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Beitrag vom 28.02.2023
Nora Pester. Jüdisches Leipzig. Menschen – Orte – Geschichte
Sharon Adler
Der von Herausgeberin Dr. Nora Pester im Hentrich & Hentrich Verlag erschienene Band zeichnet jüdische Lebenswege in Leipzig kenntnisreich wie empathisch nach. Wer Leipzig bisher nur mit der jährlich stattfindenden Buchmesse oder der Jüdischen Woche in Verbindung gebracht hat und sich bisher noch nicht mit der jüdischen Geschichte dieser spannenden Kulturstadt beschäftigt hat, findet in diesem Band zahlreiche Informationen und Inspirationen zur Heimat der größten Jüdischen Gemeinde Sachsens.
Jüdinnen und Juden in Leipzig
Wussten Sie, dass Jüdinnen wie Henriette Goldschmidt und Bettina Brenner zu den bedeutendsten Vorkämpferinnen der Frauenrechtsbewegung in Deutschland zählten? Dass es am Brühl mehr als 800 Rauchwarenbetriebe gab, die zumeist von jüdischen Familien geführt wurden? Dass die Musikbibliothek Peters die erste öffentliche, kostenfreie und auch für Frauen zugängliche Spezialbibliothek Deutschlands war? Dass der jüdische Sportverein Bar Kochba auch über Leipzig hinaus Erfolge feierte? Dass die bekannten Jazz-Musiker Rolf und Joachim Kühn hier aufgewachsen sind? Oder dass Karl Wittgenstein, der Vater von Ludwig Wittgenstein, hier lebte, ebenso wie die Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy und Gustav Mahler, der Verleger Kurt Wolff und die Fotografin Gerda Taro, deren Partner, Robert Capa, hier eines der bekanntesten Fotos zum Ende des Zweiten Weltkrieges schoss?
Die Herausgeberin Nora Pester zeichnet deren, oft verschlungene Lebenswege nach und macht die Bedeutung ihres Wirkens sichtbar.
"(…) ich habe mich entschieden, die in ihren Bereichen prominente Persönlichkeiten auszuwählen, deren Biographien paradigmatisch für die Vielfalt jüdischer lebensentwürfe innerhalb und außerhalb der Jüdischen Gemeinde in Leipzig stehen"
Bei ihrer intensiven und akribischen Recherche begibt sich die Autorin auf manches Nebengleis und findet spannende Verflechtungen von Menschen und Orten, der Wege jüdischer Leben und auch Überlebenswege seit der Errichtung der ersten Synagoge im 13. Jahrhundert über die Gemeindegründung 1847, die Blütezeit vor und nach dem Ersten Weltkrieg, dann der Vertreibung und Auslöschung bis zur Zeit nach 1945 und dem jüdischen Leben in der DDR sowie nach der Wendezeit bis heute.
Trotz der Fülle des Materials, der Namen, Daten und Orte gelingt es ihr, diese zu einem übersichtlichen Ganzen zusammen zu tragen.
Dabei lässt sie als gebürtige Leipzigerin auch manche persönlichen Erinnerungen einfließen, die das Buch zu weit mehr machen als nur einem Städteguide.
AVIVA-Tipp: "Jüdisches Leipzig" macht vergessene oder zerstörte Orte jüdischen Lebens und Wirkens in Leipzig sichtbar und lädt die Leser*innen dazu ein, diese Orte selbst aufzusuchen und sich auf die Spuren jüdischer Leipziger zu begeben. Darüber hinaus stellt der Band auch jüdische wie nichtjüdische Protagonistinnen und Protagonisten und Organisationen aus dem gegenwärtigen Leipzig vor, die sich in vielfältiger Weise um den Erhalt dieser Orte einsetzen und schlägt so den Bogen von der Vergangenheit zur Gegenwart.
Für jüdische wie nichtjüdische Leser*innen gleichermaßen informativ und bewegend.
