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Beitrag vom 12.08.2017
Die Erfindung der Pressefotografie. Aus der Sammlung Ullstein 1894-1945
Sharon Adler
Bilder haben Macht, und damals wie heute tragen Fotografinnen und Fotografen Verantwortung. Katalogpublikation und Ausstellung dokumentieren die Entstehung des neuen Mediums der illustrierten Presse und zeigen anhand der publizierten Fotos den Wandel von Stilen wie Machtverhältnissen.
Pressefotografie - ein Medium, das Sehgewohnheiten prägte und stellvertretend für die Herausbildung des deutschen Fotojournalismus steht.
Pressefotografien sind immer wieder Auslöser gesellschaftlicher Debatten um Authentizität und Wirkmächtigkeit von Bildern. Die Frage nach der Veröffentlichung, dem Zeigen oder Nichtzeigen treibt Bildredakteur_innen der Gegenwart um, und beschäftigte auch die Zeitungsmacher zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts.
Die Katalogpublikation "Die Erfindung der Pressefotografie. Aus der Sammlung Ullstein 1894–1945" betrachtet die mit der Wende zum 20. Jahrhundert entstandene fotografische Sammlung Ullstein sowie die von 1894 bis 1945 im gleichnamigen Verlag erschienene Berliner Illustrirte Zeitung. Im Fokus steht der Einzug der Fotografie in die Zeitungswelt, ein historischer Wendepunkt in der Entwicklung der deutschen Presselandschaft.
Mit dem von Leopold Ullstein gegründeten gleichnamigen Berliner Verlag entstand Anfang des 20. Jahrhunderts einer der größten Zeitungs- und Zeitschriftenverlage Europas: Die zu dieser Zeit veröffentlichten Fotografien dienten zunächst der Illustration von Zeitungstexten, im Laufe ihrer Wirkungsgeschichte entwickelte das junge Medium der Pressefotografie jedoch eine Vielzahl eigenständiger Positionen und Blickwinkel. Mit dem Einzug des Druckverfahrens der Autotypie Ende des 19. Jahrhunderts war eine der wichtigsten technischen Voraussetzungen für die Verbreitung von Fotografien geschaffen. Die aufstrebende illustrierte Presse sorgte für einen erhöhten Bedarf an Fotografien sowie für stabile Kooperationen zwischen Fotograf_innen und Redaktionen. Publikationen unterschiedlicher Gattungen bildeten sich heraus und erreichten ein stetig wachsendes Lesepublikum. Neben der Berliner Illustrirte Zeitung gehörten Titel wie "Die Dame", "Tempo", "Der Querschnitt", "Uhu", "Die Koralle" und viele andere mehr zum Portfolio des Verlags Ullstein.
Die Publikation "Die Erfindung der Pressefotografie. Aus der Sammlung Ullstein 1894–1945" präsentiert Werke namhafter Fotograf_innen und renommierter Bildagenturen, aber auch Aufnahmen weniger bekannter oder namenloser Urheber_innen. Die zum größten Teil jüdischen Fotografinnen und Fotografen wurden entweder ins Exil gezwungen oder ermordet. Das historisch gewachsene, einzigartige Bildkonvolut gewährt Einblicke in die Geschichte der Fotografie, der Presse und des Verlagswesens sowie in die Zeitgeschichte der abgebildeten Epochen.
Ausgehend von diesem historischen Fotomaterial will die Publikation auch dazu ermuntern, sich die in unserer Gegenwart rasant gestiegene Bedeutung von Bildern für die Wahrnehmung unserer Wirklichkeit vor Augen zu führen – angefangen von politischen Ereignissen, gesellschaftlichen Prozessen, anderen Kulturen bis hin zu den unterschiedlichen Facetten des sozialen Lebens. Denn Mithilfe von Fotografien wurden und werden Menschen unterhalten und informiert, aber auch manipuliert und getäuscht.
Als die Fotografie um die Jahrhundertwende Einzug in die Zeitungswelt hielt, veränderte sie nachhaltig die Presselandschaft. Am Beispiel der von 1894 bis 1945 im Ullstein-Verlag erschienenen Wochenzeitschrift Berliner Illustrirte Zeitung zeichnet das Deutsche Historische Museum gemeinsam mit der fotografischen Sammlung bei ullstein bild die Geburt des neuen Mediums der Illustrierten und ihren Umgang mit der Fotografie nach. Die gesammelten Originalfotografien namhafter Fotograf_innen wie Georg und Otto Haeckel, Philipp Kester, Martin Munkacsi, Felix H. Man, Erich Salomon, Yva, Max Ehlert, Lotte Jacobi, Regina Relang und Rosemarie Clausen sowie zahlreicher weniger bekannter Pressefotograf_innen zeigen eine große Bandbreite: politisches Zeitgeschehen, Alltagsleben, Kultur, Sport- und Porträtfotografie. Modefotografien finden ebenso Eingang in den Katalog wie Sport- und Milieuaufnahmen. Aufnahmen aus dem Warschauer Ghetto demonstrieren, wie perfide die antisemitische Propaganda funktionierte und die Leser_innen durch die nationalsozialistische Bildpropaganda manipuliert wurden. Auch Fotografinnen wie Rosemarie Clausen machten sich mitschuldig an diesem verzerrten Bild, indem sie Bilder schufen, die dem nationalsozialistischen Frauenbild entsprachen oder die Nazigrößen verharmlosend im Kreise ihrer Familie abbildeten.
