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Beitrag vom 04.01.2020
Shelagh Delaney – A Taste of Honey. Erzählungen und Stücke
Saskia Balser
Sie war die eine Frau unter den "Angry Young Men" im England der 1950er und 60er Jahre: Shelagh Delaney wurde mit ihrem Theaterstück "Bitterer Honig" zu einer der bekanntesten Schriftstellerinnen und Drehbuchautorinnen ihrer Zeit. Eine Zusammenstellung ihrer Erzählungen und Stücke in neuer Übersetzung im AvivA Verlag sorgt dafür, dass Delaney auch im deutschsprachigen Raum nicht in Vergessenheit gerät.
Hierzulande ist der Name Shelagh Delaney vermutlich nur einigen wenigen Theater- und Filminteressierten bekannt. Denn das Werk der aus der nordenglischen Arbeiter*innenstadt Salford stammenden (Drehbuch-)Autorin hat aus verschiedenen Gründen insbesondere außerhalb Großbritanniens nicht die Anerkennung bekommen, die es verdiente. Dem wirkt das von Tobias Schwartz und André Schwarck im AvivA-Verlag herausgegebene Buch "A Taste of Honey" entgegen. Warum es sich lohnt, sich mit Delaney zu beschäftigen und wieso ihre Texte aktuell wie nie sind, erläutert Schwartz gleich zu Beginn seines mit "Shakespeares Schwester" betitelten Vorworts: Er hält sie für "die wohl wichtigste und einflussreichste Autorin der britischen Nachkriegsliteratur und Ikone der Popkultur" und "keinesfalls nur eine feministische Fußnote".
Bitterer Honig
Ihren Durchbruch feierte Delaney bereits im Alter von 20 Jahren, als ihr Theaterstück "A Taste of Honey" (im Deutschen: "Bitterer Honig") von Regisseurin Joan Littlewood inszeniert wurde. Die Tochter einer Fabrikarbeiterin und eines Busfahrers schrieb über das, was sie selbst bewegte und was sie kannte. Mitunter deshalb wird sie oft als Teil der "Angry Young Men" betrachtet. Wie ihre männlichen Kollegen schrieb auch sie gesellschafts- und sozialkritische Texte, die im Arbeiter*innenmilieu spielen und sich beispielsweise mit Klassenkonflikten beschäftigen. So muss sich beispielsweise ihre Protagonistin Jo aus "A Taste of Honey" mit einer ungewollten Schwangerschaft von einem Matrosen (zudem noch mit nicht-weißer-Hautfarbe) auseinandersetzen. Sie verliert jedoch nicht den Mut und beteuert: "Ich werde mein Kind schon alleine durchbringen. [...] Ich kann alles machen, wenn ich es mir einmal in den Kopf gesetzt habe." Delaneys feministische Prägung wird deutlich.
Das Theaterstück war so erfolgreich, dass es drei Jahre später von Tony Richardson verfilmt wurde. Das Drehbuch zum Film schrieb Delaney selbst und wurde dafür mit dem BAFTA-Award ausgezeichnet.
Einflüsse und Inspirationen
Anders als ihr Debüt wurde ihr anschließendes Stück "Der verliebte Löwe" von den Kritiker*innen verrissen. Von da an hielt sich Delaney eher im Hintergrund und arbeitete weiterhin erfolgreich an Drehbüchern. Der Film "Dance with a Stranger", der die Geschichte von Ruth Ellis, der letzten Frau, die in Großbritannien hingerichtet wurde, erzählt, ist einer ihrer größten Erfolge. Dass Delaney weiterhin wirkte und andere Künstler*innen inspirierte, lässt sich an einigen Werken des Sängers Morrissey von der Band "The Smiths" erkennen. Zwei seiner Albumcover zeigen Delaneys Gesicht und in dem Song "Reel around the Fountain" zitiert er eine Zeile aus "A Taste of Honey", die mittlerweile weltbekannt ist: "I dreamt about you last night. And I fell out of bed twice.
AVIVA-Tipp: Was zur Zeit seiner Veröffentlichung noch als Schund bezeichnet wurde, war kurz darauf schon ein großer Erfolg: "A Taste of Honey" ist nur eins der vielen unkonventionellen, eindringlichen, aufmüpfigen Werke Shelagh Delaneys, weshalb der gleichnamige Band in neuer Übersetzung eine hervorragende Gelegenheit bietet, diese zu oft vergessene Künstlerin (wieder-) zu entdecken.
Shelagh Delaney
A Taste of Honey
Erzählungen und Stücke
Hg. von Tobias Schwartz & André Schwarck
Aus dem Englischen übersetzt von Tobias Schwartz
AvivA Verlag, ET: 16. Oktober 2019
Klappenbroschur, 400 Seiten
ISBN 978-3-932338-77-9
22 Euro
Mehr Infos zum Buch unter: www.aviva-verlag.de
Zur Autorin: Shelagh Delaney, 1938 in Salford bei Manchester geboren, wurde durch ihr 1958 uraufgeführtes Theaterstück "A Taste of Honey" berühmt. Es lief u.a. am Broadway und wurde 1961 verfilmt. Ihr zweites Stück "The Lion in Love" folgte 1960. 1964 erschien der Erzählungsband "Sweetly Sings the Donkey". Später arbeitete sie hauptsächlich als Drehbuchautorin. Shelagh Delaney starb 2011 in Suffolk.
(Quelle: Verlaginformation)
Mehr Infos unter: www.aviva-verlag.de
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