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Beitrag vom 23.12.2009
Romy Schneider. Wien - Berlin - Paris. Der Katalog
Claire Horst
Der Katalog zur gleichnamigen Ausstellung in der Deutschen Kinemathek zeigt Bilder und Texte aus Leben und Werk der berühmten Schauspielerin. Ausstellung und Katalog sollen die unterschiedlichen...
... Lebensphasen Romy Schneiders nachzeichnen: "als Tochter, Aufbegehrende, Weltstar, verzweifelte Frau und Mutter".
Wie keine andere Schauspielerin aus Deutschland wurde Romy Schneider schon zu Lebzeiten ein Weltstar, eine Identität, an der sie zerbrach. Mit 15 Jahren stand sie zum ersten Mal vor der Kamera, gemeinsam mit ihrer Mutter, der damals sehr bekannten Magda Schneider. Von ihrem Image als "süßes Mädel", das ihre Rollen in "Wenn der weiße Flieder wieder blüht" (1953) und als Kaiserin Sissi ihr einbrachten, versuchte sie sich zeitlebens zu befreien.
Mehr als 50 Filme drehte die Schauspielerin bis zu ihrem frühen Tod 1983 - und dennoch haftete ihr das "Sissi"-Image immer an. Dass sie weitaus anspruchsvollere Rollen verkörpern konnte und eine der wichtigsten europäischen Charakterdarstellerinnen war, gerät immer wieder in Vergessenheit.
Wie die Ausstellung in der Deutschen Kinemathek folgt auch die Aufteilung des Katalogs den Lebensphasen Schneiders: Die großen Kapitel des Bandes sind mit "Tochter", "Aufbruch", "Weltstar", "Zerstörung" und "Mythos" betitelt. Privatleben und filmisches Schaffen des Filmstars werden dabei durchgängig aufeinander bezogen. "Wie im realen Leben fehlte Romy Schneider auch in ihren Filmen stets ein starker, liebevoller Vater, den ihr kein Onkel je ersetzen konnte.", heißt es in Bezug auf die Sissi-Filme. Diese Distanzlosigkeit der Privatperson Schneider gegenüber war es, die ihr das Leben schwergemacht hat. Wie die HerausgeberInnen des Katalogs, Daniela Sannwald und Peter Mänz, richtig bemerken, wurde sie immer wieder mit ihren Rollen identifiziert - schade, dass sie den gleichen Fehler auch machen.
Diese Herangehensweise ist jedoch durchaus informativ - der Briefwechsel Schneiders mit ProduzentInnen und DrehbuchautorInnen etwa bietet neue Einblicke. So werden der Wunsch der Schauspielerin, neue künstlerische Wege einzuschlagen, und die Widerstände dagegen anhand ihrer Korrespondenz deutlich. "Auch wenn Dir der Stoff nicht passt, auch wenn Dir die Prinzessinnen zum Hals raushängen, du wirst doch die Katja noch spielen, du wirst doch nicht so verrückt sein und siebenhundertfünfzigtausend Mark ausschlagen", ermahnt sie der Stiefvater 1959, als ihr die Hauptrolle in "Katja", einem Film über eine Liebesgeschichte aus der russischen Zarenzeit, angeboten wird.
Erst ihr Aufbruch nach Paris - sie war gerade 20 Jahre alt und hatte schon in 14 Filmen mitgespielt - ermöglichte Romy Schneider einen Neuanfang. In Frankreich verabschiedete sie sich vom Genre der Historienfilme und drehte fortan mit Kollegen wie Henri Vidal, Jean-Paul Belmondo und Alain Delon. Auch in Großbritannien und sogar in den USA hatte sie in dieser Zeit erste Erfolge, etwa in Woody Allens Komödie "What`s New Pussycat?" (1964).
Die Entwicklung der Schauspielerin zeichnet der Katalog anhand von fotografischen Aufnahmen nach, die ihre auch optische Veränderung dokumentieren sollen. Nachvollziehbar erscheinen diese Interpretationen, und doch legen sie Schneider wieder auf ein oft bemühtes Bild fest, nämlich das der unglücklichen, an ihrer Umwelt zerbrechenden Frau. "Wie aus Ton geknetet wirkt dieses Gesicht, wie eine antike Maske. Nicht die kleinste Muskelanspannung, nicht der geringste mimische Ausdruck sind zu erkennen. Der leere Blick scheint ins Bodenlose zu stürzen. (...) Nicht Angst, sondern Apathie scheint sich in diesem Gesicht widerzuspiegeln. Ungeheuer müde wirkt der Blick und kontrastiert umso deutlicher mit der kindlichem Stirn und den rundlichen Wangen.", heißt es zu einem von dem Fotografen F.C. Gundlach aufgenommenen Porträt aus dem Jahr 1961.
