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Beitrag vom 15.02.2021
Elisa Macellari Kusama. Eine Graphic Novel. Eine Retrospektive im Berliner Gropius Bau vom 19. März bis 1. August 2021
Christina Mohr
Yayoi Kusamas berühmteste Werke kennt wahrscheinlich jede/r: Bunte Punkte, die über Leinwände, Skulpturen, Wände, Körper und Kürbisse wandern und geradezu halluzinatorische Wirkung entfalten. Und das nicht aus purem Spaß am Malen: Die 1929 in Matsumoto, Japan geborene Künstlerin...
… litt unter ihrer strengen Erziehung und entwickelte bereits in der Kindheit psychische Störungen.
Sie sah Punkte- und Karomuster vor den Augen und fürchtete, sich darin aufzulösen. Schon in ihren frühen Werken übertrug sie mit förmlich manischem Produktionszwang diese Halluzinationen mit Farbe auf Flächen. Später entwickelte sie Ängste vor phallischen Formen, Sexualität generell und vor Essen, was sie ebenfalls in ihrer Kunst verarbeitete. Ihre Psychotherapien verheimlichte sie nie, sondern thematisierte sie offen in ihrer Kunst und Happenings.
Gegen den Willen ihrer Eltern zog sie 1958 nach New York, wo sie mit Unterbrechungen bis 1972 lebte und arbeitete. Ihre ungewöhnlichen Werke erregten auch in New York City Aufsehen. Sie gehörte zu den wichtigsten Künstlerinnen der Stadt, an ihren körperbetonten Happenings nahmen regelmäßig zahlreiche Menschen teil. Auch Andy Warhol gehörte zu ihrem Freundeskreis. 2017 eröffnete Yayoi Kusama in Tokyo ihr eigenes Museum.
Leben und Schaffen dieser Frau in einer Graphic Novel zu würdigen, liegt nahe – und ist doch ein schwieriges Unterfangen, weil Mensch und Kunst so untrennbar miteinander verwoben sind. Die thai-italienische Illustratorin Elisa Macellari hat sich dieser komplexen Aufgabe gestellt, und das Ergebnis ist mehr als überzeugend. Macellari hat "Kusama" wie ein Biopic gestaltet: Beginnend mit einer eindrücklichen Kindheitsszene zeichnet sie den unaufhaltsamen wie alternativlosen Weg des jungen Mädchens bis zur gefeierten Künstlerin nach – inklusive nachempfundener Werke Kusamas, die in Macellaris Zeichnungen Leben und Kunst miteinander verbinden, ineinander übergehen lassen. Macellaris Stil ist klar und sensibel zugleich: Sie stellt reale Personen wie Salvador Dalà und Kusamas väterlich-platonischen Freund Joseph Cornell in ihrer Unverkennbarkeit dar, ohne sie zu plakativen Karikaturen zu degradieren. Ebenso gelingt es ihr, Kusamas Ängste und Obsessionen bildlich zu erläutern. So überwuchern die berühmten phallischen Objekte ganze Seiten, während Kusamas eigene Einschätzung wie aus dem Off in Sprechblasen zu hören/lesen ist:
"Ich würde es psychosomatische Kunst nennen." Macellari überzeichnet den Aspekt der "Krankheit" nicht – vielmehr betont sie den kompromisslosen Weg Kusamas, der noch nicht beendet ist. Zur feministischen Ikone wurde Kusama en passant: Zunächst musste sie ihre eigenen Dämonen bekämpfen, was sie bis heute tut.
AVIVA-Tipp: In großartigen Bildern skizziert Elisa Macellari Leben und Werk der japanischen Künstlerin Yayoi Kusama, deren vermeintlich fröhliche Pünktchen-Bilder frau nun mit anderen Augen sehen wird.
Zur Autorin: Elisa Macellari ist eine thai-italienische Illustratorin. Ihre Arbeiten erscheinen in der New York Times und Corriere della Sera, bei Mondadori, Feltrinelli und Nobrow Press. Ihre erste Graphic Novel, Papaya Salad (2018), wurde auf Italienisch, Französisch und Spanisch veröffentlicht.
Mehr Infos: www.elisamacellari.com
Elisa Macellari
Kusama. Eine Graphic Novel
Ãœbersetzt von Juliane Lochner
Laurence King Verlag, erschienen August 2020
Hardcover, 128 Seiten400 farbige Illustrationen
Sprache: deutsch
ISBN: 978-3-96244-150-0
€18,00
Mehr zur Graphic Novel unter: www.laurencekingverlag.de
Mehr Infos auf der Webseite des Museums von Yayoi Kusama in Tokyo yayoikusamamuseum.jp
Eine Retrospektive im Berliner Gropius Bau vom 19. März bis 1. August 2021
Der Gropius Bau widmet Kusama die erste umfassende Retrospektive in Deutschland, die auf knapp 3000 m² zentrale Schaffensperioden aus über 70 Jahren nachzeichnet und eine Reihe aktueller Arbeiten umfasst, darunter auch einen neuen Infinity Mirror Room. Kuratiert von Stephanie Rosenthal
Mehr Infos: www.berlinerfestspiele.de