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Beitrag vom 14.12.2009
Tereza Vanek - Chinatown
Sunna Krause-Leipoldt
In ihrem 2009 erschienenen Roman lässt Tereza Vanek das Chinatown und die wilden Jazz-Clubs des historischen Hamburger Hafenviertels wiederaufleben. Diese aufregende Zeit bildet den Rahmen für die...
...Liebesgeschichte zweier Frauen aus verschiedenen Welten.
Hamburg, Ende der 1920er Jahre – die Weltwirtschaftskrise hat die Metropole bereits in ihrem Griff, doch der Nachhall der "Goldenen Zwanziger" ist noch zu spüren. Im Hafen kommen nicht nur Waren sondern auch Menschen und kulturelle Einflüsse aus der ganzen Welt an und prägen das Gesicht der Stadt. Dazu gehört Chinatown, eine Reihe von Straßenzügen im Hafenviertel, in denen sich ImmigrantInnen aus dem zerfallenen chinesischen Kaiserreich niedergelassen haben.
Eine von ihnen ist Mai Ling, die von dem Kleinkriminellen Liang nach Deutschland geschmuggelt wurde, um für ihn als Prostituierte zu arbeiten. Sie ist noch nicht abgebrüht genug, um sich nicht jedes Mal schmutzig zu fühlen, jedoch in einer Kultur des Gehorsams verhaftet und bereits zu resigniert, um sich noch ein anderes Leben vorstellen zu können.
Auch Alexandra Gierczynski lebt in Hamburg. Sie stammt aus einem polnischen Elternhaus, das durch harte Arbeit einen gewissen Wohlstand erlangt hat. Alexandra verdient ihren Lebensunterhalt als Fremdsprachenkorrespondentin in einer Anwaltskanzlei, doch ihre Liebe gehört dem Jazz. Die Nächte verbringt sie als Sängerin einer mäßig erfolgreichen Combo und mit ihrer jüdischen Geliebten Sarah.
Obwohl die Welten der beiden Frauen fremd und fern voneinander scheinen, existiert eine Verbindung zwischen ihnen, von der Mai Ling und Alexandra nichts ahnen. Das Schicksal lässt sie immer wieder aufeinander treffen – an einem chinesischen Imbissstand, bei einer Hochzeit oder in einem Jazz-Club. Als die junge Prostituierte von einem Geschäftspartner ihres Zuhälters vergewaltigt und schwer verletzt wird, kommt sie bei der Sängerin unter. Anfangs ist die Situation für beide ungewohnt und unangenehm. Doch nach und nach lernen sie sich kennen und lieben.
Tereza Vanek erzählt die Geschichte einer Liebe zweier Frauen, die, wie es anfangs scheint, unterschiedlicher kaum sein könnten. Die bildhafte Sprache der Autorin vermittelt den LeserInnen einen Eindruck des Lebensgefühls jener Zeit, im Spannungsverhältnis zwischen der offenen, interkulturellen Lebenseinstellung der 20er Jahre und der immer offensichtlicher werdenden Machtübernahme der Nationalsozialisten.
AVIVA-Tipp: Die Autorin Tereza Vanek hat sich ein bisher wenig beachtetes und dafür umso faszinierenderes historisches Umfeld für eine spannende Liebesgeschichte ausgesucht. Die Beziehung der zwei Frauen entwickelt sich in einer Zeit der kulturellen und politischen Umbrüche. Durch die intensive Auseinandersetzung der Schriftstellerin mit den geschichtlichen Gegebenheiten gelingt es ihr, ein überzeugendes Bild vom Hamburg der 1920er Jahre zu zeichnen.
Zur Autorin: Tereza Vanek, 1966 in Prag geboren, kam als Kind mit ihren Eltern nach Deutschland. Schon im Teenageralter schrieb sie Geschichten über Amazonen und Kämpferinnen für das Frauenwahlrecht im 19. Jahrhundert. Sie studierte Slawistik, Romanistik und Anglistik und promovierte über das Thema der Darstellung verbrecherischer Frauen im englischen Drama des 17. Jahrhunderts. Nach dem Studium arbeitete Vanek zunächst in London und kehrte dann nach Prag zurück, wo sie als Fremdsprachen-Dozentin tätig war. Heute lebt und arbeitet Tereza Vanek in München. Sie beschäftigt sich intensiv mit geschichtlichen Themen, die sie in ihren historischen Romanen aufgreift. Im September 2007 wurde ihr Debütroman "Schwarze Seide" beim Helmer Verlag veröffentlicht. Im Juni 2008 ist ihre Sage "Die Träume der Libussa" im Ullstein Verlag erschienen.
Weitere Infos und Kontakt unter:
www.tereza-vanek.de
(Quelle: Ulrike Helmer Verlag)
Tereza Vanek
Chinatown
Ulrike Helmer Verlag, erschienen September 2009
348 Seiten, Broschiert
ISBN: 978-3-8974-1286-6
17,90 Euro
www.ulrike-helmer-verlag.de
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