Erschreckend groß ist die Übereinstimmung zwischen der privaten Entwicklung Schneiders und den Rollen, die sie spielte, tatsächlich. Waren es zunächst glückliche, unbeschwerte Prinzessinnen, dann moderne französische Großstädterinnen, gab man ihr schließlich immer häufiger Rollen eines Opfers, etwa als Verfolgte des NS-Regimes. Auch hier geling es dem Katalog nicht immer, die nötige Grenze zwischen Film- und realer Person zu ziehen: "Als eindeutige Manifestation von Romy Schneiders psychischer Verfassung kann ihr Kurzauftritt in Claude Sautets vierter Zusammenarbeit mit ihr, MADO, angesehen werden, in dem sie Hélène, eine alte Freundin des Bauunternehmers Simon (Michel Piccoli) spielt. Simon ist erschüttert von Hélènes Zustand, und sie gesteht ihm ihre Alkoholabhängigkeit."
Nach diesem Modell werden sämtliche Lebensphasen Schneiders anhand ihrer Filmrollen abgehandelt. Die Phase der "allein Gelassenen" leitet der Band mit dem Film "Les innocents aux mains sales" (1974) ein, in dem sie eine gedemütigte, verzweifelte Ehefrau spielt. Parallelen gibt es noch mehr: Kaum thematisierte der Science-Fiction-Film "Death Watch - Der gekaufte Tod" (1980) die Überwachung einer Privatperson und ihres dramatischen Schicksals durch die Boulevardmedien - Romy Schneider spielte die Hauptrolle - vollzog ihr Leben diese Ereignisse nach. Nach dem Unfalltod ihres Sohnes David nur ein Jahr später wurde die Schauspielerin von Paparazzi und ferngesteuerten Kameras bis auf ihr eigenes Grundstück verfolgt. Ein ungutes Gefühl lässt sich nicht vermeiden beim Anblick der immer gleichen Bilder von der noch glücklichen Mutter mit ihrem Sohn.
Für Romy Schneider muss die Verschmelzung von Privatem und Öffentlichem etwas Unausweichliches gehabt haben. Nach dem Selbstmord ihres Ex-Mannes Harry Meyen und dem Tod ihres Sohnes widmete sie den beiden ihren letzten Film - eine sehr persönliche Widmung, jedoch: "Was ist heute noch persönlich? Man scheint doch jedem zu gehören. Also wenn ich schon allen gehöre, sollen auch alle wissen, was mir gehörte und was ich verloren habe..."
Die abschließenden Kapitel des Katalogs widmen sich dem von Medien und Publikum ausgeschlachteten Mythen Romy und Sissi. Das Schlusswort zu diesem Teil lässt sich ebenso gut auf den vorliegenden Katalog übertragen: "Ironischerweise sind es genau diese Projektionen, diese übermächtige und heuchlerische Sehnsucht nach einer unbefleckt weiß strahlenden Prinzessin, die zugleich Romy Schneiders Mythos begründen und ihr eine lebenslange Bürde auferlegen." Denn trotz aller Reflektion greift auch der Katalog immer wieder auf die Verbindung von Figur und Person zurück.
AVIVA-Tipp: Der Bildband ist sehr ansprechend gestaltet und bietet neben Fotos aus Archiven und Filmmaterial auch Abbildungen der Filmkostüme, die Teil der Ausstellung sind. Alle Texte sind sorgfältig recherchiert und bleiben in respektvoller Distanz zur Person Romy Schneider - trotz der teilweisen Gleichsetzung von Schauspielerin und Rollen. Aufgrund der umfangreichen Exponat- und Quellenverzeichnisse eignet der Katalog sich auch als Einstieg in die weitere Auseinandersetzung mit Romy Schneider - oder als schöner Blickfänger auf dem Couchtisch.
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Romy Schneider
Wien - Berlin – Paris
1. Auflage
112 Seiten, 89 farbige und 49 s/w-Abb., Hardcover
19,90 Euro
Erschienen am 5. Dezember 2009