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Beitrag vom 03.12.2021
Liv Strömquist - Im Spiegelsaal
Joanna Piekarska
Die Obsession um Schönheit ist heute so präsent wie nie zuvor, so die These der schwedischen Graphic-Novel-Autorin Liv Strömquist ("I´m every woman", "Der Ursprung der Welt"). In ihrem neuen Buch "Im Spiegelsaal" analysiert die feministische Comiczeichnerin und Radiomoderatorin Schönheitsideale im digitalen Zeitalter und den Druck, ihnen gerecht werden zu müssen.
Liv Strömquist ist in den letzten Jahren mit über 250.000 verkauften Exemplaren in der DACH-Region zu einer der bekanntesten Autorinnen der internationalen Comic-Szene und zu einer wichtigen Stimme im Kanon junger feministischer Literatur avanciert.
In ihrem ersten internationalen Erfolg "Der Ursprung der Welt" aus dem Jahr 2014 thematisiert Liv Strömquist die Kulturgeschichte und die Tabuisierung der Vulva und der Menstruation. 2018 und 2019 folgten die kürzeren Werke "Der Ursprung der Liebe", worin Liv Strömquist Beziehungsmuster untersucht, und "I´m every woman", in dem sie Frauen in den Mittelpunkt stellt, die im Schatten ihrer berühmten Männer standen. Im Jahr 2020 erschien dann erneut ein längeres Buch beim avant-verlag: "Ich fühl´s nicht" behandelt Liebe, Bindungssehnsucht und Unfähigkeit zu eben dieser in einer von Narzissmus und Leistungsorientierung geprägten Zeit.
"Spieglein, Spieglein, an der Wand…"
Auch in ihrer aktuell erschienenen Graphic Novel "Im Spiegelsaal" kritisiert Liv Strömquist Narzissmus und den kapitalistischen Selbstoptimierungswahn, im Fokus der Kritik stehen diesmal Schönheitsideale.
Inspiration für das Comic-Essay sei Instagram gewesen. Der Autorin fiel eines Tages auf, wie sie mehr und mehr Zeit auf der Plattform verbrachte, wo sie sich oft stundenlang Fotos von anderen Frauen ansah, wie sie dem Deutschlandfunkkultur in einem Interview vom 27.10.2021 verriet.
"Man kann sich verlieren in diesem "Spiegelkabinett" oder wie man das nennen will.", so Liv Strömquist.
Sie wollte die Frage, wie Social Media unser Schönheitsempfinden beeinflusst, näher untersuchen. Liv Strömquist stellt in "Im Spiegelsaal" die These auf, dass der Druck, einem Schönheitsideal zu entsprechen (unter dem vor allem Frauen leiden), durch die heutige Flut an Bildern höher sei denn je zuvor.
Durch die sozialen Netzwerke sehen wir, wie Liv Strömquist es selbst beschreibt, ständig Fotos vom vermeintlichen makellosen Äußeren anderer und vergleichen uns. Doch nicht nur das: Mehr denn je zuvor sind wir mit unserem eigenen Aussehen konfrontiert, das wir auf Fotos bestmöglich darzustellen versuchen. Eine Art Spiegelsaal also, wie ihn auch Kaiserin Sissi hatte und der dem Buch seinen Namen gegeben hat.
Durch diesen "Spiegelsaal" entsteht, so Liv Strömquist, ein Druck, immer perfekt auszusehen. Ein weiterer Kulturwandel, der durch Instagram entsteht: Gesichter sind nun direkt vergleichbar, was auch dazu führt, dass wir uns, beispielsweise mit Schönheits-OPs, immer weiter einem normativen Schönheitsideal anpassen. Die Autorin zieht als Beispiel für dieses Ideal in "Im Spiegelsaal" Kylie Jenner heran, die sich wie in einem modernen Märchen von der ersten Seite an als roter Faden durch das Buch zieht:
"Es waren einmal fünf Schwestern. Sie waren die schönsten Schwestern auf der ganzen Welt. Und genau wie in jedem Märchen war die jüngste Schwester die schönste. Ihr Name war Kylie."
