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Beitrag vom 26.08.2009
Romain Gary - Die Liebe einer Frau
Daniela Besser
Vor dreißig Jahren, am 30. August 1979, nahm sich die amerikanische Schauspielerin Jean Seberg in Paris das Leben. Auch Romain Gary wählte 1980 den Freitod. Der Roman "Clair de femme" von 1977...
...wurde zum Schicksalsbuch des mehrfach preisgekrönten Bestsellerautors Romain Gary.
Nun ist das Buch unter dem Titel "Die Liebe einer Frau" in einer wunderbaren Neuausgabe erschienen. Es geht, wie der Titel besagt, um die Liebe – um die Liebe zwischen zwei Menschen, die ein Leben erst trägt. Es ist die Erfahrung der Liebe als Notwendigkeit, als Bedingung für die eigene Selbstwerdung. Es ist die Exklusivität einer tiefen Liebe zu einem anderen Menschen, die aus zwei (unabhängigen) Individuen ein (verschmelzendes) Paar macht. Und es ist die Beschreibung des drohenden Verlustes dieser ausschließlichen Liebe – hier durch Entfremdung, Krankheit und Tod –, die den zurückbleibenden Menschen zu einem flüchtenden und getriebenen Wesen macht, das vergeblich einen neuen Halt im Leben sucht, ihn aber nicht finden kann.
Es ist der Schmerz einer verlorenen Liebe, der nicht geheilt, nur betäubt werden kann. Trotz des Auflehnens gegen die (Selbst-)Aufgabe, trotz des Versuchs weiterzumachen, gelingt es den Romanfiguren (jeder auf ihre eigene Weise) nicht, der Trauer über den Verlust des geliebten Wesens zu entfliehen. Der Schmerz bleibt, denn der Selbstverlust ist zu hoch. Was am Ende am Horizont in der Ferne aufschimmert, ist einzig die Hoffnung – die Hoffnung, dass vielleicht mit der vergehenden Zeit die Wunden heilen, dass mit einem zeitlichen und räumlichen Abstand ein neuer Anfang möglich sein könnte. Aber manche Menschen sterben auch an dem, was sprichwörtlich "gebrochenes Herz" genannt wird. In diesem Roman sind sie alle vertreten. Wie im Leben, so in der Literatur– und Romain Gary kannte sich mit beidem aus, was er mit seinem meisterhaft philosophischen Liebesroman eindrucksvoll unter Beweis stellt.
Es scheint, dass Gary mit diesem Roman der Liebe seines Lebens ein literarisches Denkmal gesetzt hat. Er und die amerikanische Schauspielerin Jean Seberg, die 1960 mit dem Film "À bout de souffle" ("Außer Atem") zum bekanntesten Gesicht der Nouvelle Vague wurde, waren das Glamour-Paar der frühen Sechziger Jahre. Seit Ende der Sechziger Jahre gingen sie getrennte Wege, die offizielle Scheidung erfolgte 1970. Seberg war politisch engagiert in der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung und Gegnerin des Vietnamkriegs. Das FBI nutzte 1970 ihre Schwangerschaft, um eine Verleumdungskampagne gegen sie in den Medien zu lancieren. Sie verlor ihr Neugeborenes, hatte psychische Probleme und versuchte sieben Mal sich das Leben zu nehmen. Am 29. August 1979 hatte sie sich zusammen mit ihrem damaligen Lebensgefährten die Verfilmung von "Clair de femme" im Kino angeschaut. In der Nacht hatte Jean Seberg die Wohnung verlassen. Acht Tage später wurde sie in ihrem Auto tot aufgefunden. Die Autopsie ergab, dass Jean Seberg an einer Überdosis Schlaftabletten sowie an einer Alkoholvergiftung gestorben war. Gary sah sich zu einer Pressekonferenz genötigt, auf der er darlegte, dass es im Film nicht um das Leben von Jean Seberg ginge, und dass es keine Verknüpfung von Kunst und Leben gäbe, denn man unterstellte dem Roman eine Anstiftung zum Selbstmord beziehungsweise zur Sterbehilfe. Der Verlust von Jean Seberg traf Romain Gary schwer, sein "Jour J", wie er seinen kurzen Abschiedsbrief datierte, kam am 2. Dezember 1980. Er selbst wollte seinen Freitod nicht in Verbindung mit Jean Seberg gebracht wissen. Den LeserInnen seines Romans wird dies sicherlich schwerfallen, aber darüber soll sich jede/r selbst ihre/seine eigene Meinung bilden. Die Kunst ebenso wie das Leben – sie bleiben stets neu zu interpretieren.
