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Beitrag vom 18.04.2017
Susan Hawthorne - Bibliodiversität. Manifest für unabhängiges Publizieren. Nachwort von Übersetzerin und Publizistin Doris Hermanns
Bärbel Gerdes
Über das kranke Ökosystem des Verlagswesens und seine Rettung durch Verlagsvielfalt, Meinungs- und Pressefreiheit berichtet Susan Hawthorne, Mitbegründerin der Spinifex Press, Autorin, Doktorin in Women Studies und Politischen Wissenschaften der Universität Melbourne und Expertin für unabhängiges Publizieren, in ihrem feministischen Manifest.
Unsere Biodiversität – die Vielfalt der Arten, die Wildheit vielfältiger Seinsformen und Lebensentwürfe, die Buntheit lokaler, regionaler und internationaler Biosphären - ist seit langem in Gefahr. Arten sterben in nie dagewesener Zahl aus, Tiere und Pflanzen verschwinden von unserem Erdball. Was Elizabeth Kolbert im Umgang mit unserer Natur anmahnt, erkennt Susan Hawthorne auch in unserem Verlagswesen.
Die australische Dichterin und Herausgeberin setzt sich in dem schmalen Band über die Veränderungen und weitreichenden Umbrüche bei der Buchherstellung und im Buchvertrieb auseinander. Globale Verlagskonzerne überschwemmen den Markt mit einer "Massenmarktbücherware", die ihren Weg in Supermärkten und in Buchläden findet, die eben diesen Großkonzernen gehören. "Buchverkauf in den Händen von Großunternehmen bedeutet, dass alle Buchhandlungen den gleichen Bestand in Läden verkaufen, die alle gleich aussehen." Dadurch entstünden "Monokulturen des Geistes".
Dabei beleuchtet die Autorin diesen Aspekt und das damit einhergehende Sterben alternativer, kleiner und unabhängiger Verlage und Buchhandlungen aus unterschiedlichen Perspektiven. So stellt sie dar, wie die feministische Buchszene nach und nach von der Bildfläche verschwand. In einem Exkurs über die Geschichte feministischer Verlage und Buchhandlungen führt sie aus, wie wichtig diese Entwicklung war und wie rasch feministische Bücher und Läden von Großverlagen vereinnahmt wurden. Diese Verlage begannen selbst "Frauenreihen" zu kreieren, während die Mainstream-Buchhandlungen "Frauenecken" einrichteten, in denen diese Literatur verkauft wurde. Die feministische Aussagekraft dieser Publikationen wurde immer geringer. Literatur aus kleineren Frauenverlagen wurde nicht oder nur in geringem Ausmaß in das Sortiment übernommen, was zum Sterben der Kleinverlage führte und schließlich auch zum Sterben der Frauenbuchläden – so Hawthorne.
Aber war es so? Im Grunde geschah genau das, was dem Paria, so wie Hannah Arendt ihn beschreibt, immer passiert: seine Forderung zur Gesellschaft dazuzugehören, wird irgendwann Wirklichkeit, der Paria wird in verwässerter Form integriert und löst sich auf.
Zu fragen wäre auch, weshalb die Frauen, die in den Frauenbuchläden kauften, plötzlich größere Ketten bevorzugten und ob nicht das Auflösen der Frauenbuchläden eher Ausdruck eines politischen Abflauens der Bewegung war und auch hier alles aufging im neuen Gender- und Queer-Einheitsbrei.
"Vereinnahmung ist zentral in der Herangehensweise des Kapitalismus", schreibt Hawthorne. Eine Idee wird aufgegriffen, verwandelt und der Ursprung dieser Idee bleibt unbenannt. Unter diesen Bedingungen und unter den Bedingungen der Machtkonzentration – die Autorin nennt beispielhaft Rupert Murdoch in Großbritannien und den USA und Silvio Berlusconi in Italien – werden die Überlebenschancen für unabhängige Verlage, die Wert legen auf inhaltliche Tiefe, globale Sprach- und Kultürlichkeit sowie Meinungsvielfalt, immer schwieriger. Sie kämpfen ums Überleben bei der Produktion, aber auch beim Verkauf ihrer Werke, die nur schwer ihren Weg in die Bücherregale der Mainstream-Läden finden.
