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Beitrag vom 06.01.2010
Die furchtlosen Memoiren der Sheilah Graham
Stefanie Denkert
Die einstige Geliebte von F. Scott Fitzgerald erzählt von ihrem Aufstieg aus dem Londoner Slum zu einer der berüchtigtsten Klatsch-Kolumnistinnen Hollywoods. Limitierte Neuauflage der Autobiographie
In Deutschland kannte man sie kaum, dabei hat Sheilah Graham, am 15. September 1904 als Lily Sheil in London geboren, in den 1930er Jahren die großen AkteurInnen der amerikanischen Filmindustrie mit schonungslosen Rezensionen und bissigen Kommentaren in ihrer landesweit erschienenen Hollywood-Kolumne zum Zittern gebracht. Spätestens 1959, mit der Verfilmung ihres autobiographischen Romans "Die furchtlosen Memoiren der Sheilah Graham" (1958 auch als "F. Scott Fitzgerald - meine große Liebe" erschienen), der Originaltitel des Buchs lautet "Beloved Infidel" (dt. "Die Krone des Lebens"), mit Deborah Kerr und Gregory Peck in den Hauptrollen, erlangte sie große Berühmtheit.
Ihrem Aufstieg zur Klatsch-Königin ging ein bewegtes Leben voraus: im Slum zur Welt gekommen, wurde sie im Alter sechs Jahren von ihrer Mutter in ein Waisenhaus gegeben. Als junge Frau schlug sie sich zunächst mit Gelegenheitsjobs, von Haushaltshilfe über Näherin und Werbedame, durch. Mit 18 heiratete sie den Unternehmer John Graham Gillam, der nicht nur durch sein Alter eher eine Vaterfigur für sie war, sondern auch dafür sorgte, dass sie lernte, sich wie eine Dame zu benehmen. Durch die Heirat änderte sie ihren Namen in Sheilah Graham, schrieb sich kurzzeitig an der Royal Academy of Dramatic Arts ein und begann erfolgreich als Revue-Tänzerin zu arbeiten. 1933 ließ sie ihren Ehemann zurück und zog nach New York, wo sie sich als Reporterin etablierte. Bereits zwei Jahre später bekam Graham einen festen Auftrag für eine Hollywood-Kolumne und zog kurzerhand in die Filmmetropole, wo sie auf einen weiteren Mann traf, der ihr Leben stark beeinflusste: F. Scott Fitzgerald ("The Great Gatsby").
Bis zu seinem frühen Tod, lebten die beiden fast drei Jahre lang zusammen, obwohl die Beziehung zu dem mittlerweile erfolglosen und alkoholsüchtigen Schriftsteller nicht leicht war. Während sie ihm Halt gab, unterrichtete er sie in Literatur- und Weltgeschichte, in ihrem "College of One" (worüber sie ein weiteres Buch schrieb), so dass Sheilah den Mangel an Allgemeinbildung, der ihr zu schaffen machte, aufarbeiten konnte. Er war es, der sie zum Schreiben ihrer Memoiren ermutigte, doch dazu konnte sie sich erst Jahre später, als sie bereits wieder verheiratet und zweifache Mutter war, durchringen. Mehr als zehn weitere Bücher, über ihr Leben, über die Zeit mit Fitzgerald sowie über Hollywood, folgten. Am 17. November 1988 starb Sheilah Graham in Palm Beach, Florida, USA.
Die Neuauflage in der Anderen Bibliothek im Eichborn Verlag ist als limited Edition aufwendig gestaltet mit in einem Leineneinband und mit einem wunderschön gestalteten Pappeinband.
AVIVA-Tipp: Sheilah Graham war eine Self-made Woman, wie es nur wenige gab in der Zeit vor der Neuen Frauenbewegung. Ihre Aufstiegsgeschichte ist beeindruckend und ihre Memoiren sind wahrlich furchtlos, weil Graham ungeschönt nicht nur von anderen, sondern auch von den eigenen Fehlern und Schwächen erzählt. Ihre Emanzipationsgeschichte ist sicherlich vor dem Hintergrund der damaligen Zeit zu betrachten und so bieten ihre Erinnerungen eben auch einen Einblick in die glamourösen Seiten der 1920er und 1930er Jahre Londons und Hollywoods sowie hinter deren Kulissen.
Sheilah Graham, Gerold Frank
Die furchtlosen Memoiren der Sheilah Graham
Ein autobiographischer Roman
Übersetzt von Marguerite Schlüter
Die Andere Bibliothek im Eichborn Verlag
384 Seiten, erschienen im Dezember 2009
ISBN: 9783821862262
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