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Beitrag vom 19.07.2017
Rana Foroohar - Makers and Takers. Der Aufstieg des Finanzwesens und der Absturz der Realwirtschaft
Helga Egetenmeier
Der erste G20-Gipfel 2008 in Washington war die Antwort auf die globale Banken- und Finanzkrise. Nun fand in Hamburg ein G20-Gipfel mit einem US-Präsidenten statt, der den US-Banken mehr Freiheiten gewährt. Dagegen schreibt die angesehene US-Wirtschaftsjournalistin Rana Foroohar mit ihrem...
... bereits vor Trumps Wahlerfolg geschriebenen Buch an und warnt vor einer neuen weltweiten Krise durch die unkontrollierte Ausweitung des Finanzwesens.
Über 20 Jahre Erfahrung als US-amerikanische Unternehmens- und Wirtschaftsjournalistin stecken in Rana Foroohars Buchveröffentlichung "Makers and Takers".Sie stellt in ihrer Analyse den Finanzsektor in den Mittelpunkt und betrachtet ihn als Teil globalisierter Unternehmen, lokal gebundener Arbeitnehmer*innen und einer - durch Politiker*innen bestimmten - nationalen Gesetzgebung. Ihre These besagt, dass der überdimensionierte Finanzsektor das produzierende kapitalistische Marktsystem immer weiter verdrängt und somit die Stabilität der Gesellschaft nachhaltig bedroht.
Mit überzeugenden Beispielen unterfüttert sie ihre Argumente gegen die vorherrschende Orientierung auf hohe Aktienkurse, die alle weiteren unternehmerischen Ansätze in den Hintergrund drängen. Anschaulich zeigt sie dies unter anderem an der Umorientierung von Apple auf Aktiengewinne statt produktiver Innovationsentwicklung, die Insolvenz der Investmentbank Lehman Brothers, die mit Steuergeldern gerettete City Group und dem in das irische Steuerparadies geflüchteten Pharmariesen Pfister.
Main Street und Wall Street - Makers und Takers
"Makers and Takers", im Buch wörtlich als "Macher und Kassierer" übersetzt, nutzt die Autorin auch als Synonyme für "Main Street und Wall Street". Sie greift damit gezielt die aus dem US-Wahlkampf 2012 stammenden Begrifflichkeiten auf. Dort wurden diese - übersetzt als "Unternehmer und Sozialhilfeempfänger"- wie Foroohar schreibt: "von konservativen Politikern verwendet, um die Hälfte der US-Bevölkerung zu verunglimpfen".
Foroohar nimmt die Kassierer*innen der Wall Street in den Blick und zeigt, dass diese die negativen Folgen für die Realwirtschaft und deren Arbeitsplätze bewusst in Kauf nehmen. Da Öl heute kein Brennstoff mehr ist, sondern eine Finanzanlage, wie auch Nahrungsmittel Spekulationsobjekte sind, zieht sie aus diesem Verhalten das Fazit: "Für viele Menschen machte dies so grundlegende Dinge wie Essen buchstäblich unerschwinglich."
Der kleine, mächtige Finanzsektor
Zu ihrer Kritik des Finanzsektor gehört, dass dieser nur einen minimaler Beitrag für die Gesamtwirtschaft der USA leistet: Mit 7 % macht der Finanzsektor einen geringen Teil der US-Volkswirtschaft aus, schafft nur 4 % der Arbeitsplätze und ist dennoch für einen Großteil der Unternehmensgewinne - 1/3 aller Unternehmensgewinne auf dem Höhepunkt des Immobilienbooms - verantwortlich.
Mehrfach widerlegt die Autorin die verbreitete Argumentation, dass Geld - also reiche Unternehmer*innen - Arbeitsplätze schaffen würden und nennt dies einen weit verbreiteten Mythos. So beschäftigte die Firma Kodak im Jahr 1990 noch 145.000 Arbeitnehmer*innen, dies reduzierte sich bis 2013 auf nur noch 8.000 Beschäftigte, da das Unternehmen ihr innovatives Produktionsverhalten zugunsten steigender Aktienkurse zurückfuhr.
Eine gerechtere Welt durch den richtigen Kapitalismus?
Die Autorin bekennt sich zum, wie sie ihn sieht, richtigen Kapitalismus der Realwirtschaft, dessen gesellschaftsstabilisierende Funktionen durch die Finanzwirtschaft bedroht sind. In ihrem letzten Kapitel "Wie man das Finanzwesen wieder in den Dienst von Wirtschaft und Gesellschaft stellen könnte" fordert sie in eingängigem "Wir-Stil" alle Leser*innen zum Handeln auf. Keine Ansprechpartner*innen sind für sie soziale Bewegungen, oder Kapitalismuskritiker*innen wie Naomi Klein, diese finden auch in ihren Ausführungen keinen Platz. Obwohl sie sehr deutliche und kritische Worte findet, vermeidet sie es, das globale Wirtschaftssystem als Ganzes in Frage zu stellen.
AVIVA-Tipp: Rana Foroohar kritisiert das destabilisierende Machtungleichgewicht zwischen der wachsenden Finanzwirtschaft und der zurückweichenden Realwirtschaft. Sie ist sich sicher, dass durch diese Entwicklung weitere Teile der Bevölkerung verarmen werden. Obwohl sie kapitalismuskritische Argumentationen meidet, liefert ihr Buch durch packende Beispiele, kritische Worte und nicht zuletzt einen eingängigen Schreibstil wichtige Informationen. Ihre konkreten Ausführungen der am Finanzsektor ausgerichteten Wirtschaftsentscheidungen lassen weniger eingeweihte Leser*innen die täglichen Börsennachrichten leichter dechiffrieren - und machen auch nachvollziehbar, weshalb Tweets vom aktuellen US-Präsidenten Aktienkurse beeinflussen können.
Zur Autorin: Rana Foroohar, geboren 1970 in Frankfort, Indiana, studierte an der Columbia Universität Englische Literatur. 13 Jahre war sie Redaktionsleiterin für Ökonomie und auswärtige Angelegenheiten und Korrespondentin für Europa und den Mittleren Osten bei Newsweek, dann sechs Jahre stellvertretende leitende Redakteurin, zuständig für Wirtschaft und Ökonomie bei der Times, wie auch deren Kolumnistin für Ökonomie. Sie ist stellvertretende Redaktionsleiterin bei der Financial Times und verantwortet die Bereiche Ökonomie, Wirtschaft, Politik und auswärtige Angelegenheiten. Außerdem ist sie für CNN als Global-Wirtschaftsanalystin tätig. Auszeichnungen: Shortlist 2016 des Financial Times and McKinsey Business Book of the Year Award.
Sie lebt mit ihrer Familie in Brooklyn.
Rana Foroohar im Netz: www.ranaforoohar.com und bei twitter
Rana Foroohar
Makers and Takers
Der Aufstieg des Finanzwesens und der Absturz der Realwirtschaft
Originaltitel: Makers and Takers: The Rise of Finance and the Fall of American Business
Übersetzer: Egbert Neumüller
Plassen Verlag, erschienen: Februar 2017
Hardcover mit Schutzumschlag, gebunden, 448 Seiten
ISBN-13: 978-3864704383
29,99 Euro
www.plassen-buchverlage.de
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