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Beitrag vom 12.12.2009
Julia Leigh - Unruhe
Jana Muschick
Olivia kehrt nach Jahren zu ihrer Mutter zurück. Während ihres Aufenthalts müssen ihr Bruder und dessen Frau einen Todesfall verkraften, der die Atmosphäre im Haus zu Eis gefrieren lässt.
Der Titel des Romans "Unruhe" bezeichnet genau das Gefühl, was frau während des Lesens empfindet. Die Autorin vermittelt eine düstere, kalte Stimmung, in der keine Identifikation mit irgend einer der Figuren stattfinden kann, da sie durchweg schweigsam und verbittert an den Geschehnissen teilhaben.
Rückkehr in der Not
Die Protagonistin Olivia verlässt ihren Mann und kehrt zu ihrer Mutter in das herrschaftliche Haus zurück, das sie vor Jahren verlassen hat, um die ungern gesehene Ehe einzugehen. Seit langer Zeit hatte sie weder Kontakt zu ihrer Mutter noch zu ihrem Bruder. Eigentlich kommt sie nur in das Haus ihrer Kindheit zurück, um ihre eigenen Kinder versorgt zu sehen. In vielfachen Andeutungen wird deutlich, dass ihr Ehemann brutal und cholerisch sein muss, Gewalt gegen seine Frau angewendet hat und zu einem mörderischen Tyrannen geworden ist. Obwohl die Kinder sich zu ihrem Vater zurück sehnen, tut Olivia alles, um den Kontakt zu verhindern – so zerstört sie mit ihren Schuh sogar den Telefonanschluss, um möglichen Anrufen vorzubeugen. Was ihr Mann ihr wirklich angetan hat, wird im Roman nicht benannt...
Familienbande wie Glas
Als Olivia mit gebrochenem Arm und ihren Kindern das Anwesen der Mutter bezieht, will ihr Bruder Marcus gerade mit seiner Frau Sophie und dem frisch geborenen Baby aus dem Krankenhaus kommen. Doch Sophie hatte eine Fehlgeburt – der Arzt hat ihr geraten, sich noch drei Tage lang von dem Embryo zu verabschieden und so trägt sie das tote Kind stets bei sich. Die Dienstmädchen sind schockiert, als sie den Tiefkühlschrank für die Leiche frei räumen müssen, damit der Verwesungsprozess nachts nicht weiter voran schreitet. Als das tote Baby dann doch beginnt zu verwesen, versinken alle in Apathie – niemand traut sich, Sophie zu sagen, dass sie das Kind endlich beerdigen soll und alle bewegen sich in einem zerbrechlichen Vakuum aus Distanz, Spannung und nichtsprechen können. In "Unruhe" findet keine erlösende Familienzusammenführung statt, sondern ein zermürbendes Miteinander auskommen müssen.
Zur Autorin: Julia Leigh wurde 1970 in Sydney geboren, wo sie nach ihrem Schulabschluss Kunstgeschichte und Jura studierte. Obwohl sie als Anwältin am Supreme Court zugelassen wurde, entschied sie sich dafür, Schriftstellerin zu werden. 1999 erschien ihr Debütroman "Der Jäger", der mehrfach ausgezeichnet und in viele Sprachen übersetzt wurde. Nach längeren Aufenthalten in Paris und New York lebt Julia Leigh derzeit wieder in Sidney. (Quelle: Verlagsinformationen)
AVIVA-Tipp: Die Erzählweise von Julia Leigh erscheint abgehackt, angedeutet und schemenhaft. Die Kälte, die sie mit der Schilderung der morbiden Ereignisse in ihrem zweiten Roman verbreitet, berührt und verstört die Leserin. So ist es auch nicht die eher handlungsarme Erzählung, sondern es sind die kleinen, zum Teil abstoßenden, zum Teil in ihrer Komposition faszinierenden Sentenzen zwischenmenschlichen Zusammenlebens, von denen frau angeekelt und zugleich gefesselt wird. Ein gedanklicher und emotionaler Nachhall ist hier garantiert.
Julia Leigh
Unruhe
Übersetzerin: Marica Bodrožiæ
Originaltitel: "Disquiet"
Liebeskind Verlag, erschienen August 2009
Gebunden, 126 Seiten
ISBN-13: 978-3-935890-62-5
Euro: 14,90