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Beitrag vom 01.08.2016
Almut Klotz - Fotzenfenderschweine
Clarissa Lempp
Mit der Band "Lassie Singers" feierte Almut Klotz das Anti-Pärchen-Ideal. Einige Jahre später bildete sie selbst eines, mit dem wetternden Musiker Reverend. Davon erzählt nun ihr letztes Romanfragment
2013 starb Almut Klotz. Bis dahin arbeitete sie an ihrem letzten Roman. Der Titel stand schon fest: "Fotzenfenderschweine". Der Fender zwischen den Kraftausdrücken meint aber nicht die Instrumenten-Marke, wie eins es bei einem autobiografisch geprägten Roman einer Musikerin zunächst denken könnte. Dieser Fender hat mit der Seefahrerei zu tun. Ebenso wie der Mann, der die titelgebende Wortreihung aussprach und der Almut Klotz´ Leben vielleicht nicht auf den Kopf stellte, aber eine Positionierung darin herausforderte. Der Mann ist "Reverend" Christian Dabeler. Organist, Autor und Hamburger Kiez-Kind.
So direkt wie der Titel, die Flüche und Schelttiraden des Reverends wirken, so klar und ungeschönt ist Almut Klotz´ Erzählung. Dabei geht es nicht um Radaulust oder dumpfe Provokation, sondern vielmehr um Offenherzigkeit, im fast sprichwörtlichen Sinne. Almut Klotz schreibt, einem Geständnis gleichkommend, Intimitäten auf, aus ihrer Beziehung, ihrer Arbeit, ihren eigenen Unsicherheiten und Entwicklungskämpfen. Sie berichtet von der Indie-Bohéme jenseits der 30. Von der Kluft zwischen der Berliner und der Hamburger Szene. Von den Spannungen der Geschlechterrollen in der Kulturarbeit – und immer wieder von den persönlichen Herausforderungen, die ihre Liebe zu diesem sich exzentrisch gebarenden Mann hervorbrachte. Das kann bei Almut Klotz leichtfüßig-poetisch, trocken-komisch oder auch mal schmerzhaft-erkenntnisreich klingen.
Die Lakonikerin und der Räsonierer finden doch zusammen, im Schreiben und in der Musik. Mit Vorgabe hätte sie immer besser gearbeitet, schreibt Almut Klotz. Der Reverend lieferte sie ihr. "Schreib doch was über Hunde", empfiehlt er, als sie über ein neues Kolumnen-Thema grübelt. Zwischen all den Unterschiedlichkeiten, die Klotz zwischen sich und dem Reverend, wie sie ihn selbst nannte, feststellt, funktionieren die beiden an anderen Punkten wie ein altes Ehepaar. Es entstehen gemeinsame Texte für die Lesebühne und schließlich ein Roman. Daneben arbeiten sie an zwei Alben. 2007 erscheint das selbstbetitelte Debüt. Kurz bevor das zweite Album "Lass die Lady rein" im Sommer 2013 erschien, starb Almut Klotz.
AVIVA-Tipp: Almut Klotz erzählt fast filterlos in diesem Roman-Fragment und das ist nicht immer schmeichelhaft für seine Protagonist_innen. Der unsentimentale Wink ist aber kein unsympathischer. Vorgeführt oder bloßgestellt wird darin niemand. Mit "Fotzenfenderschweine" hinterließ sie eine scharfsichtige, manchmal brüllend komische und immer wieder mal polternde Niederschrift ihrer (Liebes)Geschichte mit dem Reverend. Die Veröffentlichung im Verbrecher Verlag wurde von Christian Dabeler begleitet. Sie enthält neben einem Text Dabelers (zu den titelgebenden Fendern) auch kommentierte Fotografien des Paares.
Zur Autorin: Almut Klotz-Dabeler wurde 1962 in Pforzheim geboren und wuchs im Schwarzwald auf. Sie kam 1985 nach Berlin, wo sie mit Christiane Rösinger und Funny van Dannen die Band "Lassie Singers" gründete, die vor allem für ihre Anti-Love-Songs bekannt wurde ("Liebe wird oft überbewertet", "Die Pärchenlüge"). 1998 löste sich die Band auf. Mit Rösinger betrieb Klotz das Label "Flittchen Records", unter dem auch die "Best of" – und "Rest of"- Alben der Lassie Singers erschienen. Mit der Flittchenbar schufen sie parallel eine Bühne für nachkommende Bands in Berlin. Musikalisch folgten die Projekte "Parole Trixi" mit Sandra Grether und "Maxi unter Menschen" mit Maximilian Hecker und Jim Avignon. 2001 gründete Almut Klotz außerdem den "Pop Chor Berlin", mit dem sie Coverversionen bekannter Popsongs aufnahm. Mit ihrem späteren Ehemann Rev. Christian Dabeler bildete sie auch musikalisch ein Duo, die Platte "Klotz + Dabeler" erschien 2007. Almut Klotz arbeitete überdies als freie Autorin. Bis 2011 veröffentlichte sie zehn Jahre lang Kolumnen in der Berliner Zeitung. Gemeinsam mit Dabeler verfasste sie den Roman "Aus dem Leben des Manuel Zorn" (2005) und den Erzählband "Tamara und Konsorten" (2008).
Almut Klotz
Fotzenfenderschweine
Verbrecher Verlag, Juli 2016
Herausgegeben von Aaron Klotz und Reverend Christian Dabeler
Hardcover, 144 Seiten, mit Abbildungen und einem Nachwort von Jörg Sundermeier
ISBN 9783957321657
www.verbrecherverlag.de
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