Zum Autor: Romain Gary wurde am 8.Mai 1914 in Wilna (Litauen) als Roman Kacew/Kassew geboren. Seine Mutter Nina entstammte einer Familie russisch-jüdischer Uhrmacher aus Kursk. 1926 siedelte die Mutter mit ihrem Sohn nach Warschau über, zwei Jahre später nach Nizza. Romain Gary studierte Jura in Aix-en-Provence und Paris. 1935 erhielt er die französische Staatsbürgerschaft. Gary war seit 1938 als Pilot bei der Luftwaffe, 1940 floh er nach London und trat dort in die Luftstreitkräfte des Freien Frankreichs ein. 1945 veröffentlichte er seinen ersten Roman (davor schon Kurzgeschichten) und erhielt den Prix des Critiques. Im selben Jahr trat er in den diplomatischen Dienst ein und heiratete die britische Schriftstellerin Lesley Blanch. Beruflich verschlug es ihn in den folgenden Jahren nach Sofia, Paris, Bern, New York, Los Angeles und La Paz. 1956 wurde er für seinen Roman "Les Racines du ciel" ("Die Wurzeln des Himmels") mit dem renommierten französischen Literaturpreis Prix Goncourt ausgezeichnet. 1959 begegneten sich Romain Gary und die amerikanische Schauspielerin Jean Seberg das erste Mal. Die Hochzeit folgte 1962 und ein Jahr später wurde ihr gemeinsamer Sohn Alexandre Diego Gary geboren. 1970 ließen sie sich wieder scheiden. Im Jahr 1975 erhielt Gary zum zweiten Mal den Prix Goncourt, diesmal unter dem Pseudonym "Emile Ajar".
Am 30. August 1979 starb Jean Seberg in Paris durch Suizid – am 2. Dezember 1980 beging Romain Gary ebenfalls Selbstmord in Paris. Er hinterlässt eine Notiz mit den Worten: "No connection with Jean Seberg. Lovers of broken hearts are kindly asked to look elsewhere."
AVIVA-Tipp: Dieses Buch ist ein Gesamtkunstwerk: Hier trifft sich Leben mit Kunst. Romain Gary macht in seinem Roman deutlich, wie sehr wir des Anderen bedürfen, um wir selbst sein zu können. Er huldigt dem existentiellen Wert der Liebe und zeigt, wie surreal das Leben wird, wenn die Liebe verloren geht. Nicht nur die literarisch brillant erzählte Geschichte einer tiefen Liebe berührt, auch die liebevolle Ausstattung der Neuausgabe vom SchirmerGraf Verlag nimmt gefangen: Das Umblättern der Seiten ein haptisches Vergnügen, das Buch mit zahlreichen Bildern bereichert sowie um ein erklärendes Nachwort, eine Zeittafel und ein Werkverzeichnis ergänzt. Das Lesebändchen und die stilvolle Gestaltung des Schutzumschlages runden den Buchgenuss kunstvoll ab – kurz: Ein rundum perfektes Leseerlebnis!
Romain Gary
Die Liebe einer Frau
Aus dem Französischen von Leon Scholsky
Mit einem Nachwort von Sven Crefeld
Originaltitel: Clair de femme (1977)
SchirmerGraf Verlag, erschienen Juli 2009
Leinen, mit Schutzumschlag und Lesebändchen, 192 Seiten mit zwölf Fotos
ISBN: 978-3-86555-069-9
18,80 Euro
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