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Beitrag vom 16.07.2008
Sehen wir uns morgen – Alice Kuipers
Andrea Petzenhammer
Claire und ihre Mutter sehen sich kaum, deshalb hinterlassen sie sich gegenseitig kurze Botschaften. Intensiver Roman, der Unausgesprochenes in einer ungewöhnlichen Form zum Thema macht. Lesenswert!
Das Leben in Kurzform zwischen den Zeilen
Schon ihr erster Roman ist etwas besonders: Alice Kuipers erzählt nur auf Notizzettel von starken Emotionen, dem plötzlichen Erwachsenwerden und der Kürze des Lebens. Unbekümmert von starren Roman-Vorlagen orientiert sie ihr Buch an den meist kurzen, oft digitalen Botschaften wie SMS oder Chat-Nachrichten, die unsere Zeit so prägen. Der Roman ist unter dem Titel "Sehen wir uns morgen? Ein ganz besonderes Hörbuch" auch als Hörbuch erschienen.
"Hi Mama! (Die ich ÃœBERHAUPT GAR NICHT mehr sehe!)"
Seit der Scheidung ihrer Eltern lebt die fünfzehnjährige Claire mit ihrer vielbeschäftigten Mutter zusammen. Als Ärztin in einer Geburtsklinik ist diese oft unterwegs, die meisten der Mutter-Tochter-Verabredungen müssen kurzfristig verschoben werden. Aber auch Claire ist mit der Schule, ihren Freundschaften und ihrer ersten Liebe beschäftigt. Deshalb hinterlassen sich die beiden gegenseitig Nachrichten an der Kühlschranktür auf denen sie sich von ihrem Leben erzählen.
"Ich wünsche dir Kraft und umarme dich ganz fest"
Doch dann ändert sich das Leben der beiden schlagartig. Mit der Diagnose "Brustkrebs" können Mutter und Tochter zunächst kaum umgehen, schließlich stellen sie sich jedoch der Herausforderung. Die zuvor witzig-nörgelnden Nachrichten werden reifer und liebevoller. Vor allem Claire wird schneller erwachsen als ihre gleichaltrigen FreundInnen, und auch ihre Mutter beginnt, ihr Leben stärker zu reflektieren.
Die LeserInnen berührt, was zwischen den Zeilen steht
Die Autorin erzählt von Pubertät, Angst und Verlust – Themen, an denen beide Frauen wachsen und einander näherkommen. Innerhalb der sehr wenigen Zeilen, die auf den Zetteln zur Verfügung stehen, müssen Informationen und Emotionen untergebracht werden. Sinnbildlich für eine schnelllebige Zeit verpassen sich Mutter und Tochter knapp – aber eben nur knapp, bis sie verstehen, dass es für ein gemeinsames Leben keine Garantie gibt.
Zur Autorin: Alice Kuipers wurde 1979 in London geboren, studierte in Manchester und lebt heute in Saskatoon in Kanada. Sie hat Kurzgeschichten in Literaturzeitschriften und als Radioproduktionen veröffentlicht. "Sehen wir uns morgen?" ist ihr erster Roman.
AVIVA-Tipp: Mit "Sehen wir uns morgen?" wagt die Autorin Alice Kuipers den Sprung in das schmerzhafte Thema Krebs. Literarisch eigenwillig arbeitet sie die Kommunikation und Entwicklung der Mutter und der Tochter einfühlsam und intensiv auf. Vor allem die unvollständige Kommunikation und das Unausgesprochene vereinnahmt die Leserin bereits nach wenigen Seiten und lässt frau das Buch bis zur letzten Seite nicht mehr aus der Hand legen.
Alice Kuipers
Sehen wir uns morgen?
Originaltitel: "Life on the Refrigerator Door"
Aus dem Englischen von Anna Julia Strüh und Christine Strüh
Fischer Schatzinsel Verlag, erschienen als veränderte Neuausgabe 2008
Gebunden, 240 Seiten
Ab 12 Jahren
ISBN 978-3-596-85273-4
Euro 9,95