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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 29.10.2017


Zsuzsa Bánk - Schlafen werden wir später
Bärbel Gerdes

Der neue Roman der 1965 als Tochter ungarischer Eltern in Frankfurt am Main geborenen Autorin ("Die hellen Tage", "Heißester Sommer", "Der Schwimmer") verbindet Moderne und Romantik, Mails und Briefe. Zwei Freundinnen korrespondieren miteinander und teilen ihr Leid.




Wenn Zsuzsa Bánk einen neuen Roman schreibt, darf frau gespannt sein: ihr Erstling "Der Schwimmer" heimste zahlreiche Preise ein. Auch "Die hellen Tage" stieß auf viel Lob im Feuilleton. Durchaus geteilt ist die Reaktion auf dieses Buch.

Die Schriftstellerin Márta Horváth lebt mit ihrem Mann und drei Kindern in einer deutschen Großstadt. Ihr Leben bewegt sich zwischen dem Frauen so sehr bekannten Zwiespalt, den Kindern und der Familie alles recht machen zu wollen und sich und das eigene Leben dabei nicht zu opfern.
Johanna Messner lebt alleine im Schwarzwald. Sie ist Lehrerin, arbeitet zurzeit an ihrer Dissertation über das Naturempfinden von Annette von Droste-Hülshoff und kämpft mit ihrer jüngeren und älteren Vergangenheit: ihrer Krebserkrankung, dem Verlassen geworden sein von ihrem Lebensgefährten Marcus und dem frühen Tod ihres Vaters.

Die beiden Frauen kennen sich seit frühester Kindheit. Es verbindet sie eine tiefe Zuneigung, doch auch eine gewisse Eifersucht auf das Leben der anderen. Das kinderlose verspricht das, was Màrta beim Schreiben ihres ersten Buches „Ein anderes Zimmer" nicht hatte: Freiheit, selbstbestimmte Zeit und Ruhe. Hier winkt heftigst Virginia Woolf´s A Room of Ones Own. Márta musste die Stunden des Schreibens der Nacht abtrotzen, oft erschöpft und müde.

Doch das Leben mit Kindern kann ebenso begehrenswert sein: die vermeintliche Sicherheit einer liebenden Familie und eines Ortes der Zugehörigkeit. Drei Jahre und drei Monate währt dieser Briefwechsel, der eigentlich aufs Papier gehört statt in den Rechner. Denn die Sprache, in der die beiden Protagonistinnen ihre Befindlichkeiten, Gegebenheiten und Traurigkeiten miteinander teilen, erinnert stark an die Romantik, scheint also aus der Zeit gefallen und klingt oft genug – nun ja, stark an der Grenze zum Kitsch.

Die beiden Freundinnen, beide Mitte vierzig, "wo das Leben schon relativ festgezurrt ist und die wichtigsten Entscheidungen getroffen sind", wie Zsuzsa Bánk in einem Interview sagte, überhöhen durch diese Sprache ihr Leben und ihre Freundschaft: "Mártilein, halte die Welt ruhig ferne von Dir. Sollte es gelingen, nur zu. Nur zu! Aber sie will herein, Márti" schreibt die eine, und Márti erzählt von ihrem Alltag, in dem die Zwänge der Schule ihr Leben in ihre Mühle presst :"während mein Miamädchen paukt, zerstückelt und zerhackt es auch mein Mártaleben.".

Die gemeinsame Liebe der beiden Frauen gehört der Literatur. Kursiv gesetzte Zitate werden in die jeweiligen Briefe eingefügt. Und diese verstärken die dunkle Stimmung aus Schwere und Leid und Romantik und Überhöhung des Alltags und ihrer Freundinnenschaft. Vieles wird bedeutungsschwanger. Während Johanna in einem Hamburger Café sitzt, schreibt sie Márti. "Sitze am Fenster. In einem winzigen, vergessenenswerten Winkel dieses großen Deutschlands.

Zsuzsa Bánk wollte seit längerem einen Briefroman schreiben. Die Autorin, die mit Mann und zwei Kindern in Frankfurt lebt, betont, dass sie mit Márti nicht identisch sei.
Über fast 700 Seiten ergießt sich das, was die Autorin an anderer Stelle als melancholischen Beschwerdeton über das Leben genannt hat, der ihr Schreiben ausmache.

"Eigentlich müsste jede einzelne Seite dieses Briefromans laminiert sein. Denn es wird reichlich geweint.", schreibt die FAZ in ihrer Rezension. Von einem "Traumschloss der Empfindsamkeit und der Herzensbildung", berichtet hingegen die Welt.

"...das dunkle Steingrau draußen passt zu dem in mir, ich selbst habe mich wegerzählt, ich finde, das trifft es, ja, ich selbst werde mich wegerzählt haben..
Hoffen wir, dass Zsuzsa Bánk bleibt.

AVIVA-Tipp: Durchaus kontrovers lässt sich dieses Buch lesen. Aus der Zeit gefallene romantische Überhöhung oder die Entdeckung einer tieferen Sprache als die heutiger Mails und Tweeds? Auf jeden Fall bemerkenswert.

Zur Autorin: Zsuzsa Bánk wurde am 24. Oktober 1965 als Tochter ungarischer Eltern, die nach dem Aufstand in Ungarn 1956 in den Westen flohen, in Frankfurt am Main geboren. Sie arbeitete als Buchhändlerin und studierte anschließend Publizistik, Politik und Literatur. Seit 2000 arbeitet sie als freie Schriftstellerin und lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern in Frankfurt am Main. Für ihren ersten Roman "Der Schwimmer" erhielt sie 2002 zahlreiche Preise, unter anderen den aspekte-Literaturpreis und den Deutschen Bücherpreis. Für die Erzählung "Unter Hunden" aus ihrem Erzählungsband "Heißester Sommer" erhielt sie den Bettina-von-Arnim-Preis. Zuletzt erschienen ihre Romane "Die hellen Tage" und "Schlafen werden wir später".
Mehr Infos unter: www.zsuzsabank.de

Lesungen in Berlin

15.11.2017, 20:00 Uhr
Pankebuch
Wilhelm-Kuhr-Straße 5
13187 Berlin

16.11.2017, 17:45 Uhr
Morus 14
Morusstraße 14
12053 Berlin

Zsuzsa Bánk
Schlafen werden wir später

S. Fischer Verlag, erschienen 2017
Gebunden, 688 Seiten
ISBN 978-3-10-005224-7
24,00 Euro
Mehr Infos zum Buch sowie Lesungstermine unter: www.fischerverlage.de

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Zsuzsa Bánk - Die hellen Tage
Dieses Buch erzählt von der Freundschaft, von Liebe und Lebenslügen, vom schmerzlichen Vergehen der Zeit und von einer unstillbaren Sehnsucht. Dabei lauschen wir einer Sprache, die zu Musik wird. (2011)


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Beitrag vom 29.10.2017

Bärbel Gerdes