, betreut von Professorin Dr. Angeli Janhsen, über Frida Kahlo ab. Laura Rodrigues Nöhles hat den Wetzstein-Preis für Kunstgeschichte 2014, der Buchhandlung Wetzstein, Freiburg erhalten. Derzeit lebt sie in Mülheim an der Ruhr.
Laura Rodrigues Nöhles
Frida Kahlo in Deutschland. Eine Rezeptionsgeschichte
Reimer Verlag, erschienen Juni 2015
Broschur, 268 S. m. 59 Farb- u. 2 sw-Abb.,
ISBN 978-3-496-01536-9
39,95 Euro
www.reimer-mann-verlag.de
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