Amanda Gorman - The Hill we Climb / Den Hügel hinauf. Zweisprachige Ausgabe - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Literatur



AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 21.04.2021


Amanda Gorman - The Hill we Climb / Den Hügel hinauf. Zweisprachige Ausgabe
Silvy Pommerenke

Mit 22 Jahren ist Amanda Gorman die jüngste Inaugurationsrednerin in der Geschichte der USA. Ihr ergreifendes Gedicht hat wohl alle berührt, die Präsident Joe Bidens und Vize-Präsidentin Kamala Harris´ Amtseinführung mitverfolgt haben. Im März 2021 wurde die deutsche Übersetzung herausgegeben, die im Vorfeld zu heftigen Diskussionen führte.




Bei diesen Diskussionen ging es um die Frage, ob das Gedicht einer Afroamerikanerin von Weißen übersetzt werden durfte? Oder, ob dies nicht lieber von Schwarzen gemacht werden sollte? Kann ein*e Übersetzer*in, der oder die nicht den gleichen soziokulturellen Hintergrund hat, das Gedicht wirklich erfassen und überzeugend wiedergeben? Das sind alles berechtigte Fragen, die nicht so einfach zu beantworten sind.

Der Auslöser der Debatte fand in den Niederlanden statt, als der Amsterdamer Verlag Meulenhoff die (weiße) niederländische Schriftstellerin Marieke Lucas Rijneveld mit der Übersetzung beauftragt hatte. Nachdem die Schwarze Aktivistin Janice Deul gegen die Vergabe des Auftrags an eine Weiße protestierte, trat Rijneveld von dem Auftrag zurück. Für den Verlag Hoffmann & Campe galt es nun, die richtigen Übersetzerinnen zu finden, um möglichen Protesten auszuweichen. Die Auswahl, die der Verlag traf, scheint gelungen zu sein. So haben sie nicht nur gleich drei Übersetzerinnen beauftragt, sondern sie suchten sich gezielt Frauen aus, die mit ihrem eigenen Background eher zu Amanda Gorman passen, als es Marieke Lucas Rijneveld zu sein schien.

Die Aufgabe, die den drei Übersetzerinnen Uda Strätling, Hadija Haruna-Oelker und Kübra Gümüşay anvertraut wurde, war somit keine leichte, denn sie hatten nicht nur den medialen Disput vor Augen, sondern auch das Problem, klangliche und metrische Eigenarten des englischen Originals in die deutsche Sprache zu übertragen. Lyrik-Übersetzungen zählen wohl zum schwierigsten Genre, denn noch mehr als bei Prosa-Texten kommt es hier auf jedes Wort, auf jede Betonung, ja, auf jede Silbe an. Bei dem Bemühen, genderbewusste und -sensitive Sprache anzuwenden (was grundsätzlich ihre Berechtigung hat, aber in lyrischen Texten offensichtlich nicht immer funktioniert), haben sie genderneutrale Bezeichnungen gewählt, die sich damit stellenweise von dem englischen Original entfernen. Aus "Because being American is more than a pride we inherit" wird "Denn amerikanisch sein ist mehr als der uns überkommene Stolz", und aus "Can dream of becoming president, only to find herself reciting for one" wird "davon träumen kann, Präsidentin zu werden, und nun hier, für einen Präsidenten vorträgt." So politisch korrekt auch die Bemühungen sind, der Zauber des Originals geht verloren.

Der Zauber liegt aber nicht nur in der Sprache von Amanda Gorman, sondern auch in der Art und Weise, wie sie es vorträgt. Ihre Gestik, ihre Mimik, die genau gesetzten Pausen und Betonungen machen deutlich, wie wenig ein gedruckter Text einem mündlichen Ausdruck entgegensetzen kann. Das Video der Inaugurationsrede ist online auf YouTube.

Nichtsdestotrotz ist die Übersetzung für diejenigen wichtig, die keine englischen Muttersprachler*innen sind, und die mit der US-amerikanischen Geschichte und Symbolik nicht vertraut sind. Um eventuelle Unklarheiten aufzulösen, haben die drei Übersetzerinnen im Anhang diverse feststehende US-amerikanische Begriffe, Bibelstellen oder historische Begebenheiten erklärt, die für das Verständnis des Gedichtes evident sind. Zu dem detaillierten Nachwort findet sich in dem Gedichtbändchen noch ein Vorwort von Oprah Winfrey, die bezaubert von der jungen Lyrikerin ist. Sie bezeichnet das Gedicht von Amanda Gorman als "Balsam für unsere Seelen" und beschwört die "Macht der Poesie".