Zur Autorin: Nora Pester, geboren in Leipzig, Studium der Hispanistik, Politikwissenschaften und Volkswirtschaftslehre in Leipzig und Wien, Promotion in Politikwissenschaften. Tätigkeit u.a. beim Passagen Verlag, Wien, im Museumsquartier Wien (ZOOM Kindermuseum) und bei Matthes & Seitz, Berlin. Seit 2010 Inhaberin und Verlegerin des Hentrich & Hentrich Verlags. Seit 2019 Vorstand von Netzwerk Jüdisches Leben e. V. und Kultursenatorin der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen sowie seit 2021 Beiratsmitglied der Holger-Koppe-Stiftung.
Nora Pester
Jüdisches Leipzig
Menschen – Orte – Geschichte
180 Seiten, Klappenbroschur Sprache: Deutsch, 103 Abbildungen
ISBN: 978-3-95565-562-4
Hentrich & Hentrich Verlag, erschienen: 2022
19,90 €
In Kooperation mit dem Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig als Beitrag zur Diskussion um ein jüdisches Museum in Sachsen
Mit einer historischen Einführung von Sven Trautmann
Mit ausklappbarer Karte
Mehr zum Buch und Bestellung unter: www.hentrichhentrich.de
Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:
Juden in der DDR. Jüdisch sein zwischen Anpassung, Dissidenz, Illusionen und Repression. Porträts. (Hg. Anetta Kahane und Martin Jander). Jung und Jüdisch in der DDR. (Hg. Sandra Anusiewicz-Baer, Lara Dämmig)
Die beiden im Herbst 2021 im Hentrich & Hentrich Verlag erschienenen Bände stellen die Lebensrealitäten von Jüdinnen und Juden in der DDR in den Mittelpunkt. Die Autorinnen und Autoren fragen danach, wie die Angehörigen der ersten und zweiten Generation nach der Shoah ihr Jüdischsein im Sozialismus leben konnten, welchen Restriktionen und Formen von Antisemitismus sie begegneten und was sie dem entgegensetzten. (2021)
Juden in Sachsen – herausgegeben von Gunda Ulbricht und Olaf Glöckner
Konzipiert als Sonderausgabe für die Sächsische Landeszentrale für politische Bildung Dresden/Leipzig 2013 erschien diese Sammlung von acht Essays in einer Publikation von HATiKVA e.V. Dresden und dem Moses Mendelssohn Zentrum Potsdam. Den sieben HistorikerInnen ist es in ihren Essays gelungen, die Geschichte des jüdischen Volkes in Sachsen vom Mittelalter bis zum Wiederaufbau der Gemeinde nach der Wende zusammen zu tragen. (2014)
Jüdisches Paris - Alexander Kluy
In der Reihe "Stadtreisen zum Jüdischen Europa" erschien ein weiteres wunderbares Buch in dem österreichischen mandelbaum Verlag. Der 320 Seiten starke "city guide" führt die LeserInnen auf die Spuren jüdischer Geschichte dieser faszinierenden Stadt und liefert viel Wissenswertes über ihre ständigen und zeitweiligen BewohnerInnen, die Stadtgeschichte, Kultur, Politik und Gesellschaft. (2011)
Oksan Svastics - Jüdisches Istanbul
Wunderbare Bücher macht der kleine österreichische mandelbaum Verlag. Ein Beispiel dafür ist der schmale "city guide" aus der Reihe "Jüdisches Europa". Er beginnt mit dem Bericht der jüdischen Autorin Vivet Kanetti über ihre Kindheit in der Stadt. (2010)
Jüdisches im Grünen. Ausflugsziele im Berliner Umland
Judith Kessler und Lara Dämmig haben mit Unterstützung der Stiftung Zurückgeben einen spannenden und übersichtlichen Reiseführer zu vergessenen oder verborgenen deutsch-jüdischen Stätten herausgegeben. (2008)
Quelle: Hentrich & Hentrich Verlag