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Beitrag vom 16.07.2010
Jule Philippi - Zu Gast bei Freunden. Schimpfen und fluchen in 114 Sprachen
Claire Horst
Sprachführer gibt es wie Sand am Meer. "Wo ist das nächste Hotel?" oder "Wollen wir tanzen?" steht in solchen Büchern dann. Die Linguistin Jule Philippi interessiert sich für einen anderen Aspekt..
... der zwischenmenschlichen Kommunikation und zeigt sich damit ganz realistisch.
Schließlich ärgern wir uns im Urlaub mindestens genauso oft über andere wie zu Hause - wir können es ihnen nur nicht so richtig mitteilen. Wer sich nicht auf die altbewährte Zeichensprache verlassen will, der oder dem kann mit Philippis Buch geholfen werden.
In Japan hat Ihnen jemand den Sitzplatz in der U-Bahn weggenommen? Ein herzhaftes "Bukkoroshite yaru zo!" ("Ich werde dich zu Brei schlagen!") hilft sicher, Dampf abzulassen. Sie ärgern sich über einen Indonesier? In diesem Fall ist "Babi bunting" schnell zur Hand - wer als "schwangeres Schwein" bezeichnet wird, ist sicher erst mal sprachlos.
Diese Schimpfwörter sind Ihnen zu fantasielos? Kein Problem, auch für lyrische Gemüter ist gesorgt. Die ausgefeilteren Varianten eignen sich allerdings eher für Menschen mit sehr gutem Gedächtnis und Sprachtalent. Denn aus dem Buch abgelesen machen sie sicher weniger Eindruck. In diese Kategorie gehören etwa das bulgarische "Tvoiata mozuchna kletka se chuvstva samotna!" ("Deine Gehirnzelle fühlt sich einsam!"), das bosnische "Dabogda se pretvorio u zabu, pojela te roda, i posrala sa 500 m visine!" ("Mögest du dich in einen Frosch verwandeln! Ein Storch soll dich fressen und aus 500 Meter Höhe ausscheißen!") oder das hebräische "Stom et ha´pe ya tachat, lech titba bemarak im krotonim!" ("Halt´s Maul, Arschloch. Ich wünsche mir, dass du in einer Suppe mit gerösteten Brotstücken ertrinkst!") Wer diese Sprüche auswendig kann, beweist schon damit seine Integrationsfähigkeit und setzt sich angenehm von den deutschen TouristInnen ab, die kaum Englisch können und überall höflich auf Deutsch Wiener Schnitzel bestellen.
Zu jeder der 114 Sprachen hat die Autorin eine kleine Einführung parat, die die jeweilige Schimpfkultur in den richtigen Zusammenhang rückt. Natürlich greift sie dabei gerne auf historische Ereignisse und Legenden zurück - die rumänische Schimpfkultur folgt ihr zufolge in ihrer Aggressivität Graf Tepes, dem historischen Dracula, auf Türkisch beschimpften sich schon GriechInnen und TrojanerInnen, und die Tamilen lernten das Fluchen über ihren Handel mit dem Römischen Reich. Wer nicht auf historischer und politischer Korrektheit besteht, amüsiert sich mit dem Buch bestens.
Besonders erfreulich, wenn auch nicht besonders praktisch: Philippi hat als Linguistin ein Faible für eher selten in Reiseführern erwähnte Sprachen. So ist neben Lateinisch, Aramäisch und Altgriechisch auch Rotwelsch vertreten, und mit Klingonisch sogar eine Kunstsprache. Dass man sogar auf Esperanto fluchen kann, das doch als Sprache der Völkerverständigung erfunden wurde, ist eine weitere Überraschung.
AVIVA-Tipp: "Zu Gast bei Freunden" ist nichts für schwache Gemüter. Sexistische und rassistische Sprüche machen einen großen Teil der Sammlung aus - das Ziel ist schließlich Beleidigung des Gegenübers. Aufschlussreich sind die Flüche in jedem Fall: Dass etwa "Ukrainer" ein weißrussisches Schimpfwort sein soll, erlaubt ebenso viele Rückschlüsse wie die Tatsache, dass Mütter und Penisse zu den beliebtesten Angriffszielen in fast allen Sprachen gehören.
Zu der Autorin: Jule Philippi ist Linguistin und lebt in Hamburg. Zu ihren Veröffentlichungen gehören Kinderbücher und linguistische Fachbücher.
Jule Philippi
Zu Gast bei Freunden. Schimpfen und fluchen in 114 Sprachen
rororo Taschenbuch, Erscheinungsdatum: 02.08.2010
5,00 Euro
ISBN: 978-3-499-62603-6
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