Der Katalogteil umfasst die Epochen "Kaiserreich", "Weimarer Republik", "Drittes Reich", "Zweiter Weltkrieg", und "Fotografie als Material".
Mit fundierten Beiträgen von Foto-und Medienhistoriker_innen arbeitet die reichhaltig bebilderte Publikation ein Kapitel der Medien- und Fotogeschichte auf, das einen aufschlussreichen Blick auf das 20. Jahrhundert wirft.
Die Erfindung der Pressefotografie
Aus der Sammlung Ullstein 1894-1945
Hrsg. Deutsches Historisches Museum, Axel Springer Syndication, Text(e) von Katrin Bomhoff, Konrad Dussel, Anton Holzer, Patrick Rössler, Annette Vowinckel
Deutsch, 208 Seiten, 230 Abbildungen, Broschur, 21,00 x 26,00 cm
Hatje Cantz Verlag, erschienen 2017
ISBN 978-3-7757-4324-2
28 Euro
www.hatjecantz.de
Ausstellung
Bild der Zeit. Ullstein und die Pressefotografie 1894-1945
23. Juni bis 31. Oktober 2017
Die Ausstellung rückt mit der um die Wende zum 20. Jahrhundert entstandenen Ullstein-Pressebildsammlung und der ab 1894 im Ullstein-Verlag erscheinenden "Berliner Illustrierten Zeitung" (BIZ) einen historischen Wendepunkt in der Entwicklung der deutschen Presselandschaft in den Mittelpunkt. Sie dokumentiert den Einzug der Fotografie in die Zeitungswelt und die damit verbundene Entwicklung von modernen Zeitungspublikationen, die ihre Wirkungsmacht und ihren Publikumserfolg in wachsendem Maße über Bilder erzielten.
Im Zentrum der Ausstellung stehen die originalen Fotografien aus dem Bestand von ullstein bild: Werke namhafter FotografInnen wie Georg und Otto Haeckel, Philipp Kester, Martin Munkacsi, Felix H. Man, Erich Salomon, Yva, Max Ehlert, Lotte Jacobi oder Regina Relang. Der historisch gewachsene, einzigartige Bestand ermöglicht Einblicke sowohl in die Geschichte der Fotografie, der Presse und des Verlages als auch in die Zeitgeschichte mehrerer Epochen.
Eine gemeinsame Ausstellung von ullstein bild / Axel Springer Syndication GmbH und dem Deutschen Historischen Museum
Bild der Zeit. Ullstein und die Pressefotografie 1894-1945
23. Juni bis 31. Oktober 2017
Deutsches Historisches Museum
Unter den Linden 2
10117 Berlin
Eintritt: 8 €, ermäßigt 4 €
Mehr Infos:
www.dhm.de
AVIVA-Tipp: "Die Erfindung der Pressefotografie. Aus der Sammlung Ullstein 1894-1945" stellt eine wichtige und wertvolle Sammlung von Pressefotografien und begleitenden, informativen Texten zum Hintergrund und der Geschichte der Fotografinnen und Fotografen dar. Ein Zeitdokument, nicht nur für Historiker_innen, Journalist_innen und Fotograf_innen, sondern für alle, die sich für die Geschichte hinter den Fotografien interessieren.
Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:
Germaine Krull – Fotografien. Ausstellung vom 15. Oktober 2015 bis 31. Januar 2016. Der Katalog erschien im Hatje Cantz Verlag
Zusammen mit dem Jeu de Paume, Paris, widmet ihr der Martin-Gropius-Bau eine umfassende Werkschau. Die kosmopolitische, unkonventionelle Fotografin gilt als Entdeckerin der Moderne, prägte einen neuen Typus technischer Fotografie, bewegte sich zwischen Surrealismus und Realismus, und war wie Margaret Bourke-White eine der ersten weiblichen Kriegsberichterstatter.
