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Beitrag vom 18.10.2018
Meg Wolitzer - Das weibliche Prinzip
Bärbel Gerdes
Zwei Frauen stehen im Mittelpunkt des neuen Romans der Bestsellerautorin Meg Wolitzer ("Was uns bleibt ist jetzt", "Die Interessanten"). Eine ikonenhafte Altfeministin und eine sich plötzlich politisierende Studentin versuchen, den Feminismus neu zu beleben.
Greer Kadetsky ist eine junge, sehr schüchterne Studentin, die an einer unbedeutenden Universität an der Ostküste der Vereinigten Staaten studiert, während ihr Freund Cory einen Studienplatz in Princeton ergattert hat. Sie lernt die lesbische Aktivistin Zee kennen, die Frauenrechte, die Rechte sexueller Minderheiten, Kriege und die dadurch ausgelösten Flüchtlingsströme auf ihre Agenda gesetzt [hatte] und am Ende auch noch den Klimawandel. Greer hingegen hatte noch kein politisches Bewusstsein entwickelt.
Gleich auf ihrer ersten Party erlebt sie einen sexuellen Angriff durch einen Studenten. Mit der Zeit stellt sich heraus, dass noch weitere Studentinnen betroffen sind, die die Taten öffentlich machen. Und auch Greer kommt zu ihrer ersten Aktion: mit Zee bügelt sie das Foto des Täters mit dem Wort Unerwünscht auf T-Shirts, die sie verschenken wollen. Sie wurden aber nur fünf los. Eine Enttäuschung, ein trauriger Fehlschlag.
Durch Zee wird Greer auf die Feministin Faith Frank aufmerksam, die für einen Vortrag in die Stadt kommt. Die 63jährige ist eine Ikone der Zweiten Frauenbewegung. Ihr Manifest Das weibliche Prinzip war ein Riesenerfolg. Faith Franks Markenzeichen sind hohe, sexy Wildlederstiefel, die bewiesen, dass sie früher ein heißer Feger war und ein sexueller Vulkan. Natürlich ist sie charismatisch, besitzt ein unglaubliches Lächeln und größte Souveränität.
Und weil Greer sich nach dem Vortrag zu Wort meldet und von dem Umgang des Colleges mit dem Sexualstraftäter berichtet und weil sie und ihre Freundin Zee Faith Frank in der Damentoilette treffen und letztere Greer ihre Visitenkarte in die Hand drückt, erhält Greer nach dem Studium einen Job in der Redaktion der kleinen und in die Jahre gekommenen Zeitschrift Bloomer, die Frank gegründet hat.
Was also war es, das Faith Frank in ihr sah und an ihr mochte? fragt sich Greer und fragt sich auch die Leserin.
Zu holzschnittartig ist dies alles, zu konstruiert. Greer regiert mit strenger Hand ihre Redaktion und lässt an Alice Schwarzer denken. Ein ehemaliger Liebhaber bietet ihr als Risikokapitalgeber und Milliardär Geld an, weil er unsere Mission während all der Jahre bewundert hat. Er plant, eine Stiftung für Frauen ins Leben zu rufen, weil er die Ideale des Feminismus auf eine ganz neue Art in der Welt verbreiten will. Dazu sollen Faith Frank und ihre Redaktion Tagungen, Gespräche und Konferenzen organisieren.
Greer arbeitet hart mit den anderen Menschen im Team, die beschrieben werden als sexy, stilbewusst oder gut aussehend und mit einem markanten Kinn.
Der Protest im Netz lässt nicht lange auf sich warten: als Fingersandwichfeminismus werden die Charity-Veranstaltungen gebrandmarkt.
Es geht um Macht und Ehrgeiz, es geht um Verrat unter Freundinnen.
Meg Wolitzer hat einen Unterhaltungsroman geschrieben, der sich oberflächlich mit dem Feminismus befasst, jedoch nicht in die Tiefe vordringt. Er wirkt ein wenig wie jene T-Shirts, die heute in x-beliebigen Läden zu kaufen sind und auf denen das Wort Feminismus steht. Zu wenig plausibel ist Greers plötzliche frauenbewegte Politisierung, zu vorurteilsbehaftet die Darstellung von Faith Frank und zu seltsam mutet die Betonung der äußerlichen Attraktivität der Alt-Feministinnen an, als wolle Wolitzer auf jeden Fall dem Männerbild von der hässlichen Emanze entgegenwirken, die keinen abgekriegt hat.
Dass am Ende Greers Mutter zu bedenken gibt, ob nicht Cory der eigentliche Feminist ist, macht das Buch nicht besser.
AVIVA-Tipp Mit Meg Wolitzers neuem Roman warm zu werden fällt schwer. Er wirkt konstruiert und thematisiert zu absichtsvoll Feminismus und #metoo-Debatte.
Zur Autorin: Meg Wolitzer wurde 1959 in Long Island, New York geboren und studierte Creative Writing am Smith College und an der Brown University. 1982 erschien ihr erster Roman Sleepwalking. Drei ihrer Bücher wurden verfilmt, darunter The Interestings, der 2014 unter dem Titel Die Interessanten auf Deutsch erschien. Meg Wolitzer unterrichtet Kreatives Schreiben an der University of Iowa und am Skidmore College. Sie lebt in New York City.
Mehr zur Autorin: www.megwolitzer.com
Zum Übersetzer: Henning Ahrens, geboren 1964, ist Schriftsteller und Übersetzer. Er studierte in Göttingen, London und Kiel Anglistik, Geschichte und Kunstgeschichte. Ahrens übersetzte u.a. Die Tagebücher John Cowper Powys, Don Paterson und Arthur Conan Doyle. Er schreibt Lyrik und Prosa und wurde mit zahlreichen Preisen geehrt. Henning Ahrens lebt in Frankfurt am Main.
Meg Wolitzer
Das weibliche Prinzip
Originaltitel: The Female Persuasion. Originalverlag: Riverhead Books, New York 2018
Aus dem Englischen von Henning Ahrens
Dumont Verlag, erschienen am 16.7.2018
496 Seiten, mit farbigem Vorsatzpapier und Lesebändchen
ISBN 978-3-8321-9898-5
24,00 Euro
Mehr zum Buch: www.dumont-buchverlag.de