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Beitrag vom 13.11.2009
Globalisierung und Frauenrechte. Publikationen 2009
Claire Horst
Spätestens Mitte der neunziger Jahre ist es zu einem Gemeinplatz geworden, dass es nicht nur einen Feminismus geben kann. Unterschiedliche Lebensumstände bedeuten auch unterschiedliche Bedürfnisse.
Women of Color und Frauen in Entwicklungsländern setzen sich mit anderen Formen der Diskriminierung auseinander als Angehörige der weißen Mittelschicht. Insofern überschneiden sich Rassismus- und feministische Theorien auf vielfältige Weise, treffen Globalisierungskritik und die Auseinandersetzung mit geschlechtsbezogener Ungleichheit aufeinander.
Frauen aus der Dritten Welt und Erkenntniskritik? Die postkolonialen Untersuchungen von Gayatri C. Spivak zu Globalisierung und Theorieproduktion
Christine Löw, Dozentin für Politologie in Kassel, untersucht die Auswirkungen des Kolonialismus auf die Wissenschaft. Sie bezieht sich dabei auf die Ausführungen der indischen postkolonialen Theoretikerin Gayatri C. Spivak, die sich mit der Frage auseinandersetzt, ob und wie die Subalterne (der unterdrückte, sprachlose Teil der Weltbevölkerung) an der Diskussion um ihre Rechte überhaupt teilnehmen kann. Wie können etwa arme Frauen im Süden einbezogen werden, wie kann mit ihnen statt über sie gesprochen werden? In ihre Analyse schließt Löw sowohl Diskurse der indischen Literatur- und Kulturgeschichte als auch Modelle wie Dekonstruktion und Marxismus ein.
AVIVA-Tipp: Das Buch eignet sich sowohl für eine vertiefende Auseinandersetzung mit dem Thema als auch als Einstieg in die sehr komplexen Werke Spivaks, der häufig vorgeworfen wurde, sie werde gerade von den Frauen nicht verstanden, für die sie sprechen wolle.
Zu der Autorin: Christine Löw studierte Politikwissenschaft und Philosophie in Frankfurt am Main. Als Stipendiatin des DFG Graduiertenkollegs "Geschlechterverhältnisse und Öffentlichkeiten" (Frankfurt am Main/Kassel) forschte sie u.a. bei G. C. Spivak an der Columbia-Universität, New York. Seit 2008 lehrt sie an der Universität Kassel und arbeitet derzeit zu Eigentumsrechten und internationaler Gerechtigkeit.
Christine Löw: Frauen aus der Dritten Welt und Erkenntniskritik? Die postkolonialen Untersuchungen von Gayatri C. Spivak zu Globalisierung und Theorieproduktion
Ulrike Helmer Verlag
29,90 EUR
Paperback, 320 Seiten
ISBN 978-3-89741-293-4
Gleich, gleicher, ungleich. Paradoxien und Perspektiven von Frauenrechten in der Globalisierung.
Die bei "Women in Development Europe" (WIDE) engagierte Soziologin analysiert in Einzelaufsätzen die weltweite historische Entwicklung der Frauenrechte und deren aktuelle Reichweite. Sie stellt heraus, dass trotz der weitreichenden Emanzipation Geschlecht immer noch "ein bedeutendes Organisationsprinzip von Gesellschaft und Wirtschaft" sei. Gewinnbringend liest sich dabei nicht nur ihr Abriss der politischen Fortschritte, etwa die Durchsetzung von Gesetzen, sondern auch ihr Blick auf Einzelbereiche wie den Dienstleistungssektor, in dem Frauen von Missständen besonders betroffen sind.
AVIVA-Tipp: Wichterich erweitert den Blick, indem sie von einer rein feministischen Gesellschaftskritik absieht. Der Kampf gegen die globale Ungerechtigkeit und derjenige für die Gleichstellung von Männern und Frauen lassen sich nicht trennen.
Zu der Autorin: Christa Wichterich, Dr. rer. pol., Soziologin, arbeitet als freie Publizistin, Lehrbeauftragte an Universitäten und Gutachterin in der Entwicklungszusammenarbeit. Sie ist Mitglied im wissenschaftlichen Beirat von attac und bei Women in Development Europe (WIDE). Arbeitsschwerpunkte: neoliberale Globalisierung und Gender, Frauenbewegungen, internationale Frauenpolitik v.a. in Süd- und Südostasien, Ost- und Südafrika.
Christa Wichterich: Gleich gleicher ungleich. Paradoxien und Perspektiven von Frauenrechten in der Globalisierung.