"…wer ist die Schönste im ganzen Land?"
Liv Strömquist gelingt es auch in ihrem fünften Band, der im deutschsprachigen Raum erscheint, ihre eigenen Beobachtungen in eine Gesellschaftskritik zu verwandeln, diese mit feministischer, soziologischer, kulturwissenschaftlicher und historischer Theorie zu belegen und mit Referenzen aus Popkultur irgendwo zwischen der Bibel, Schneewittchen und den Kardashians für die Leserin zugänglich zu machen.
Mit dem ihr eigenen forschen Strich führt Liv Strömquist hierbei durch mehrere Epochen der Kulturgeschichte von Schönheit, bis ins kleinste Detail recherchiert, um anhand von verschiedenen Blickwinkeln und Beispielen zu erklären, warum wir denn nun so sehr von Schönheitsidealen à la Kylie Jenner besessen sind.
Liv Strömquist plädiert dazu, auch in Zeiten von Social Media dem eigenen Aussehen nicht so viel Bedeutung beizumessen:
"Das, was einen heutzutage besonders unter Druck setzt, wenn ich mich im Spiegel betrachte, hängt wahrscheinlich mit diesem Blick von außen zusammen. Dass dieses Spiegelbild immer näher rückt und man es nur selten vergisst - anstatt einfach mal das Leben zu genießen."
Liv Strömquist im Interview mit dem NDR vom 04.11.2021
Die Gesellschaftskritik gelingt dabei in "Im Spiegelsaal" gewohnt humorvoll, ohne albern zu sein, und gewohnt tief und komplex, ohne erschlagend zu wirken. Liv Strömquist legt den Finger in die Wunde, nach der letzten Seite muss aber jede*r für sich selbst entscheiden, wie sie ab jetzt mit dem Schönheitsdruck umgehen will.
AVIVA-Tipp: Liv Strömquist kombiniert in "Im Spiegelsaal" Wortwitz mit ausdrucksstarken Zeichnungen und wissenschaftlicher Theorie mit Popkultur. Ein kluges, unterhaltsames und inspirierendes Lesevergnügen.
Liv Strömquist
Im Spiegelsaal
avant-verlag, erschienen am 21.10.21
168 Seiten, Softcover, 18 x 25 cm, vierfarbig
20€
ISBN: 978-3-96445-062-3
Aus dem Schwedischen übersetzt von Katharina Erben
Mehr Infos zum Buch: www.avant-verlag.de
Über die Autorin und Illustratorin: Liv Strömquist ist 1978 in Lund geboren und hat mit fünf Jahren mit dem Zeichnen angefangen. Seit ihrem Politikwissenschaftsstudium arbeitet sie als Radiomoderatorin beim Jugendradiosender "Sveriges Radio P3", wo sie beiden satirischen Programmen "Tankesmedjan" und "Pang Prego" moderiert, und seit fast 10 Jahren als Podcasterin beim Podcast "En varg söker sin pod", den sie gemeinsam mit der Autorin Caroline Ringskog Ferrada-Noli aufnimmt. Bekannt ist Liv Strömquist aber vor allem für ihre feministischen Comics. Der Durchbruch als Comiczeichnerin gelang ihr 2005 mit "Hundra Procent Fett". 2016 wurde ihr der "Ehrendoktor der Hochschule Malmö von der Fakultät für Lehramtsausbildung und Gesellschaft" verliehen. Mit "Der Ursprung der Welt" und "Der Ursprung der Liebe" erlangte sie globale Bekanntheit und Erfolg: Die Bände wurden von Kritiker*Innen gelobt und in zahlreiche Sprachen übersetzt. Außerdem zeichnet Liv Strömquist für verschiedene schwedische Zeitungen und Magazine. Sie lebt in Malmö.
Mehr zu Liv Strömquist: www.avant-verlag.de und www.instagram.com/leifstromquist
Über die Übersetzerin: Katharina Erben lebt in Berlin und hat bereits "Der Ursprung der Welt" und "Ich fühl´s nicht" von Liv Strömquist ins Deutsche übersetzt.
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Liv Strömquist - I´m every woman
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