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Beitrag vom 13.02.2009
Sehnsucht nach den Bergen - AvivA Verlag
Clarissa Lempp
Herausgeberin Florence Hervé stellt Texte von Frauen vor, die von allerwelts Bergen inspiriert sind – von Elfriede Jelinek, Julia Franck, Ricarda Huch, Bettina von Arnim und anderen.
In den Bergen ist das Wetter anders. Denkt der Kopf klarer. Ist der Himmel so nah wie der Abgrund. Umhüllen Wolken den zitternden Körper, der nach der dünnen Luft schnappt.
Die Berge können angenehm schwindlig machen. Sie sind imposant, so dass man ihnen entgegen schreien will, deshalb wurde auch das Jodeln erfunden. Die Berge sind unbeweglich, sind gefährlich und einsam. Auf ihnen wohnen Götter und Göttinnen, in ihnen Zwerge und edles Gestein.
Kein Wunder, dass die Berge SchrifstellerInnen von jeher inspirierten. In "Sehnsucht nach den Bergen" stellt Florence Hervé ausschließlich Texte von Autorinnen vor, vom 19. Jahrhundert bis heute. Lange galten die Berge als "Männerdomäne". Aber schon die Französin Henriette d´Angeville bestieg im 19. Jahrhundert als eine der ersten Frauen den Mont Blanc und Schriftstellerinnen wie Annette von Droste-Hülshoff oder die Frankenstein-Autorin Mary Shelly fanden in den Bergen die Kulisse und die Ruhe für ihre Arbeiten. Auch die Schweizer Reisejournalistin Annemarie Schwarzenbach zog es immer wieder in die Berge Persiens und die ihrer Heimat, wo die Leute "auf 1800 m Höhe ... gewichtlos und leichtherzig werden".
Gedichte über Hügellandschaften, Berichte von der Besteigung des Kilimandscharos, Kindheitserinnerungen und alpine Sagengestalten finden sich in der Textauswahl wieder. Julia Franck lässt in "Die Botanisiertrommel" eine Mutter mit ihren Kindern die Natur entdecken, die Herausgeberin selbst besteigt den Ararat, Birgit Kempker macht sich wortgewaltig an die natürliche und imaginäre Beschaffenheit der Berge, Ingeborg Drewitz untersucht den Fall des "Mann im Eis", Lavinia Greenlaw erzählt von den "Englischen Ansichten der Berge" und Elfriede Jelinek webt in ihre Gedanken zu den Alpen geschickt ein, wie die naturgemäß freien Berge zum antisemitischen Werkzeug wurden.
Zur Herausgeberin: Florence Hervé wurde 1944 in Paris geboren. Die promovierte Germanistin ist als Autorin, Dozentin, Journalistin und Herausgeberin tätig und lebt in Düsseldorf und im Finistère. Sie bestieg u.a. den Mont Blanc, den Ararat und den Kilimandscharo.
AVIVA-Tipp: Gerade die unterschiedlichen Texte zeigen die wahre Natur des Verhältnis Mensch/Berg: Egal wie anstrengend der Aufstieg, einmal auf dem Berg gewesen, bleibt eine Sehnsucht nach diesen unwirklichen Höhen, dieser massiven Wirklichkeit des Gesteins, nach dem Abenteuer. Jede/r Bergerfahrene wird deshalb diese wohlbedachte Textsammlung sofort ins Herz schließen und für die im Tal Gebliebenen eröffnen die Schriftstellerinnen eine faszinierende Welt. Eine schöne moderne Anthologie zu einer alten Menschensehnsucht.
Florence Hervé (Herausgeberin)
Sehnsucht nach den Bergen. Schriftstellerinnen im Gebirge
AvivA Verlag, erschienen 2008
Gebunden, 160 Seiten
ISBN 978-3-932338-33-5
17,80 Euro
www.aviva-verlag.de