Herausgegeben von WIDE - Netzwerk Women in Development Europe
Ulrike Helmer Verlag
19,90 EUR
240 Seiten, Einband: Kartoniert/Broschiert
ISBN 978-3-89741-289-7
Kritik des Okzidentalismus. Transdisziplinäre Beiträge zu (Neo-) Orientalismus und Geschlecht
Die Beiträge zu dem Band gehen aus einer Konferenz hervor, die das Berliner Graduiertenkolleg "Geschlecht als Wissenskategorie" im Juni 2007 veranstaltete. Unter dem kritisierten Begriff des Okzidentalismus verstehen die Herausgeberinnen einen "Meta-Rassismus der Eliten". Rassismus und Orientalismus werden als Folge des Versuchs gesehen, eine neue europäische Identität herzustellen. Unter anderem setzen die Aufsätze sich mit dem gegenseitigen Ausspielen von rassistischer und sexistischer Ausgrenzung auseinander. Gender wird dazu missbraucht, das als "fremd" verstandene Andere auszugrenzen.
AVIVA-Tipp: Die Herangehensweise der Herausgeberinnen ermöglicht ein Zusammenspiel unterschiedlichster Perspektiven. Dass Beiträge aus Soziologie und Politologie ebenso vertreten sind wie literatur- und kulturwissenschaftliche Analysen, macht den Band zu einem außergewöhnlich ertragreichen Werk.
Zu den Herausgeberinnen:
Gabriele Dietze (Prof. Dr.) ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Humboldt-Universität zu Berlin und lehrt Geschlechterstudien an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Migration, Rassismus und Geschlechtergeschichte der Sexualität.
Claudia Brunner (Dr. phil.) ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für transdisziplinäre Geschlechterstudien an der Humboldt-Universität zu Berlin sowie Lehrbeauftragte an der Universität Wien. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Internationale Beziehungen, politische Gewalt und Wissenschaftstheorie.
Edith Wenzel (Prof. Dr.) ist assoziiertes Mitglied am Graduiertenkolleg Geschlecht als Wissenskategorie der Humboldt-Universität zu Berlin. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Mittelalterliche Literatur und Antisemitismus.
Gabriele Dietze, Claudia Brunner, Edith Wenzel (Hg.) - Kritik des Okzidentalismus. Transdisziplinäre Beiträge zu (Neo-)Orientalismus und Geschlecht
transcript Verlag, Reihe GenderCodes
Erschienen: September 2009
29,80 Euro
318 Seiten, kart.
ISBN 978-3-8376-1124-3
Moderne. Kulturwissenschaftliches Jahrbuch 4 (2008). Migration
Das jährlich erscheinende Kulturwissenschaftliche Jahrbuch Moderne ist ebenfalls interdisziplinär angelegt. Dass in diesem Jahr das Thema Migration im Mittelpunkt steht, begründen die Herausgeberinnen mit deren grundlegender Bedeutung für die Moderne – sowohl auf die Bildung von kollektiven und individuellen Identitäten als auch auf politische Entwicklungen hat die globale Migration großen Einfluss. In größerem Maß als die drei anderen Bände bezieht das Jahrbuch literaturwissenschaftliche Aufsätze ein. Zudem enthält es einen Rezensionsteil.
AVIVA-Tipp: Insbesondere LiteraturwissenschaftlerInnen mit Interesse an Raumphänomenen werden hier fündig. Mehrere der AutorInnen liefern neue Perspektiven auf Werke der Exil- wie der Migrationsliteratur.
Die Herausgeberinnen:
Dr. Helga Mitterbauer war von 1997 bis 2005 Mitarbeiterin am Spezialforschungsbereich (SFB) "Moderne – Wien und Zentraleuropa um 1900" und ist Lehrbeauftragte an der Universität Graz. Gastprofessuren an der ELTE Budapest (2003) und an der Universität Zagreb (2005–2006).
Katharina Scherke war von 1999 bis 2004 Mitarbeiterin am Spezialforschungsbereich (SFB) "Moderne – Wien und Zentraleuropa um 1900" und ist außerordentliche Universitätsprofessorin am Institut für Soziologie der Universität Graz.
Alexandra Millner, Dr., ist Lehrbeauftragte an der Universität Wien, Literaturwissenschaftlerin und -kritikerin.
Helga Mitterbauer/Katharina Scherke/Alexandra Millner (Hrsg.) - Moderne. Kulturwissenschaftliches Jahrbuch 4 (2008)
Studienverlag
32,90 Euro
296 Seiten
ISBN: 978-3-7065-4533-4
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Ina Kerner - Differenzen und Macht. Zur Anatomie von Rassismus und Sexismus