Ihnen sollte mit einer Ökologie des Verlegens begegnet werden, wie enge Zusammenschlüsse und Kooperationen von alternativen Verlagen und Buchhandlungen. Ein Beispiel dafür ist die International Alliance of Independent Publishers.
In einem kenntnisreichen Nachwort stellt die Übersetzerin und Publizistin Doris Hermanns die Situation in der deutschen Verlagslandschaft dar. So verlegt seit Herbst 2016 der Penguin Verlag nun auch selbst deutsche Bücher. Finanzkräftig wie dieser Verlag ist, startet er mit einer 140 Seiten dicken Verlagsvorschau.
Das Self-Publishing, also das Publizieren unter Umgehung eines Verlages, wird in den kommenden Jahren ein großes Thema sein. Oft werden die Titel, die so erscheinen, von Großverlagen übernommen, wenn sie erfolgreich sind.
In Deutschland gibt es glücklicherweise immer noch eine Vielzahl unabhängiger Verlage mit unterschiedlichen Schwerpunkten: türkische Literatur in deutscher Sprache, jüdische Kultur und Zeitgeschichte, lesbische Literatur gehören zum Beispiel dazu. Es gibt eine Hotlist unabhängiger Verlage und es gibt deren Zusammenschluss in der Kurt Wolff Stiftung, die sich für eine vielfältige Verlags- und Literaturszene einsetzt.
An zwei Stellen fragt Hawthorne, ob es die E-Books sein werden, die das ökologische Verlegen zerstören. E-Books würden zu Schleuderpreisen verramscht werden, schreibt sie.
Hier wäre es schön gewesen, im Nachwort eine Erwähnung der so sehr, sehr wichtigen Buchpreisbindung zu finden, die seit September 2016 auch für E-Books gilt und eben diesen Ausverkauf verhindert.
AVIVA-Tipp: Susan Hawthornes Manifest geht weit über die bloße Betrachtung des Buchmarktes hinaus. Sie zeigt deutlich, wie wichtig kulturelle Vielfalt ist und wie stark sie im patriarchalen Kapitalismus behindert wird.
Zur Autorin: Susan Hawthorne, 1951 in Australien geboren. Sie hat eine Doktorin in Women Studies und Politischen Wissenschaften der Universität Melbourne und ist Expertin für unabhängiges Publizieren. Zudem ist die Dichterin, Autorin von Sachbüchern sowie Herausgeberin verschiedener Anthologien. Gemeinsam mit Renate Klein gründete sie den unabhängigen feministischen Verlag Spinifex Press.
Mehr Infos unter: www.spinifexpress.com.au
Zur Übersetzerin: Doris Hermanns, geboren 1961 in Bardenberg bei Aachen, lebt nach 25 Jahren als Antiquarin in den Niederlanden seit 2015 in Berlin. Sie ist als freie Journalistin tätig, in der Redaktion der AVIVA-Berlin, der Virginia Frauenbuchkritik und veröffentlichte u.a. zahlreiche Porträts von Frauen auf FemBio. Aktiv bei den BücherFrauen, dem Netzwerk von Frauen in der Buchbranche, dort seit 2016 eine der beiden Berliner Städtesprecherinnen.
Im AvivA-Verlag erschien 2012 ihre Biographie "Meerkatzen, Meißel und das Mädchen Manuela. Die Schriftstellerin und Tierbildhauerin Christa Winsloe".
2014 gab sie den von ihr übersetzten Roman "Sixty to Go. Roman vom Widerstand an der Riviera" von Ruth Landshoff-Yorck (AvivA-Verlag) heraus, sowie 2016 die Anthologie "Wär mein Klavier doch ein Pferd. Erzählungen aus den Niederlanden" und Christa Winsloe: "Auto-Biographie und andere Feuilletons" (AvivA-Verlag).
Susan Hawthorne
Bibliodiversität. Manifest für unabhängiges Publizieren.
Aus dem australischen Englisch und mit einem Nachwort von Doris Hermanns
Verbrecher Verlag, erschienen 2017
Gebunden, 173 Seiten
ISBN 978-3-95732-238-8
15.00 Euro
www.verbrecherverlag.de