Margaret Bourke-White. Fotografien 1930-1945 Sie war in vielem die Erste: Die Pionierin des Fotojournalismus sah sich als "Auge ihrer Zeit". Sie war die erste Frau, die im 2. Weltkrieg auf amerikanischer Seite mitfliegen und -schwimmen durfte, die erste Frau, die Fotos von Stahlwerken, Generatoren, Maschinen und Material machte und als Industriefotografin Erfolg hatte. (2013)
Eva Besnyö
Der Bildband zur ersten deutschen Retrospektive der ungarisch-jüdischen Fotografin (1910-2003), die entscheidende Impulse aus dem Berlin der 30er Jahre in ihrem Schaffen verarbeitete. Fasziniert vom "Neuen Sehen" und der Diagonale erkundete sie hier ihre eigene Bildsprache, vor allem im regen Austausch mit der politischen Kunstszene. (2011)
Happy birthday, Lotte Jacobi
Am 17. August 2011 wäre die deutsch-amerikanische Fotografin Johanna Alexandra Jacobi, genannt Lotte Jacobi, 115 Jahre alt geworden. Im Jahr 1935 erreichte sie New York. Im Gepäck: Eine Rückfahrkarte, die sie erst 27 Jahre später einlösen wird. (2011)
Marianne Breslauer - Unbeobachtete Momente
"Interessiert hat mich nur die Realität, und zwar die unwichtige, die übersehene, von der großen Masse unbeachtete Realität". Die Berlinische Galerie zeigte bis zum 01. November 2010 eine Retrospektive zum Anlass des 100. Geburtstags der Fotografin.
UNBELICHTET. Münchner Fotografen im Exil
Die Begleitpublikation zur gleichnamigen Ausstellung des Jüdischen Museums München von Februar bis Mai 2010 stellt, neben einem erstmals erstellten bio-bibliografischen Lexikon aller jüdischen FotografInnen, die in München gelebt und gewirkt haben, die Arbeiten von drei Fotografen vor: Alfons Himmelreich, Efrem Ilani und Jakob Rosner. (2010)
Eine Frau mit Kamera - Liselotte Grschebina. Deutschland 1908 - Israel 1994
Der Martin-Gropius-Bau präsentierte vom 5. April bis zum 28. Juni 2009 die erste Retrospektive der Fotografin der Neuen Sachlichkeit, die 1934 nach Palästina emigrierte. Gezeigt wurden 100 Fotos aus dem Zeitraum zwischen 1929 und den 1960er Jahren.
Die Riess. Fotografisches Atelier und Salon 1918 bis 1932
Die Fotoausstellung vom 06.06. bis 20.10.2008 im Verborgenen Museum widmete sich der jüdischen Künstlerin Frieda Riess, die in den Zwanziger Jahren weit über Berlin hinaus für Portraits bedeutender Persönlichkeiten bekannt war.
Ruth Jacobi - Fotografien
Die Künstlerin stand, obwohl nicht weniger begabt, lange Zeit im Schatten ihrer bekannteren Schwester Lotte Jacobi (1896-1990). Daher hat das Jüdische Museum Berlin erstmalig eine großartige Auswahl ihrer Aufnahmen im Rahmen einer Ausstellung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, um auch deren fotografisches Talent zu würdigen. Das Begleitbuch zur Ausstellung zeigt nicht nur bemerkenswerte Fotografien, sondern gibt dank der Memoiren von Ruth Jacobi auch Einblick in ihren familiären Hintergrund, ihren Lebenslauf und in ihre Persönlichkeit. (2008)
Gisèle Freund. Photographien & Erinnerungen
Am 19. Dezember 2008 wäre sie 100 Jahre alt geworden. Die Fotografin und Fotoreporterin Gisèle Freund beeindruckt nicht nur durch ihr Œuvre, sondern auch durch ihre bewegte Lebensgeschichte. (2008)
Helen Levitt – Fotografien 1937-1991
Spielende Kinder, gelangweilte Erwachsene, ruhende Alte – jedes der Bilder Helen Levitts mutet an wie Poesie, dabei zeigen sie eigentlich nur den Alltag auf den ärmlichen Straßen New Yorks. (2008)
Drei Fotografinnen. Eine Doku von Antonia Lerch
In den 30ern waren sie außergewöhnliche Künstlerinnen: Ilse Bing, Grete Stern, Ellen Auerbach. Und wie sieht ihr Leben 60 Jahre später aus, welche Erinnerungen haben sie an die Vergangenheit? (2007)
Ellen Auerbach. Das dritte Auge
Aus Deutschland vertrieben, in Palästina keine Heimat gefunden und in die USA ausgewandert, befand sich die jüdische Fotografin stets auf der Suche. Heimat- und Orientierungslosigkeit prägten sie. (2007)
Changing New York 1935-1939 fotografiert von Berenice Abbott
Das ehrgeizige Projekt einer begabten und eigenwilligen Fotografin. Das Museum Ephraim-Palais zeigt bis zum 20. April 2004 eine Ausstellung aus dem Museum of the City of New York. (2004)
Quellen: Deutsches Historisches Museum, Hatje Cantz Verlag, AVIVA-Berlin