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Beitrag vom 08.05.2018
Dava Sobel - Das Glas-Universum. Wie die Frauen die Sterne entdeckten
Silvy Pommerenke
"Langperiodische Veränderliche", "Spektralserie", "Pekuliarobjekte", "Cepheiden" oder "Wasserstofflinienalphabet" sind für Sie Fremdwörter? Nach der Lektüre von "Glas-Universum" der Wissenschaftsredakteurin der New York Times, Dava Sobel, nicht mehr!
Denn die äußerst spannende Lektüre, die nicht nur den Beginn von Frauen in der Sternforschung, sondern auch die aus heutiger Sicht sehr abenteuerlich anmutende Arbeit der Wissenschaftler*innen schildert, führt zur allgemeinen Aufklärung. Für ihre Recherche wertete Dava Sobel unzählige Briefe, Tagebücher, Fach- und Zeitungsartikel, Annalen oder Jahresberichte der Harvard Universität aus dem späten 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts aus.
Die Frauen forschten damals mit technischen analogen Mitteln, die dem aktuellen digitalen Standard natürlich nicht das Wasser reichen können. Dafür ist es umso beeindruckender, welch imposante Daten gesammelt und ausgewertet wurden. Sie bilden bis heute die Grundlage der Astronomie. Und nicht zuletzt haben wir das diesen Frauen des späten 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts zu verdanken, die trotz schlechter – oder gar keiner - Bezahlung und der gesellschaftlichen Kritik (es war allgemein verpönt, dass Frauen in der Wissenschaft tätig waren - zudem wurde ihnen der nötige Intellekt abgesprochen…), sich in höchstem Maße für diese Sisyphus-Arbeit einsetzten. Denn das war es, Sisyphus-Arbeit! Nächtelang beobachteten sie die Sterne und fotografierten sie, um anschließend die Fotoplatten auszuwerten und zu katalogisieren. Dies war natürlich mit einem immensen finanziellen Aufwand verbunden, der wiederum nur abgedeckt werden konnte, weil sich gut situierte Frauen als Mäzeninnen anboten. In der Regel waren dies kinderlose Witwen oder alleinstehende reiche Erbinnen, die das Lebenswerk ihrer Männer vollenden oder etwas Sinnvolles mit dem Erbe bewirken wollten.
Zu nennen wäre hier beispielsweise Anna Palmer Draper, die zu Lebzeiten ihres Mannes mit ihm gemeinsam forschte, und die nach seinem Tod ihre astronomische Ausrüstung an das Harvard College Observatory stiftete. Zudem gründete sie das Henry Draper Memorial, um die Fortsetzung der Forschung zu finanzieren. Als weitere sehr spendable Gönnerin ist Catherine Wolfe Bruce zu nennen, die zwar selbst nicht astronomisch forschte, die aber insgesamt ein halbes Vermögen (etwas über drei Millionen Euro nach heutiger Währung) spendete, und damit den Kauf mehrerer leistungsfähiger Teleskope ermöglichte, wovon - unter anderem - erneut das Harvard College Observatory profitierte.
Miss Bruce wurde im Laufe der Jahre zu einem wahren Magneten für die Astronomie-Forschung, der sie nicht nur Geld, sondern auch die "Bruce Medal" für besondere astronomische Leistungen stiftete (die nach ihrem Dünken unbedingt auch an Frauen verliehen werden sollte!). Und Harvard entwickelte sich immer mehr zum Dreh- und Angelpunkt der Astronomie, allen voran der Forscher Edward Pickering, der sich als Direktor des Instituts für die Eingliederung von Frauen in diesen Forschungszweig einsetzte. Einige prominente Namen seiner Mitarbeiterinnen waren Annie Jump Cannon,Williamina Fleming, Henrietta Swan Leavitt oder Antonia Maury, die außergewöhnliche astronomische Entdeckungen machten.
Es setzte ein allmählicher Sinneswandel in Harvard ein, denn Pickering führte Astronomie-Vorlesungen für Frauen ein, und am MIT/Massachusetts Institute of Technology (web.mit.edu) wurden einige Studentinnen zu Physik-Vorlesungen zugelassen. Zu seinen Absolventinnen gehörten unter anderem Mary Emma Byrd, spätere Direktorin des Smith College Observatory und Sarah Frances Whiting, spätere Professorin für Physik. Was sich fast zu schön, um wahr zu sein anhört, sah in der allgemeinen Praxis denn doch anders aus, denn für die Astronomie-Studentinnen, die eine Assistenz-Stelle am Observatorium erhielten, hieß es: unbezahlte Arbeit! Oder aber sie wurden deutlich schlechter bezahlt als ihre männlichen Kollegen.
Was aber verbirgt sich denn nun eigentlich hinter dem Begriff "Glas-Universum"? Das ist nichts anderes, als ein Synonym des Harvard-College-Observatoriums - weil dort die zahllosen belichteten Glasplatten lagerten, die die Frauen zuvor mit den Teleskopen fotografiert hatten. Diese Glasplatten wurden damals mit einer Fotoemulsion beschichtet und so entstand eine Fotoplatte. Im 19. Und 20. Jahrhundert die einzige Möglichkeit, die astronomische Welt für die Ewigkeit festzuhalten.
Neben 32 Abbildungen finden sich im Anhang ein Glossar zur Erläuterung der wichtigsten Begriffe sowie Quellenverzeichnis, Bibliografie und Anmerkungen wieder. Selbstredend führt Dava Sobel auch noch ein Register auf, und abgerundet wird das Sachbuch mit einem Überblick von Höhepunkten des Harvard-College-Observatoriums der Jahre 1839 bis 2005 mit Kurzbiografien einiger Persönlichkeiten dieses Umfeldes.
AVIVA-Tipp: Stellenweise ist das Sachbuch zwar etwas langatmig geraten und Dava Sobel hätte sicherlich einige literarische Abkürzungen gehen können. Nichtsdestotrotz ist "Das Glas-Universum" ein ungemein spannendes Buch, das die Geschichte des Glas-Universums beleuchtet - dem Synonym für das Harvard-College-Observatoriums -, vor allem aber die Geschichte der Pionierinnen der Sternenkunde detailliert wiedergibt.
Zur Autorin: Dava Sobel ist eine vielfach ausgezeichnete Wissenschaftsredakteurin der New York Times. Weltweit bekannt wurde sie als Autorin des Bestsellers "Längengrad", mit dem sie eine völlig neue und überaus erfolgreiche Form des populären Wissenschafts-Sachbuchs begründete. Im Berlin Verlag erschienen auch die Romane "Planeten" und "Galileos Tochter". Dava Sobel lebt in East Hampton und in New York. (Quelle: Verlagsinformationen u.a.)
Dava Sobel im Netz: www.davasobel.com
Dava Sobel – Das Glas-Universum
(Wie die Frauen die Sterne entdeckten)
Original-Titel: The Glass Universe
Ãœbersetzer*innen: Thorsten Schmidt, Christiane Wagler
Piper Verlag, erschienen November 2017
Gebunden mit Schutzumschlag, 464 Seiten
ISBN 978-3-8270-1214-2
Euro 26,00
Mehr Infos zum Buch unter: www.piper.de
Weitere relevante Informationen zu "Frauen in der Wissenschaft" finden Sie unter:
Nationales Netzwerk Computational Neuroscience: www.nncn.de
"For Women in Science", Deutschland: www.fwis-programm.de
"For Women in Science", International: www.forwomeninscience.com
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