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Beitrag vom 20.02.2016
Else Krell - Wir rannten um unser Leben. Illegalität und Flucht aus Berlin 1943. Herausgegeben von Claudia Schoppmann
Sharon Adler
Sorgfältig und kenntnisreich hat die Historikerin und Publizistin die ihr anvertrauten Erinnerungen und Manuskripte in Buchform aufbereitet und schließlich, sechs Jahre später, eine Veröffentlichung erwirkt.
Dr. Claudia Schoppmann forscht und publiziert seit vielen Jahren zur Geschichte lesbischer Frauen im Nationalsozialismus, wofür sie mehrfach ausgezeichnet wurde. Erst im November 2015 wurde auf ihre Initiative in Berlin-Mitte ein Stolperstein im Gedenken an Elli Smula verlegt, die 1940 als lesbisch denunziert, verhaftet und ins KZ Ravensbrück deportiert wurde. Die biografische Zusammenstellung haben wir im Dezember 2015 auf AVIVA veröffentlicht.
Mindestens ebenso lange arbeitet die Historikerin und Publizistin im Bereich der Exilforschung. Neben diversen Publikationen zum Thema wie "Im Fluchtgepäck die Sprache. Deutschsprachige Schriftstellerinnen im Exil" war sie Fellow am Center for Advanced Holocaust Studies am United States Holocaust Memorial Museum in Washington, DC.
In Berlin hat sie als Mitarbeiterin der Gedenkstätte Deutscher Widerstand die 2008 eröffnete Dauerausstellung "Stille Helden. Widerstand gegen die Judenverfolgung 1933-1945" mit konzipiert und ist bis heute für deren Ergänzung und Erweiterung aktiv. Am Zentrum für Antisemitismusforschung der Technischen Universität Berlin war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt Rettung von Juden im nationalsozialistischen Deutschland.
Als sie für die Ausstellung "Fluchtziel Schweiz" der Gedenkstätte Stille Helden die Geschichte von 28 jüdischen Frauen und Männern, die aus Berlin kommend mit Hilfe von Fluchthelfer_innen 1943/44 vom Bodensee aus in die Schweiz flüchten konnten, kam sie lange bei einem der Namen nicht weiter: Margot Linczyc. Im Jahr 2009, einige Monate nach der Eröffnung, erreichte Claudia Schoppmann ein Brief von Margot Linczyc, die vor ihrer Heirat Murzynski hieß.
Im Zuge ihrer Recherchen konnte die Historikerin nicht ausfindig machen, was aus Margot und ihrer Mutter Else geworden war, bis diese Kontakt zu ihr aufnahm. Ein Glücksfall.
Die nun vorhandenen Informationen bilden die Grundlage für dieses Buch. Es schildert anhand der Aufzeichnungen von Else Krell/Else Murzynski (1900-1989), wie Else Krell unter dramatischen Umständen den Nazis entkam und darüberhinaus auch, wie diese mutige Frau ihr Leben vor und nach den Nazis lebte.
Else Krell heiratete zwanzigjährig den Kaufmann Adolf Murzynski. 1936 mussten sie und ihr ebenfalls jüdischer Mann ihr Kaufhaus in Weiden in der Oberpfalz verkaufen und sie zogen darauf hin nach Berlin.
In ihren Erinnerungen beschreibt sie, wie nach 1933 Diskriminierung und Verfolgung das Leben ihrer Familie immer mehr einschränkten und sie schließlich auseinanderrissen. Ende Januar 1943 entgingen sie und ihre Tochter Margot in letzter Minute der Gestapo und damit der drohenden Deportation. Monatelang lebten sie "illegal" in Berlin und Umgebung, immer auf der Suche nach neuen Verstecken. Dabei halfen ihnen wohlgesonnene Menschen, aber auch solche, die aus der Verzweiflung noch Profit schlagen wollten. Im November 1943 gelang Mutter und Tochter schließlich eine dramatische Flucht in die Schweiz, wo sie das Kriegsende in Sicherheit erleben konnten.
AVIVA-Tipp: Der akribischen Recherche und Initiative der Historikerin und Publizistin Claudia Schoppmann ist es zu verdanken, dass dieses Buch überhaupt erscheinen konnte. Das von Claudia Schoppmann im Herbst 2015 herausgegebene Buch der jüdischen Zeitzeugin Else Krell verhilft deren (lange verschütteten) und ihrer dramatisch-couragierten Lebensgeschichte zu einer verdienten Öffentlichkeit und hat unbedingt Leser/innen verdient.
Claudia Schoppmann
Else Krell. Wir rannten um unser Leben
Illegalität und Flucht aus Berlin 1943
Metropol Verlag, Publikationen der Gedenkstätte Stille Helden, Band 5, erschienen Herbst 2015
229 Seiten
Preis: 19 Euro
www.metropol-verlag.de
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Elli Smula (1914-1943) - eine biografische Zusammenstellung von Dr. Claudia Schoppmann Am 16. November 2015 wurde auf Initiative der Historikerin und Publizistin in Berlin-Mitte gegenüber der Singerstr. 120 ein Stolperstein im Gedenken an Elli Smula verlegt. Sie wurde 1940 als lesbisch denunziert, verhaftet und ins KZ Ravensbrück deportiert.
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Mehr Informationen zum Ãœberleben im Untergrund finden Sie unter:
Inge Deutschkron: www.inge-deutschkron-stiftung.de
Gedenkstätte Stille Helden: www.gedenkstaette-stille-helden.de
Quellen und Studien zu lesbischen Frauen im Nationalsozialismus
www.freie-radios.net Interview mit der Historikerin Claudia Schoppmann zum Thema Lesben im Nationalsozialismus