Amanda Gorman wurde von Jill Biden als Inaugurationsrednerin vorgeschlagen. Sie hatte schon länger ihre Texte und Vorträge verfolgt. Die Dichterin begann bereits mit 14 Jahren Gedichte zu schreiben, nachdem sie an dem Mentorinnenprogramm "WriteGirls" teilgenommen hatte. Ihre Themenschwerpunkte sind Feminismus, Rassismus und Unterdrückung jeder Art. 2016 wurde sie mit dem "youth poet laureate" der Stadt Los Angeles ausgezeichnet. Ein Preis, der erstmalig vergeben wurde. Sie schloss ihr Soziologie-Studium an der Harvard University mit "cum laude" ab, schrieb für die "New York Times" und veröffentlichte zwei Gedichtbände (u.a. "The One for Whom Food Is Not Enough"), wofür sie 2017 mit dem "National Youth Poet Laureate" ausgezeichnet wurde, der ebenfalls zum ersten Mal ausgelobt wurde. Amanda Gorman ist eine Leitfigur und Stimme für junge Schwarze Frauen, die ein großes Ziel hat: 2036 möchte sie Präsidentin der USA werden.

AVIVA-Fazit: Die zweisprachige Ausgabe des Inaugurationsgedichtes von Amanda Gormans "The Hill we Climb" ist in seiner Übersetzung der Versuch, ein Gedicht politisch korrekt und gendersensitiv zu übersetzen. Dabei geht leider die Wucht und Ausdruckskraft des Originals verloren.

Zur Autorin: Amanda Gorman wurde 1998 in Los Angeles geboren, studierte Soziologie an der Harvard-University und setzt sich für soziale Gerechtigkeit, Gendergleichheit und gegen Rassismus und Unterdrückung ein. Die US-amerikanische Lyrikerin und Aktivistin hat für die New York Times geschrieben und das Manifest für die Nike Black History Month-Kampagne 2020 verfasst. 2017 wurde sie zur ersten "National Youth Poet Laureate" der USA ernannt. Am 20. Januar 2021 trug sie bei der Amtseinführung des 46. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, Joe Biden, und der Vize-Präsidentin Kamala Harris, als jüngste Inaugurationsdichterin in der Geschichte ihres Landes ihr Gedicht "The Hill We Climb" - "Den Hügel hinauf" vor und wurde damit weltberühmt. Am 22. September 2021 erscheint Amanda Gormans Lyrik-Band "The Hill We Climb and Other Poems", ebenfalls bei Hoffmann & Campe.
Amanda Gorman im Netz: www.theamandagorman.com

Zu den Ãœbersetzerinnen:
Uda Strätling
,1954 in Bonn geboren, ist freiberufliche Literaturübersetzerin aus dem Englischen. Sie wuchs in den USA, Rumänien und Afrika auf und studierte Publizistik, Soziologie und Linguistik in München. Heute lebt sie in Hamburg. Uda Strätling erhielt 1997 und 2001 den Förderpreis der Freien und Hansestadt Hamburg für literarische Übersetzungen, 2006 das Stipendium des Deutschen Literaturfonds e.V. Sie hat bereits diverse Bücher Schwarzer Menschen ins Deutsche übertragen, unter anderem Marilynne Robinsons "Lila".
Hadija Haruna-Oelker, geboren 1980, studierte u.a. Afrikanistik und ist in der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD) und dem Journalist*innennetzwerk Neue Deutsche Medienmacher*innen (NdM) aktiv. Sie schrieb für "Die Zeit" und den "Tagesspiegel", 2016 war sie Mitherausgeberin des Sammelbandes "Spiegelblicke – Perspektiven Schwarzer Bewegung in Deutschland" beim Orlanda Verlag. Seit 2019 ist sie Autorin für Deutschlandfunk Kultur, das "Politische Feuilleton" und Moderatorin des monatlichen Formats "Streitbar" in der Bildungsstätte Anne Frank.
Hadija Haruna-Oelker im Netz: www.hadija-haruna.de

Kübra Gümüşay, geboren 1988 in Hamburg, ist eine der einflussreichsten Journalistinnen und politischen Aktivistinnen Deutschlands. Sie studierte Politikwissenschaften in Hamburg und an der Londoner School of Oriental and African Studies. 2011 wurde ihr Blog "Ein Fremdwörterbuch" für den Grimme Online Award nominiert. Sie war Kolumnistin der tageszeitung und stand mehrfach auf der TEDx-Bühne. Die von ihr mitbegründete Kampagne #ausnahmslos wurde 2016 mit dem Clara-Zetkin-Frauenpreis ausgezeichnet. Nach Jahren in Oxford lebt sie mit ihrem Mann und ihrem Sohn wieder in Hamburg.
Kübra Gümüşay im Netz: www.kubragumusay.com

Amanda Gorman - The Hill we Climb – Den Hügel hinauf – Zweisprachige Ausgabe
Hoffmann und Campe Verlag, erschienen 03/2021
Aus dem amerikanischen Englisch von Uda Strätling, Hadija Haruna-Oelker und Kübra Gümüşay
Originaltitel: The Hill we Climb – An Inaugural Poem for the Country
Originalverlag: Viking, Penguin Random House
Hardcover, 63 Seiten
ISBN 9783455011784
Euro 10,00
Mehr zum Buch unter: www.hoffmann-und-campe.de

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Beitrag vom 21.04.2021

Silvy Pommerenke